Pfarrer Karl Sendker

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11. Sonntag C
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Predigt zur 2. Lesung:  Gal 2,16.19-21

Predigt zum Evangelium:  Lk 7,36-50

Predigt zum Evangelium:   Lk 8,1-3

Predigttext:    Gal 2,16.19-21

 

Dies ist die zweite Predigt einer fünfteiligen Predigtreihe zum Galaterbrief.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Vor einigen Jahren bin ich einmal auf einem Beerdigungskaffee gewesen nach der Beerdigung. Da saßen dann beim Kaffee die Angehörigen, die Nachbarn und sonstige Bekannte, und sie unterhielten sich über den Verstorbenen.

Und es war schon beeindruckend, was sie da vorbrachten: „Unser Egon (der Name ist jetzt nicht so wichtig), wenn der nicht im Himmel ist, dann ist keiner im Himmel. Der hat noch eigenhändig mitgeholfen, als die Kirche ein neues Dach bekommen hat. Da ist keiner von der Haustür weggegangen, der in Not war, ohne dass er etwas bekommen hat. Der hat mit keinem Menschen Feindschaft gehabt. Der hat für jeden ein gutes Wort gab. Der ist jeden Sonntag in der Kirche gewesen. (Sie gaben zu, dass sie selber nicht immer gingen.) Wenn der Egon nicht im Himmel ist, dann ist keiner im Himmel.“

Ich muss ehrlich sagen, es hat einen ziemlichen Stich ins Herz gegeben. Wenn das nämlich stimmt, dass das alles maßgeblich ist, um in den Himmel zu kommen, dann sieht es ganz böse aus. Dann bekommt man Angst dabei. Viele ältere Menschen haben mir oft mit Angst in der Stimme gesagt: „Ob wir wohl alles richtig gemacht haben? Ob wir wohl genug getan haben, dass wir gut oben ankommen?“ Wenn Menschen schwer Krank sind und vielleicht schon dem Sterben ins Auge sehen, dann kommen einem solche Fragen.

Aber wenn es darum geht, ob Du alles richtig gemacht hast, dass Du gut oben an kommst, dann gibt auf diese Frage eine ganz eindeutige Antwort: „Nein, Du kommst mit Sicherheit nicht oben an. Brief und Siegel darauf: Du kommst nicht oben an, wenn es danach geht, ob Du alles richtig gemacht hast.“

 

Das ist das, was der Apostel Paulus erschreckend erfahren hat. Der war auch vor seiner Bekehrung auch immer auf dieser Welle geschwommen: Wenn ich alle Gesetze und Gebote Gottes erfülle, und wenn alles richtig gemacht habe, dann bin ich in den Augen Gottes ok, dann komme ich gut oben an.

Aber dann ist ihm plötzlich klar geworden: Das geht überhaupt nicht. Dieser Weg der Gesetzeserfüllung ist ein Irrweg. Und er hämmert es seitdem immer wieder den Menschen ein. Hören Sie noch einmal den ersten Satz der heutigen Lesung. Dreimal schreibt Paulus: „Wir haben erkannt, dass der Mensch nicht durch Werke des Gesetzes gerecht wird.“ „Nicht durch Werke des Gesetzes wird der Mensch gerecht …“ „…denn durch Werke des Gesetzes wird niemand gerecht.“ Dreimal hämmert Paulus das den Galatern ein: Wenn es danach geht, was wir getan haben, dann hat keiner von uns eine Chance, weder der Papst noch der kleinste Bauer in unserem Dorf. Keiner kommt gut oben an. Alle sind schuldig. Paulus hatte erkannt: Wenn es wirklich darum geht die Gebote zu erfüllen, wenn du dann ein einziges Gebot übertrittst, dann hast du das ganze Gesetz Gottes übertreten und du bist schuldig.

Wenn wir ganz ehrlich sind: Wenn Jesus im Neuen Testament als Hauptgebot nennt: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben von ganzem Herzen“, wer kann das denn sagen, dass er dieses Gebot gehalten hat? Oder das zweite, das dem ersten gleich ist: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Wenn nur diese beiden Gebote gelten, und es ginge danach, ob wir das erfüllt haben, dann hätte noch keiner von uns eine Chance, oder wir wären unehrlich.

