Pfarrer Karl Sendker

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1. Fastensonntag A
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Predigten

Predigtverzeichnis  nach Bibelstellen geordnet

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 Predigt zur 1. Lesung:  Gen 2,7-9; 3,1-7

Predigt zur 2. Lesung:   Röm 5,12.17-19

Predigt zum Evangelium:  Mt 4,1-11

Predigttext:      Gen 2,7-9; 3,1-7

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Solange der Mensch lebt, ist er täglich in die Situation der Versuchung hineingestellt. Das wird uns an diesem ersten Fastensonntag vor Augen gestellt. Auch Jesus ist vom Heiligen Geist in die Wüste geführt worden, um vom Teufel versucht zu werden.

Um diese Versuchungssituation bestehen zu können, wollen wir uns ein paar Gedanken machen zum heutigen Lesungstext aus dem Buch der Genesis. Der Text selbst ist den meisten ja bekannt. Was ist das eigentlich hier um die Versuchung?

 

Ein Erstes:  

Das Wesen der Versuchung besteht hier nicht darin, dass die Schlange die Frau zur Sünde verführt, sondern darin, dass der Mensch zum Misstrauen gegen Gott gebracht werden soll. Die Schlange sagt: Gott weiß ganz genau: Wenn ihr von diesem Baum esst, dann werdet ihr sein wie Gott. Und das gönnt er euch nicht.

So wird Misstrauen gesät zwischen den Mensch und Gott. Und ich glaube, dieses versteckte Misstrauen Gott gegenüber ist die tiefste Ursünde im Menschen. Wir sagen das nicht so, aber ich glaube, dieses Urmisstrauen gegen Gott steckt in fast jedem Menschen. Das äußert sich auf verschiedene Weise.

 

Ich habe vor einigen Jahren einmal mit Jugendlichen in einem Gebetskreis zusammengesessen. Wir wollten aus einem Gebetbuch ein Hingabegebet beten, ein ganz schlichtes Gebet:

„Herr, hier sind meine Hände. Lege darauf, was du willst. Nimm hinweg, was du willst. Führe mich, wohin du willst. In allem geschehe dein Wille.“

Ein ganz schlichtes Gebet der Hingabe an Gott. Aber als wir das mit den Jugendlichen beten wollten, sagte einer: Ich kann das nicht beten. Wenn Gott damit wirklich ernst macht: „führe mich wohin du willst, in allem geschehe dein Wille“, dann bekomme ich Angst dabei. Da ist dieses tiefe Misstrauen: Was wird wohl mit mir, wenn ich mich ganz auf diesen Gott einlasse?

 

Oder das Misstrauen den Geboten Gottes gegenüber. Gott hat uns die Gebote gegeben, damit unser Leben gelingt. Aber wie oft empfinden wir ein Gebot Gottes wie eine Einschränkung unserer Freiheit. Gott gönnt mir meine Freude nicht. Das sagt der junge Mann, der gerne mit einem Mädchen schlafen möchte. Und dann steht da dieses Gebot, das die Unzucht verbietet. Und dann empfindet er dieses Gebot als totale Einschränkung: Gott gönnt mir meine Freude nicht. Dabei hat Gott auch dieses Gebot gegeben, um das Leben, das Zusammenleben zu schützen.

Wie oft ist da dieses Urmisstrauen gegen Gott. Ich glaube, es ist gut, wenn wir das bei uns selbst auch einmal entdecken. Habe ich auch solches Misstrauen, solche Angst Gott gegenüber?

 

Diesem Misstrauen setzt Jesus ein ganz einfaches Wort entgegen: das Wort: Abba, Papa, lieber Vater.

Ich will einmal dazu eine kurze Geschichte erzählen: Da kommt ein kleiner Junge zu seinem Papa. Er hat ein paar Blümchen in der Hand und sagt: „Papa, ich habe dich unheimlich lieb. Ich hab dir auch ein paar Blümchen mitgebracht. Und weil ich dich so lieb habe, will ich von jetzt an nur noch das tun, was du gerne möchtest, was du willst.“

Jetzt stellen Sie sich einmal vor, der Vater würde dann folgendermaßen reagieren: „Mein Sohn, auf diesen Augenblick habe ich nur gewartet. Das wirst du dein Leben lang bereuen, dass du mir dieses Angebot gemacht hast. Von jetzt an kommst du nicht mehr zum Schlafen ins Bett, sondern in die Besenkammer. Ich werde dir dein Spielzeug wegnehmen. Alles, was dir Freude macht, werde ich dir verbieten. Du bekommst nur noch Spinat zu essen, den du überhaupt nicht magst.“

Kein menschlicher Vater, der auch nur ein wenig Vatergefühle hat, würde so reagieren, wenn der Sohn kommt und sagt: „Vater ich will nur noch tun, was du gerne hast.“ Ganz im Gegenteil, der Vater wird ihm seine Liebe noch viel mehr zeigen.

Aber, ist es nicht eigenartig: bei unseren himmlischen Vater haben wir Angst, dass er uns alles zerstören will, dass er uns alles wegnehmen will, was uns Freude macht, wenn wir sagen: „Vater hier bin ich, mach mit mir, was dir gefällt.“ Nein, so ist Gott nicht!

 

Ein Zweites aus dieser Geschichte vom Sündenfall:

Die Versuchung wird provoziert durch eine ganz bewusste Übertreibung. Da kommt die Schlange und sagt: „Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürft von keinem Baum im Garten essen?“ Gott hatte nur gesagt: Von dem einen Baum, der in der Mitte des Garten steht, dürft ihr nicht essen. Die Schlange übertreibt ganz bewusst: „Hat Gott wirklich gesagt, dass ihr von keinem Baum essen dürft?

Ich möchte Sie darauf hinweisen, wie oft Übertreibungen bei uns die Wurzel sind für Misstrauen gegen Gott. Da hat einer den Eindruck: Ich darf ja nichts mehr. Wenn ich wirklich nach den Geboten der Kirche lebe, wenn ich nach den Geboten Gottes handle, dann darf ich nichts mehr. Wie schnell nähren wir solche Vorstellungen. Christsein bedeutet dann nur noch: Du musst, du darfst nicht, du sollst! Alles nur Vorschriften. Dabei hat Gott in der Bibel viel mehr Versprechen gegeben als Gebote.

 

Lasst uns einmal darauf achten, wie schnell wir auch in unseren Redensarten sagen: „Der taugt ja zu nichts!“ Vielleicht hat er sich etwas zu Schulden kommen lassen. Aber die Redensart übertreibt maßlos. Oder wenn jemand mir etwas vorhält, was ich falsch gemacht habe: „Immer ich!“ Nein, jetzt vielleicht, aber nicht immer!

Solche Übertreibungen zerstören das Vertrauen zu Gott, aber auch das Vertrauen zu den anderen Menschen. Wir sollten uns vor Übertreibungen hüten.

 

Auf der anderen Seite, das steht jetzt nicht unmittelbar in dieser Geschichte, darf man vielleicht auch sagen: Auch Übertreibungen des Guten, können zur Sünde führen. Wenn der Teufel es nicht schafft, einen Menschen zur Sünde zu verführen, dann wird er wahrscheinlich anfangen, ihn dazu zu verleiten, das Gute zu übertreiben. Wenn Du Dir einen riesigen Fastenvorsatz vornimmst, dann rechnet damit, dass Du spätestens nach drei Tagen sagst: „Den Vorsatz kann ich ja doch nicht halten.“ Es ist ganz wichtig, die Tugend der Klugheit und des Maßes im Auge zu behalten, sowohl in unserem Denken, wie in unserem Planen, die in unserem Reden. Keine Übertreibungen!

 

Und schließlich ein drittes und letztes zu dieser Geschichte vom Sündenfall:

Die eigentliche Sünde, wo die Frau von der Frucht des Baumes nimmt, hat drei Schritte. Und diese drei Schritte kommen ganz oft bei der Sünde des Menschen vor.

Der erste Schritt: Die Frau sah, dass es köstlich wäre, von dieser Frucht zu nehmen.