 

Natürlich kann man sagen: „Aber ich hab ja sonst alles richtig gemacht, und ich habe auch über die Gebot hinaus viel Gutes getan.“ Das stimmt ja vielleicht auch. Aber wenn Du in betrunkenem Zustand einen Verkehrsunfall verursachst und vor Gericht stehst, dann nützt es überhaupt nichts, wenn Du dem Richter sagst: „Ich habe aber alle anderen Verkehrsregeln gehalten. Ich habe auch eine Spende gegeben für die Verkehrswacht.“ Das nützt Dir in dem Augenblick überhaupt nichts. Du wirst verurteilt wegen Trunkenheit am Steuer.

Nur bei Gott meinen wir, wir könnten so argumentieren. Nein, das geht nicht. Wenn es im Gericht Gottes auf die Gesetzeserfüllung ankommt, dann geht es nur die Frage: Hast du das ganze Gesetz gehalten. Oder du bist schuldig. Das war das Erschreckende was den Paulus aufgegangen war.

 

Aber dann, wenn einem das einmal klar geworden ist, dass keiner von uns eine Chance hat, dann leuchtet plötzlich das Evangelium, die Frohe Botschaft, die Paulus zu verkünden hat, doppelt hell.

Gott möchte er nicht, dass die Menschen verloren gehen. Und als wir dem Weg der Gesetzeserfüllung keine Chance hatten, da hat Gott uns einen anderen Weg eröffnet, der uns garantiert, dass wir gut oben ankommen.

Paulus sagt: Da ist jemand, nämlich Jesus Christus, der hat die Strafe auf sich genommen. Als Jesus Christus am Kreuz gestorben ist, ist nicht für seine eigenen Sünden gestorben, die hatte er ja gar nicht. Da ist er gestorben für mich. Und wenn ich einmal in Gericht Gottes stehe und verurteilt werde, dann ist meine Strafe bereits erledigt. Die ist schon verbüßt; die hat Christus stellvertretend für mich verbüßt. Und das wird mir geschenkt, unabhängig von dem, was ich getan habe. Das wird mir von Gott gratis angeboten.

Paulus geht sogar noch einen Schritt weiter in der heutigen Lesung. Er sagt: „Ich bin sogar mit gekreuzigt worden, als Christus gekreuzigt wurde.“ Als ich getauft wurde, und als ich diesen Bund, den Gott mit mir geschlossen hat, in der Taufe angenommen habe, da bin ich so eng mit Christus verbunden worden, dass ich sagen kann: „Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir.“ Ich bin mit Christus total eins geworden. Und darum: Wenn Christus am Kreuz gestorben ist, dann ist mein Ich mitgekreuzigt worden. Mein Ich hat die Strafe bereits verbüßt. Und darum hat jeder, ganz gleich wo er steht, im Gericht Gottes eine absolut sichere Chance.

Das ist das Evangelium, das Paulus verkündet: Du brauchst Dir den Himmel nicht zu verdienen, Gott schenkte ihn Dir umsonst. Du muss nur eins tun: Du darfst glauben, dass das Wirklichkeit ist. Du brauchst nur darauf zu vertrauen, dass es wirklich stimmt, dass Jesus für dich gestorben ist, an deiner Stelle. In dem Augenblick hast Du den Schritt getan von „verloren“ zu „gerettet“. Paulus sagt: Durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht, sondern durch den Glauben an Jesus Christus.

 

Mir haben schon manche Leute gesagt vor allem Intellektuelle, die viel Bildung haben: „Herr Pfarrer, das ist mir zu billig. Einfach nur glauben, dass Christus alles getan hat …? Da machen Sie es den Leuten zu einfach.“ In so einem Gespräch habe ich dann einmal einem Studienrat geantwortet: „Wenn Sie wirklich meinen, dass das zu billig ist, dann stellen Sie sich einmal unter ein Kreuz und schauen Sie Jesus am Kreuz an. Und dann sagen sie ihm einmal: Das ist mir zu billig, dieser Weg, den du gegangen bist.“

Paulus sagt am Ende unserer Lesung: Wenn wir uns selber retten können dadurch, dass wir Gesetze erfüllen, dann wäre Christus umsonst gestorben, dann hätte er gar nicht sterben brauchen. Dann machen wir ihn im Grunde zum Lügner und zum Betrüger.