Zweiter Schritt: Sie bekam Lust danach.

Dritter Schritt: Sie nahm von der Frucht und aß.

Dieser Dreischritt ‚Ich sehe etwas, ich bekomme Lust danach, ich nehme es mir’, der kommt in der Bibel aber auch in unserem Leben immer wieder vor. Vielleicht kennen einige die Geschichte vom Ehebruch des Königs David. (1) Er sah eine hübsche Frau im Nachbargarten baden. (2) Er bekam Lust nach ihr. (3) Er ließ sie holen, und nahm sie sich.

 

Wichtig ist in diesem Zusammenhang der erste der drei Schritte. Es beginnt mit dem Sehen. Wenn zu Beginn dieser Fastenzeit für uns etwas ganz wichtig wäre, dann vielleicht nicht so sehr das Fasten in Bezug auf Essen und Trinken, sondern vielmehr, dass wir unsere Augen ein Stück mehr unter Kontrolle halten. Das wir in Bezug auf die Reize und Bilder, die im Laufe des Tages auf uns einstürmen, dass wir da ein bisschen Verzicht üben.

Ich muss nicht jeden Katalog durchblättern, der mich dann zum Kaufen reizt.

Ich muss nicht jeden Werbeprospekt von vorne bis hinten durchschauen.

Ich muss mir nicht jeden Fernsehfilm anschauen, der vielleicht meine sexuellen Begierden aufreizt.

Es beginnt ganz oft mit dem Sehen. Und wir sollten vielleicht doch einmal überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, zu Beginn der Fastenzeit diesen Vorsatz zu fassen, dass wir hinsichtlich unserer Augen ein Stückchen mehr Fasten lernen. Dass wir auswählen lernen, damit wir uns nicht von den äußeren Eindrücken reizen lassen. Dass ich selbst Herr bin über meine Augen, und dass  nicht die Eindrücke mich beherrschen, die im Laufe des Tages auf mich einströmen.

 

Im Neuen Testament heißt es, und das ist eine große Tröstung. „Keiner wird versucht über seine Kräfte hinaus. Wenn Gott einen Menschen in Versuchung geraten lässt, dann wird er auch die Kraft schenken zu einem guten Ausgang.“

Aber damit das gelingt, ist es wichtig, dass wir solche Wesensstrukturen von Versuchung erkennen, auch wo die bei mir selber zu finden sind. Und noch etwas ist wichtig: Auf den schauen, der die Versuchung exemplarisch besiegt hat, auf Jesus Christus. Er ist die Quelle unserer Kraft. Er ist der Urheber und der Vollender unseres Glaubens. Er ist derjenige, der Sieger geblieben ist in der Versuchung. Wenn Du auf seiner Seite steht, dann stehst Du auf der Seite des Siegers.  Amen.

 

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Predigttext:    Röm  5,12.17-19

 

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder!

 

„Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt, und durch die Sünde kam der Tod in die Welt.“ Das schreibt Paulus am Anfang der heutigen Lesung aus dem Römerbrief. „Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt, und durch die Sünde der Tod.“ Und Paulus setzt noch eins drauf. Nicht nur, dass die Sünde in die Welt gekommen ist, er sagt: Der Tod ist zur Herrschaft gekommen. Es gibt nicht nur den Tod, sondern der Tod ist durch den Ungehorsam des einen ersten Menschen zur Herrschaft gekommen.

Der Apostel Paulus hat vor Augen den ersten Menschen, Adam. Er hat vor Augen, dass Adam, dieser erste Mensch, zusammen mit Eva ungehorsam gewesen ist. Sie haben das Gebot Gottes übertreten. Sie haben von der Frucht gegessen, von der Gott ausdrücklich gesagt hatte, dass sie nicht davon essen dürften. So haben sie sich über den Willen Gottes hinweggesetzt. Sie sind ungehorsam gewesen. Und dann kommt dann das Urteil Gottes über die ersten Menschen. Sie werden aus dem Paradies vertrieben und stehen jetzt unter der Herrschaft des Todes. „Durch einen Menschen kam die Sünde in die Welt, und durch die Sünde der Tod.“ Die Kirche hat aus diesem Satz dann die Lehre von der Erbsünde abgeleitet.