Gott schenkt uns unsere Rettung umsonst, das ist die Frohbotschaft. Jeder, der sich auf diesen Herrn verlässt, der das im Glauben annimmt und darauf vertraut, dem sagt das Evangelium mit letzter Gewissheit: Du kommst gut oben an. Aber wahrscheinlich gibt es kaum eine Botschaft, die wir so schwer lernen, wie diese, dass es das Heil sonst gibt.

 

Vor einiger Zeit habe ich einmal folgende Geschichte gelesen: Nach dem Kriege gab es einen Religionslehrer in der Schule, der wollte den Kindern im Religionsunterricht diese Botschaft beibringen, dass die Gnade Gottes umsonst ist. Die Schüler haben die Botschaft einfach nicht verstanden. In der nächsten Stunde hatte der Lehrer eine Idee. Am Anfang der Stunde nimmt er seine Armbanduhr vom Arm, das war er damals eine Kostbarkeit. Er geht zum ersten Schüler und fragt ihn: „Möchtest Du die Uhr haben?“ Der schaut den Lehrer ganz entgeistert an und sagt: „Nein!“. Der Lehrer geht zum Nächsten: „Willst Du die Uhr haben?“ „Nein!“ Der Lehrer geht zum Nächsten und bietet ihm die Uhr an. Vergeblich. Irgend ein Mädchen sagt dann: „Ja!“ Der Lehrer gibt ihr wortlos die Armbanduhr. Da hätten Sie einmal die anderen Schüler sehen sollen. „Darf die die behalten???“ „Ja!“, sagte der Lehrer, „ich hatte die Uhr doch jedem von euch angeboten.“ „Haben Sie das ernst gemeint???“  Keiner hatte das ernst genommen, als der Lehrer ihm die Uhr angeboten hatte. Und dann waren sie noch sauer auf dieses eine Mädchen, die das ernst genommen hatte. Mitfreuen konnte sich keiner.

Ich vermute, dass es vielen Christen so geht mit dem Angebot Gottes. Dass wir eines Tages dastehen und ungläubig sagen: „Hast du das ernst gemeint?“ Doch, Gott hat das ernst gemeint! Ob wir das wohl auch so ernst nehmen, wie Gott das ernst nimmt. Amen.

 

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Predigttext:    Lk 7,36-50

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Stellen Sie sich einmal vor, heute morgen hier in diesem Gottesdienst vielleicht gleich kurz nach der Wandlung würde plötzlich von hinten eine Frau durch den Mittelgang nach vorne gerannt kommen, sie würde sich hier vorne vor dem Altar auf den Boden werfen, würde laut zu schluchzen beginnen: „Jesus, Jesus, Jesus!“, sie würde auch noch dabei kreischen und in Tränen ausbrechen. – Stellen Sie sich einmal eine solche Situation vor. Ich glaube, im Augenblick würde es in der Kirche totenstill werden; dann würden wahrscheinlich ein paar Männer aus der Bank kommen, würden die Frau aufheben und mit ihr nach draußen gehen. Ich vermute, viele in der Kirche würden die Nase rümpfen und sagen: „Die ist ja hysterisch!“ Das ganze würde furchtbar peinlich sein im Augenblick. Wie kann man sich nur so daneben benehmen?

Aber vielleicht können Sie jetzt ein Stückchen ahnen, wie peinlich das im Evangelium dem Simon gewesen ist, dem Pharisäer, der Jesus zum Essen eingeladen hatte. Da lagen die jetzt alle zu Tisch (Man saß ja damals nicht auf Stühlen, sondern man lag zum Essen auf Polstern, auf einen Arm gestützt und aß.), und plötzlich kommt diese Frau, macht sich von hinten an Jesus heran, fängt an zu weinen, dass die Tränen über die Füße Jesu laufen. Sie zerbrich eine ‚Parfümfläschchen’, würden wir heute sagen, und trocknet schließlich mit ihren aufgelösten Haaren die Füße Jesu ab. Eine unmögliche Situation. Allein schon das letzte, diese aufgelösten Haare, war in Israel unanständig. Keine anständige Frau lief in Israel mit aufgelösten Haare herum. Aufgelöste Haare zu tragen, war ein Zeichen: Ich bin eine Dirne, ich bin zu haben. Keine anständige Frau lief so rum. Und jetzt macht diese Frau sich so von hinten an Jesus ran. Und dann, kann ich mir denken: Dieser Simon steht für einen Augenblick wie versteinert da. „Das kann doch nicht wahr sein. Und das in meinem Haus.“ Aber dann der zweite Gedanke: „Wenn dieser Jesus wirklich ein Prophet wäre, dann müsste er doch wissen, was das für eine ist, dass sie eine ‚Öffentliche’ ist, dass sie von Hand zu Hand weitergereicht wird. Warum lässt er sich von so einer berühren?“