 

Aber wieso stehen alle Menschen unter der Herrschaft der Sünde, wenn der erste Mensch gesündigt hat? Jeder ist doch für sich selbst verantwortlich. Ja, das stimmt. Paulus schreibt hier auch: Der Tod gelangte zu allen Menschen, weil alle gesündigt haben. Wir alle, jeder von uns, der sündigt, strickt an diesem Strickmuster des Todes mit. Es ist gleichsam so, als wenn wir in dieses Feuer des Todes, in dieses Feuer der Sünde durch unsere Sünden immer noch Öl gießen, so dass es immer wieder neu entfacht wird. Das ist das Furchtbare in dieser Welt.

 

Nun kann man natürlich hingehen und sagen: Ja, ist das nicht einfach nur ein Mythos, diese Geschichte von Adam und Eva? Stimmt das überhaupt so mit dem Paradies und mit den ersten Menschen. Die Naturwissenschaftler sagen uns heute, dass die Gattung Mensch sich aus den Primaten entwickelt hat. Man kann überhaupt nicht von dem ersten Menschen reden.

Und die Bibelwissenschaftler sagen uns von der anderen Seite her: Das Wort Adam ist zunächst einmal gar kein Eigenname, sondern es bedeutet ganz schlicht „aus Erde.“ Adama ist im hebräischen der Ackerboden. Und Adam heißt dann „aus Erde“ oder „Erdling“. Kann man dann von dem ersten Menschen sprechen? Man kann darüber endlos diskutieren.

 

Eins ist jedoch eine Tatsache: dass wir Menschen in unserer Welt immer wieder feststellen, dass das Böse und die Sünde eine Macht hat, der wir uns nicht entziehen können. Und nicht nur, dass die Sünde Macht hat, nein, die Sünde ist gleichsam wie eine Supermacht, die uns in einem Sklavenhaus gefangen hält. Das Furchtbare ist: Wir möchten gut sein, und wir tun das Gute trotzdem nicht. Immer wieder merken wir, dass wir im Grunde genommen Sklaven der Sünde sind.

 

Und eins darf man doch auch sagen in unserer Welt: In dem Maße, wie das Böse in unserer Welt immer mächtiger wird, in dem Maße haben wir auch eine so genannte „Kultur des Todes“ entwickelt oder besser „Unkultur des Todes“. Was zählt denn heute noch ein Menschenleben? Manchmal hat man den Eindruck, als ob der Tierschutz wichtiger ist als der Menschenschutz.

 

Wenn es bei Paulus um das Stichwort Tod geht, dann geht es nicht nur um das leibliche Sterben. Sterben müssen wir alle. Aber was bedeutet das denn, wenn einer heute sagt: Meine Ehe ist tot …, unsere menschlichen Beziehungen sind tot …, bei uns in der Kirche ist alles tot …. Da merken wir: Irgendwo prägt diese Supermacht der Sünde und des Todes unser ganzes Leben und wir kommen aus dieser Verstrickung einfach nicht heraus. Das ist das Furchtbare.

Seit dem Ungehorsam des ersten Menschen steht die Welt unter dem Gericht Gottes, unter dem Urteil Gottes. Aber wenn wir von Gott als dem Richter reden, dann muss ich darauf hinweisen: Ein Richter macht ja nicht einen Menschen schuldig, sondern ein Richter stellt nur fest, dass ein Mensch schuldig geworden ist. Und wenn von Gott als dem Richter die Rede ist, dann macht Gott uns nicht schuldig, sondern er stellt nur die Tatsache fest: Ihr habt euch durch den Ungehorsam von mir abgeschnitten und steht unter dem Gesetz der Sünde und des Todes.