Ja, Jesus weiß, was das für eine ist. Jesus weiß um diese Frau, er weiß, dass sie eine Sünderin ist. Nur – Jesus sieht durch diese äußeren Dinge hindurch in das Herz dieser Frau. Wir sehen ja immer nur das Äußere: bei dieser Frau die aufgelösten Haare, das hysterische Geschluchze und so. Aber Jesus sieht im Herzen dieser Frau die ganze unerfüllte Liebe und auch die Sehnsucht im Tiefsten nach Vergebung, nach einem anderen Leben.

Das ist das Typische für Jesus, dass er nicht an den Äußerlichkeiten hängen bleibt. Jesus sieht auch heute meinetwegen durch die Maske eines Trinkers hindurch, der seine Familie ruiniert, der Frau und Kinder schlägt. Jesus sieht durch die Maske von jungen Leuten hindurch, die in unseren Städten Randale machen. Wir sehen immer nur das Äußere. Aber wer von uns weiß schon, wie es im Herzen eines solchen Menschen aussieht? Wie viel an Einsamkeit und Verlorenheit im Herzen eines solchen Menschen ist. Und genau das sieht Jesus, auch bei dieser Frau.

Und jetzt steht sie da, oder liegt auf den Knien und begegnet Jesus. Wer weiß, vielleicht hat diese Frau gehört, wie Jesus mit der Ehebrecherin umgegangen war, die man auf frischer Tat ertappt hatte. Wie er ihr gesagt hatte: „Frau, ich verurteile dich nicht; geh und sündige von jetzt an nicht mehr. Vielleicht hatte diese Frau gehört, wie Jesus mit der Samariterin am Jakobsbrunnen umgegangen war, die fünf Männer gehabt hatte, fünfmal geheiratet hatte. Und fünfmal war die Ehe gescheitert. Und jetzt lebt sie mit einem Mann zusammen, mit dem sie nicht verheiratet war. Vielleicht hatte sie gehört, dass Jesus auch diese Samariterin nicht zurückgestoßen hatte. Und jetzt kommt sie und begegnet Jesus. Und in dieser Begegnung liegt ihre ganz tiefe Sehnsucht: „Wenn überhaupt noch einer mich heil machen kann, wenn jemand meinem Leben überhaupt noch eine neue Richtung geben kann, dann ist ER es. Er schaut mich anders an als die übrigen Menschen. Er schaut nicht so von oben auf mich runter: Guck mal, die da! Und er stößt mich nicht zurück. Er verachtet mich nicht, wie die anderen, die in mir immer nur einen Spielball gesehen haben, der von einem zum anderen weiter gegeben wird.“

Und in diesem Augenblick, wo die Frau Jesus begegnet, einfach in dieser Begegnung, geschieht das Wunder, das die Bibel Wiedergeburt nennt, ein neuer Anfang. In diesem Augenblick geschieht bereits Vergebung der Sünden, geschieht bereits neues Leben für diese Frau, noch bevor Jesus ihr das ausdrücklich zuspricht.

Und sehen Sie, wenn ein Mensch das so erlebt hat: Mir ist vergeben worden, ich bin so angenommen worden, wie ich bin, dann bricht es aus dieser Frau heraus. Und es muss sich einfach Luft machen, und es äußert sich in diesen Tränen, und es äußert sich darin, dass sie dieses kostbare Salbenfläschchen zerbricht. Das ist kein sentimentales Getue. Vielmehr: Das was in ihrem Herzen ist, macht sich einfach Luft. Und es ist ihr so egal, was in diesem Augenblick die anderen denken. Hauptsache: Sie kann diesem Jesus ihre Liebe zeigen.