 

Aber dann macht Paulus einen Schnitt. Und da hat Gott einen Schnitt gemacht. Paulus sagt: Durch den einen Menschen „Adam“ ist dieses furchtbare Geschehen der Sünde und des Todes in die Welt gekommen. Aber es hat noch einen anderen einzigen Menschen gegeben, nämlich den Sohn Gottes, der Mensch wurde, Jesus Christus. Und durch die Gehorsamstat dieses Einen, Jesus Christus (von dem Paulus im Philipperbrief sagt: Er war gehorsam bis zum Tod am Kreuz), der nicht für sich gelebt hat, sondern der bis in die letzte Konsequenz hinein den Willen des Vaters erfüllt hat. Durch diese Gehorsamstat dieses Einen wird gleichsam der Todesfaden abgeschnitten. Da heißt es im Gericht Gottes nicht mehr: „Daumen runter“, sondern da wird gleichsam ein neuer Lebensfaden geknüpft. Da heißt es: „Daumen rauf“.

 

Und das ist das ganz Große: Wir leben zwar immer noch in dieser Welt, aber in dem Maße, wie ein Mensch sich von Jesus Christus prägen lässt, ist diese Zwangsjacke der Sünde aufgebrochen. Da können wir noch sündigen, aber wir sind nicht mehr gefangen in diesem Käfig der Sünde. Da ist das Gesetz des Todes grundsätzlich gebrochen. Bei Jesus selbst merken wir, dass er vom Kreuz herunter voller Liebe noch sagt: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“ Da ist das Gesetz des Todes gebrochen. Ebenso bei Stephanus, bei Martin Luther King und bei vielen anderen.

Überall dort, wo Jesus Christus zur Herrschaft kommt, da wird die Welt erleben, dass sie befreit ist vom Gesetz der Sünde und des Todes. Da sind wir vor Gott gerecht, oder anders ausgedrückt: da sind wir in den Augen Gottes okay. Da sagt Gott zu uns ein bedingungsloses Ja.

 

Jetzt kommt aber noch etwas Größeres: Wir werden durch die Gehorsamstat Jesu Christi nicht wieder in den früheren Stand versetzt, wie er vor dem Sündenfall war. Nein, wir haben eine viel größere Würde, als Adam und Eva im Paradies.

Ich will versuchen, das in einigen Bildern zu verdeutlichen:

Ein Mensch, der zu Jesus Christus gehört, wird nicht wieder ins Paradies zurückversetzt, in den alten Zustand. Paulus schreibt vielmehr: Unsere Heimat ist in der Herrlichkeit des Himmels. Da ist unsere Würde ins Unendliche gesteigert worden.

Oder ein anderes Bild: Da ist ein junger Mann, Bediensteter eines großen Königs. Dieser junge Mann, dieser Bedienstete, dieser Knecht wird schuldig, weil er seinen Herrn verraten hat, Hochverrat. Der König kommt dahinter, und der Knecht wird verurteilt zum Tod. Das hat er durch sein Tun verdient. Und dann begnadigt der König diesen Knecht. Aber Begnadigung, von Jesus her gesehen, besteht nicht darin, dass dieser Knecht wieder in sein früheres Amt eingesetzt wird. Nein, dieser begnadigte Knecht wird als Sohn adoptiert und bekommt den Titel Königssohn. Das ist eine viel größere Würde als er sie vormals jemals hatte.

 

Ja, die Welt steht unter dem Gericht Gottes. Aber wir müssen uns auch eins vor Augen halten: Die Worte ‚Gericht’ und ‚richten’ sind im Deutschen doppeldeutig. Der Gerichtstag ist auf der einen Seite der Tag, wo ein Urteil gefällt wird. Aber andererseits: Wenn ein Haus gebaut wird, wenn das Gebäude aufgerichtet ist, und es ist alles bei diesem Gebäude im Lot, wie wir sagen, dann wird ein ‚Richt-fest’ gefeiert. Und das ist ein Fest der Freude, da wird kräftig getrunken.

Durch den Gehorsam Jesu Christi am Kreuz und durch seine Auferstehung wird aus den Gerichtstag Gottes, wo er ein Urteil fällt, gleichsam ein Freudenfest, das Richtfest Gottes, wo er die Welt wieder aufgerichtet hat, und wo voll Freude ein großes Fest gefeiert wird im Himmel und auch auf Erden.