Ich habe das oft erlebt bei Menschen, die jahrelang mit der Last ihres ‚alten Lebens’ herumgelaufen sind und dann vielleicht in einem Exerzitienkurs durch eine Beichte Vergebung geschenkt bekommen haben. Wie sich dann diese Freude auf einmal Luft verschafft hat. Das muss dann einfach raus. Und man kann überhaupt nicht unterscheiden: Sind das jetzt Tränen der Reue, oder sind das Tränen der Freude?

Aber eins ist ganz sicher: In diesem Augenblick bricht der ganze Himmel in freudigen Jubel aus. Im Alten Testament, im Propheten Zefanja, wird einmal von Gott gesagt: „Er freut sich über dich voller Freude. Er schafft dich neu in seiner Liebe. (Das war mit dieser Frau geschehen.) Und er springt auf deinetwegen in Jauchzen wie an Festtagen.“ (Zef 3,17) Das geschieht im Himmel. Oder wie es im Lukasevangelium heißt im Gleichnis von der Verlorenen Drachme und vom Verlorenen Schaf: „Es ist Freude im Himmel über einen einzigen Sünder, der umkehrt.“ (Lk 15) Und genau das war in der Begegnung dieser Frau mit Jesus geschehen.

Man kann Jesus auch ganz anders begegnen, so wie dieser Simon, der Jesus ja eingeladen hatte. Der hat sich die Begegnung mit Jesus etwas kosten lassen. Wenn man damals jemanden zum Essen einlud, dann war das nicht nur ein flüchtiger Schnellimbiss. Das war ein großes Gastmahl. Aber wenn man diese Geschichte genau liest, dann spürt man, dass das eine Begegnung ist mit ganz großer Distanziertheit. Sehen Sie, es war im Judentum üblich, wenn man in ein Haus kam, dass dann ein Diener kam und einem die Füße abspülte, die schmutzig geworden waren vom Straßenstaub. Das hatte Simon unterlassen. Es war üblich im Judentum, dass man einem Gast den Begrüßungskuss, den Bruderkuss gab. Simon hatte das nicht getan. Es war üblich, einem Gast einige Tropfen Öl aufs Haupt zu gießen und seine Haare zu salben. Das hatte Simon unterlassen. All diese kleinen Zeichen der Gastfreundschaft, die das Persönliche ausmachen, die waren bei Simon unterblieben. Gut, er hatte ihn eingeladen, aber es wird eine große Distanziertheit sichtbar.

 

Zwei Menschen begegnen Jesus. Ich habe manchmal den Eindruck Ob die Art und Weise, wie der Simon Jesus begegnet in seiner Distanziertheit, ob nicht diese Art der Begegnung auch heute bei vielen Christen so geschieht? Gut, wir begegnen Jesus noch. Wir kommen zur Kirche; wir erfüllen unsere religiösen Pflichten, wie man so schön sagt. Aber ist nicht oft auch eine große Distanz da? Ist da bei uns noch dieser Überschwang der Liebe, der sich bei dieser Frau im Evangelium zeigt?

 

Zwei Menschen begegnen Jesus. Der Unterschied zwischen diesen beiden Begegnungen, der lässt sich auf einen einzigen Punkt bringen; der liegt im Stichwort ‚Vergebung’. Jesus sagt in Bezug auf die Frau: „Ihr sind viele Sünden vergeben worden, darum zeigt sie jetzt so viel Liebe.“ Und er sagt mit Blick auf den Simon: „Wem nur wenig zu vergeben ist, der zeigt auch nur wenig Liebe.“, der geht auf Distanz. Und sehen Sie, wenn man dann einmal wieder einen Blick wirft in unsere Zeit bei uns Katholiken: Wie häufig trifft man heute diese Redensart an bei Katholiken: „Ich weiß gar nicht mehr, was ich beichten soll; bei mir ist eigentlich nichts vorgekommen. Man könnte auch biblisch sagen: Bei mir ist eigentlich wenig zu vergeben. Und dann sagt Jesus möglicherweise auch heute: „Wem nur wenig zu vergeben ist, der zeigt auch nur wenig Liebe.  Amen.

 

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Predigttext:    Lk 8,1-3

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Ein aufregendes Evangelium ist das heute nicht, dieser kurze Abschnitt aus dem achten Kapitel des Lukasevangeliums, den ich gerade gelesen habe. Da geht es um eine kurze zusammenfassende Bemerkung, dass Jesus durch die Dörfer und Städte zog und predigte, dass die Zwölf ihn begleiteten und einige Frauen. Das war’s auch schon. Ein aufregendes Evangelium ist das wahrhaftig nicht.

Und doch, wenn man es einmal aus der damaligen Zeit heraus liest, dann spürt man, dass dieser kurze Abschnitt eine ganze Menge Zündstoff in sich birgt, und das noch bis auf den heutigen Tag. Wir wollen uns diesen Text einmal anschauen mit den Augen von damals. Sehen Sie, dass Jesus, wenn er durch die Dörfer und Städte zog, seine Jünger bei sich hatte, das war üblich. Jeder Rabbi zog mit seinen Jüngern durchs Land. Aber dass im Gefolge dieses Jesus von Nazareth auch eine ganze Reihe von Frauen als Jüngerinnen mitzogen, das war total ungewöhnlich, das war damals gegen jeden Stil. Man muss immer bedenken: das Judentum ist ja noch bis auf den heutigen Tag fast ausschließlich eine Männerreligion. Frauen zählen da nichts. Wenn man das vor Augen hat, dann war es auffällig und ungewöhnlich, das Jesus nicht nur Männer um sich gesammelt hat als Jünger, sondern auch Frauen. Und wenn man einmal die Evangelien daraufhin durchliest, dann fällt auf, dass Jesus gegen die Gewohnheit seiner Zeit überhaupt ein sehr unkompliziertes Verhältnis als Rabbi den Frauen gegenüber hatte. Ich erinnere Sie an die Szene mit der Samariterin am Jakobsbrunnen, wo Jesus sich in der Mittagshitze eine lange Zeit nimmt, um mit dieser Frau am Brunnen zu reden. Die Jünger waren gerade einkaufen gegangen. Und dann steht da: Als die Jünger zurückkamen, da wunderten sie sich, dass er mit einer Frau redete. Das war in ihrem Augen total ungewöhnlich.

Diese Frauen, die mit Jesus durch das Land zogen, von denen sind hier ja einige mit Namen genannt. Aber merkwürdig ist doch: die Mutter Jesu, Maria, war überhaupt nicht dabei. Wenn sie dabei gewesen wäre, das hätten wir ja noch verstehen können. Aber von Maria ist überhaupt nicht die Rede. Vielmehr waren das Frauen, die auch noch ‚anrüchig’ waren, Frauen, die von bösen Geistern besessen gewesen waren, die krank gewesen waren und geheilt worden waren. Maria Magdalena wird genannt; von der waren sieben Dämonen ausgefahren. Das war die Gesellschaft um Jesus. Außerdem wird noch genannt: Johanna die Frau des Chuza, eines Beamten des Königs Herodes. Offensichtlich hat Jesus zu der Zeit auch in den höheren gesellschaftlichen Kreisen bereits Jünger und Jüngerinnen gehabt. Und dann steht da noch so eine kleine Bemerkung am Rande: Diese Frauen zogen mit ihm und unterstützten Jesus und die Jünger mit dem, was sie besaßen. Das ist so eine Randbemerkung, sie schenkt uns aber einen wichtigen Einblick. Ich hab früher oft gedacht: Wovon hat Jesus eigentlich gelebt, wenn er damals durchs Land gezogen ist und gepredigt hat? Wovon haben die Jünger gelebt? Die hatten doch ihren Beruf verlassen. Von Paulus wissen wir: der war Zeltmacher, und er hat mit seinen eigenen Händen gearbeitet. Hier erfahren wir, dass es eine ganze Reihe von Frauen gegeben hat, offensichtlich wohlhabende Frauen, die Jesus und die Jünger mit ihrem Vermögen unterstützten.

Nur ein paar Frauen!