 

Wir beginnen jetzt die Fastenzeit und gehen in wenigen Wochen auf die Karwoche zu. In dieser Karwoche von Karfreitag zu Ostern geschieht die Wandlung vom Gerichtstag zum Richtfest. In diesen Tagen, in diesen Wochen, wo wir eingeladen sind, uns auf Jesus den Erlöser einzulassen, da geschieht auch in uns die Verwandlung. Nicht: Ihr seid gerichtet! Nein: Ihr seid gerettet! Wir gehen auf das Richtfest Gottes zu.   Amen!

 

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Predigttext:      Mt 4,1-11

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Glaube auf dem Prüfstand! Das möchte ich heute wie eine Überschrift über die Geschichte von der Versuchung Jesu setzen, die wir heute als Evangelium gehört haben. Glaube auf dem Prüfstand.

Wenn wir das Wort Versuchung hören, dann denken wir meist automatisch an Verführung. Aber wenn die Bibel von Versuchung redet, dann meint sie oft nicht Verführung, sondern etwas anderes. Unser Tätigkeitswort „versuchen“ ist ja auch doppeldeutig. Versuchen kann auf der einen Seite verführen bedeuten, aber auf der anderen Seite bedeutet versuchen auch: ein Experiment machen, ausprobieren, auf die Probe stellen. Und wenn die Bibel von Versuchung redet, etwa bei der Versuchung Jesu, dann meint sie genau dieses. Da wird unser Glaube und hier im Evangelium der Glaube Jesu auf die Probe, auf den Prüfstand gestellt.

 

Wenn wir uns die Geschichte von der Versuchung Jesu näher anschauen, dann merken wir, dass sie ganz erfüllt ist vom Atem des Alten Testamentes.

Genauso wie der Geist Jesus in die Wüste geführt hat, damit er vom Teufel versucht werde, genauso hatte Gott das Volk Israel in die Wüste geführt, als er es aus Ägypten herausführte.

Jesus war vierzig Tage in der Wüste, das Volk Israel war vierzig Jahre in der Wüste.

Jesus ist in die Wüste geführt worden um versucht zu werden, um auf die Probe gestellt zu werden. Das Volk Israel wird von Gott in die Wüste geführt, „um euch zu erproben“, sagt Gott.

Und auch die drei Antworten, die Jesus dem Teufel gibt auf die drei Versuchungen, sind jedes Mal wörtliches Zitat aus dem Alten Testament.

Diese drei Versuchungen - die Zahl drei ist jetzt nicht so sehr wichtig; wir sagen ja auch aller guten Dinge sind drei; das ist eine symbolische Zahl. Aber es sind drei typische Versuchungen, die den Menschen zu jeder Zeit, auch heute noch bis ins Mark treffen. Und die schauen wir uns einmal an.

 

Erstens: Gott hatte dem Volk Israel versprochen: Ich werde euch aus dem Sklavenhaus Ägypten herausführen in ein Land, das von Milch und Honig fließt, d.h. in ein Land, wo es Überfluss gibt. Und was macht das Volk Israel in der Wüste? Bei der ersten Gelegenheit, als sie nichts mehr zu essen haben, da gehen sie nicht hin und sagen: „Gott hat versprochen, dass er uns versorgen wird“, sondern da fangen sie an zu murren, zu jammern und zu stöhnen. Sie sagen: Wir wollen wieder zurück nach Ägypten. Da haben wir wenigsten Fleisch gehabt, da ging es uns gut. Vorher haben sie gestöhnt und gejammert in Ägypten.

 

Es war für Gott ein Leichtes, in der Wüste Manna kommen zu lassen. Das Volk Israel in der Wüste zu ernähren, war für Gott kein Problem. Aber Gott hatte diesen Hunger, diese Mangelsituation zugelassen, um zu prüfen, ob Israel wirklich bereit war, sich auf diesen Gott einzulassen, der in jeder Situation für das Volk sorgt.

Was ist die erste Versuchung bei Jesus? Als ihn hungerte nach vierzig Tagen Fasten, kommt der Teufel: Wenn du Gottes Sohn bist, dann mach, dass aus diesen Steinen Brot wird. Genau die gleiche Versuchung. Es war für Jesus kein Problem, aus einem Stein Brot zu machen. Jesus hat mit fünf Broten uns zwei Fischen fünftausend Männer satt gemacht. Das war für ihn kein Problem. Aber Jesus merkte: Hier geht es um etwas anderes; hier steht der Glaube auf dem Prüfstand. Darum gibt er zur Antwort: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt.“ Die entscheidende Frage ist: Kannst Du der Zusage Gottes vertrauen, dass er Dich in den kleinen Dingen des Alltags erhält, dass er Dich da versorgt? Oder bist du gezwungen, alles selbst zu machen und in die Hand zu nehmen?

Hier liegt eine große Versuchung auch in unserer Zeit. Statt auf Gottes Wort zu vertrauen, machen wir heute alles, wir nehmen alles selbst in die Hand. Aber das ist eine tiefe Probe unseres Glaubens. Gerade dann, wenn wir in Schwierigkeiten kommen, wenn wir Mangel erfahren, sind wir dann bereit, uns darauf zu verlassen: Gott hat versprochen, mich zu versorgen?

Diese „Machermentalität“ finden wir schon bei Abraham. Abraham hatte die Zusage Gottes erhalten: Du wirst einen Sohn bekommen von deiner Frau Sarah. Aber Abraham wurde immer älter, und seine Frau Sarah wurde immer älter. Inzwischen waren bei ihr die Wechseljahre vorbei; sie konnte überhaupt kein Kind mehr bekommen. Und Abraham sagte: Wie soll das denn gehen mit der Verheißung Gottes? Dann nimmt er die Sache selbst in die Hand; er vertraut nicht mehr auf die Zusage Gottes, sondern er macht es. Er geht zu seiner Magd Hagar und zeugt mit ihr einen Sohn. Als dann Gott zum nächsten Mal erscheint und sagt: Du wirst einen Sohn bekommen, da sagt er: Hab ich schon! Aber Gott sagte: Nicht der, den du gemacht hast! Das ist nicht der Sohn der Verheißung, sondern aus deiner Frau Sarah, von der du sagst: Das geht doch überhaupt nicht mehr!, von der wirst du einen Sohn bekommen.

Das ist Glaube auf dem Prüfstand! Können wir vertrauen, dass Gott uns in alltäglichen Dingen versorgt, oder sind wir Macher geworden?

 

Zweite Versuchung: Gott führte das Volk durch die Wüste, und er hatte versprochen: "Ich bin da, ich bin mit euch."  Nun kommt Israel in eine Situation, wo sie kein Wasser mehr haben. Mit dem Manna hatte das  ja geklappt, aber jetzt haben sie kein Wasser mehr. Und dann fangen sie wieder an zu murren, und sie verlangen ein sichtbares Zeichen dafür, dass Gott in ihrer Mitte ist. Wir wollen es ausprobieren, ob es auch wirklich stimmt; wir wollen ein sichtbares Zeichen haben.

Damit haben sie Gott herausgefordert und auf die Probe gestellt.

Das Gleiche bei der zweiten Versuchung Jesu: Wenn du der Sohn Gottes bist, dann stürz dich oben vom Tempel herab. Es steht doch in der Bibel, in Psalm 91: „Gott hat seinen Engeln befohlen, dich auf Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“ Probier es doch einmal aus, ob das wirklich stimmt. Ein sichtbares Zeichen dafür, dass Gott wirklich mit dir ist, dass du der Sohn Gottes bist.

Bis an sein Lebensende hat Jesus immer wieder mit dieser Forderung zu tun gehabt. Noch am Kreuz schreien sie von unten: Steig doch herab vom Kreuz, wenn du der Sohn Gottes bist, damit wir dir glauben! Aber genau das tut Jesus nicht. Auch hier muss man sagen: Jesus hat gewaltige Wunder gewirkt, das ist nicht das Problem. Aber er missbraucht die Macht Gottes nicht, um eine Show zu inszenieren zu Demonstrationszwecken. Und darum sagt er dem Teufel: „Es steht auch in der Schrift: Du sollst den Herrn, deinen Gott nicht auf die Probe stellen.“ Er gebraucht die Macht Gottes nicht für sich.