Aber jetzt kommt das Eigenartige: Diese paar Frauen, die nie ein Wunder gewirkt haben, die nie in der vordersten Reihe gestanden haben, die immer nur so dabei waren, diese paar Frauen kommen an einigen wichtigen Knotenpunkten des Lukasevangelium vor:

Als Jesus am Kreuz stirbt, da war von den Aposteln außer Johannes keiner dabei. Alle waren abgehauen. Aber diese Frauen hier, diese ‚namenlosen’ Frauen, die ihm von Galiläa gefolgt waren, die haben auch noch unter dem Kreuz ausgehalten. Auch hier stehen sie nicht in der vordersten Reihe; es heißt: sie standen in einiger Entfernung. Aber die waren nicht abgehauen, sie waren dabei. Kurze Zeit später, als Josef von Arimathäa Pilatus um den Leichnam Jesu bittet, um ihn bestatten zu können, und ihn dann in ein Grab legen lässt, da sind diese paar Frauen wieder dabei. Und auch hier: die haben nicht mit Hand angelegt; die haben auch nicht gespendet für das Grab; die waren einfach nur dabei. Und weil sie dem Leichnam Jesu den letzten Liebesdienst nicht tun konnten, ihn einzusalben (der Sabbat war ja gerade angebrochen), da haben sich die Frauen ganz schlicht an das Sabbatgebot gehalten. Aber, bei der ersten Gelegenheit, die sich bietet, am Ostermorgen in aller Frühe, als die Sonne gerade aufging und damit der Sabbat vorbei war, da gehen genau diese Frauen zum Grab Jesu und sie wollen Jesus einsalben. Da sind nicht die Jünger hingegangen. Übrigens wird auch nicht gesagt, dass Maria, die Mutter Jesu mit am Grab war. Nein, diese schlichten, einfachen Frauen, die gehen zum Grab hin, um Jesus diesen Liebesdienst zu tun.

Und dann geschieht das Großartige: Diese Frauen, die immer einfach nur dabei waren, die keinerlei führende Rolle gespielt haben, die werden von Gott gewürdigt, die ersten Zeugen der Auferstehung zu sein. Sie sind die ersten, die am Grab vom Engel die Botschaft empfangen: Er ist auferstanden; er lebt; er ist nicht hier, so wie er es euch gesagt hat. Und diese Frauen werden von Gott gewürdigt, die ersten Prediger zu sein, die eine Osterpredigt halten. Diese paar Frauen bekommen den Auftrag: Geht zu den Jüngern und verkündet ihnen Da steht das Wort ‚verkünden’. Das gleiche, was Jesus getan hatte; sie stehen in der gleichen Tradition, in der Jesus steht. „Verkündet den Jüngern, dass er lebt, dass er auferstanden ist!“ Nicht die Apostel, nicht die Jünger sind die ersten Prediger der Osterbotschaft, sondern diese schlichten, einfachen Frauen, die eigentlich immer nur dabei gestanden haben. Die sind von Gott gewürdigt worden.

Wenn man sich das einmal vor Augen führt angesichts unserer Diskussion heute, wo es um die Rolle der Frau in unserer Kirche geht. Die ist ja sehr umstritten, einmal von oben her, von Rom her, auf der anderen Seite aber auch genau so umstritten von unten her in den Gemeinden; dass die Gemeinden das nicht annehmen wollen, wenn Frauen zum Beispiel im Gottesdienst einen führenden Dienst übernehmen. Wie viele haben Probleme gehabt, Frauen als Kommunionhelferinnen zu akzeptieren. Oder wenn Frauen in einem Wortgottesdienst predigen; ich bin nicht sicher, ob die Gemeinden das einfach so akzeptieren. Aber wer sind wir denn als Kirche, wenn Gott selbst Frauen gewürdigt hat, zu predigen, diesen Dienst der Verkündigung zu tun? Wer sind wir denn, dass wir ihnen diesen Dienst wehren und ihnen diesen Platz verweigern. Ich denke schon, dass wir da großen Nachholbedarf haben.

Es hat mir ehrlich gesagt weh getan, als vor etlichen Jahren die Verfügung herauskam, dass Frauen als Laien in der Eucharistiefeier nicht mehr predigen dürfen. Ich glaube, wir haben da eine Chance vertan. Ich kenne sie viele Laien, und im besonderen auch Frauen, die geistliche Schätze mit sich herumtragen, und die von Gott her ganz offensichtlich eine Berufung haben, auch das in der Verkündigung weiterzugeben. Ich kenne Frauen, die durch ihre Verkündigung viel mehr Glauben geweckt haben in anderen, als wir Priester es jemals konnten. Ich habe manchmal dabei gesessen und war bis ins tiefste Herz getroffen und angerührt. Das war von Gott gewirkt. Gut, der Papst hat sicher recht, wenn er sagt: Jesus hat keine Frauen zu Aposteln berufen. Es mag sogar sein, dass es richtig ist, dass es nicht im Willen Gottes ist, dass Frauen Priester werden. Ich weiß es nicht und will nicht darüber streiten und diskutieren. Aber eins ist ganz sicher. Den Dienst der Verkündigung, der Predigt, der Weitergaben der Botschaft, den hat Gott Frauen genau so, ja sogar als den ersten, anvertraut.

Und ich möchte ausdrücklich Mut machen, diesen Dienst der Frauen wieder ganz ernst zu nehmen. Es macht keinen Sinn, wenn wir uns nur darüber ärgern und dagegen anrennen, dass Frauen in der heiligen Messe nicht predigen dürfen. Es gibt so viele andere Möglichkeiten. Ich möchte Frauen ermutigen, als Mütter in den Familien den Kindern wieder Bibelgeschichten zu erzählen. Wenn ich nicht eine Mutter gehabt hätte, die mir Bibelgeschichten erzählt hat, immer wieder, als ich Kind war, dann würde ich vielleicht gar kein Priester sein. Das ist Verkündigungsdienst in tiefster Weise.

Ich möchte allen Frauen Mut machen, die den Dienst tun in der Katechese bei der Vorbereitung auf die Erstbeichte, die Erstkommunion und die Firmung. Diese Frauen halten nicht nur ein paar Gruppenstunden. Die wird vielmehr die Botschaft Gottes verkündet. Und da steht Jesus Christus mit seiner ganzen Autorität dahinter. Das ist Verkündigungsgeschehen.

Ich möchte dafür werben, dass wir auch in unserer katholischen Kirche den Wortgottesdienst wieder hochschätzen. Dass wir nicht sagen: Das ist ja nur ein Wortgottesdienst. Denn im Wortgottesdienst sind in vielfältiger Weise Formen der Verkündigung auch durch Frauen möglich. Wir haben viel mehr Möglichkeiten, wenn wir nur ein bisschen Phantasie walten lassen und diese Möglichkeiten wirklich wahrnehmen und auch einüben.

Ich kenne so viele Frauen, die einen Bibelkreis leiten, verantwortlich, über Jahre hin. Ich kenne Frauen, die selber Bibelkurse übers Wochenende halten, in aller Schlichtheit; aber das rührt an. 

Ich hab einmal eine Schülerin erlebt, eine Abiturientin, die hatte Exerzitien mitgemacht als Teilnehmerin. Die hat in ihren Ferien eine Pastoralreferentin hier im Niederrhein bei deren Dienst begleitet. Dann passierte Folgendes: Diese Pastoralreferentin hielt einen Besinnungsnachmittag für Senioren. Und als sie mit der Abiturientin zu diesem Besinnungsnachmittag unterwegs war, da sagte die Pastoralreferentin zu der Schülerin: „Sag mal, du hast mir doch so viel erzählt über das Gleichnis vom Verlorenen Sohn, das ihr bei den Exerzitien besprochen habt. Willst Du nicht gleich den Senioren etwas erzählen über den Verlorenen Sohn?“ Da sagte die Schülerin: „Ja, will ich wohl tun.“ Ohne Vorbereitung. Das Ergebnis bei den Senioren war überraschend ‚unangenehm’: Die Senioren wollten anschließen ‚alle’ beichten, und sie hatten ja keinen Priester dabei. So hatten die Worte über den Verlorenen Sohn gesessen.

Ich könnte Ihnen solche Beispiele in Fülle erzählen. Ich glaube, dass wir diesen Dienst als Kirche wieder ernst nehmen sollten. Nicht uns ärgern über das, was nicht möglich ist, sondern die vielfältigen Chancen sehen und sie nutzen. Ich sag es noch einmal: Wenn Gott selber Frauen gewürdigt hat, die ersten Zeugen der Osterbotschaft zu sein, wer sind wir denn, dass wir kleinkariert sind und sagen: Das dürfen die aber nicht.   Amen.

 

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