Auch das ist eine Versuchung, der die Menschen bis heute immer wieder unterliegen, die Herrlichkeit, die Macht und die Größe Gottes für selbstsüchtige Zwecke zu missbrauchen. Ich will Ihnen ein paar ganz praktische Beispiele dafür sagen. Da merken Sie, wie uns die Versuchung unter die Haut geht.

Da kommen heute Menschen und missbrauchen die Sakramente in der Kirche für eigene Familienzwecke. Da meldet eine Familie ein Kind zur Erstkommunion an. Die haben mit Glauben nichts mehr zu tun. Aber es gehört ja eine schöne Familienfeier dazu. Da wird das Sakrament Gottes missbraucht.

Oder: Da kommt jemand, will kirchlich heiraten; er hat ebenfalls mit Glauben nichts mehr am Hut, das sagt er vielleicht sogar selbst. Seit der Erstkommunion hat er die Kirche nicht mehr von innen gesehen. Aber das ist so schön feierlich in der Kirche. Der Auszug durch das große Portal. Und andererseits ist auf dem Standesamt alles so nüchtern. Es soll doch eine schöne Feier dabei sein.

Da wird ein Sakrament missbraucht zur Verschönerung von persönlichen Familienfeiern.

Wir merken, diese Versuchungen sind durchaus aktuell.

 

Die dritte Versuchung Jesu. Bleiben wir zunächst wieder beim Volk Israel. Israel steht an der Grenze des „gelobten Landes“, ein Land, „das von Milch und Honig fließt“. Überfluss, Fülle des Lebens haben sie vor sich. Und dann sagt Gott durch Mose zu Israel: Hüte dich, wenn du jetzt in dieses Land hineinkommst, dass du dich dann nicht vor anderen Göttern niederwirfst und ihnen dienst. Wenn du das tust, wirst du schnell wieder aus diesem Land verschwinden, aus diesem Land, das von Milch und Honig fließt. Es geht um die Frage des ersten Gebots. Wird Gott als Gott noch ernst genommen, oder treiben wir Götzendienst?

Wie ist das bei Jesus mit der dritten Versuchung? Der Teufel zeigt ihm die ganze Welt mit all ihrer Pracht und Herrlichkeit. „Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.“ Das kannst du alles haben, die ganze Pracht. Du musst nur niederfallen und mich anbeten. Und Jesus sagt dem Teufel: Es steht in der Schrift: „Du sollst den Herrn deinen Gott anbeten und vor ihm allein niederfallen.“

Und auch hier wieder ein Blick in unsere Zeit hinein. Wo wird das zur Versuchung für uns?

Uns wird heute wie vielleicht keiner Generation vorher die ganze Welt mit ihrer Pracht und Herrlichkeit angeboten. Du brauchst nur in irgend einen Warenhauskatalog zu schauen oder in den Prospekt eines Reiseveranstalters. Du brauchst nur ins Fernsehen reinzuschauen: Die ganze Welt liegt uns zu Füßen.

Die Frage ist nur: Was ist uns wichtiger? Steht Gott bei uns noch auf dem ersten Platz, oder tun wir alles, um die Pracht dieser Welt zu besitzen? Geben wir sogar Gott dafür preis? Natürlich sind wir alle anständige Christen Aber wie viele Menschen, Christen, Katholiken sind heute bereit, wenn es um die Macht und Pracht dieser Welt geht, alles zu opfern, notfalls auch Gott.

 

Ich möchte noch zwei Nachbemerkungen machen, eine ernste und eine frohe Botschaft.

Die Frage der Versuchung ist nicht etwas Harmloses. Da geht es nicht um „Milka, die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt.“  Wir haben die Frage der Versuchung und der Glaubensprobe ja so verkitscht. Es geht um etwas Ernstes.

Als das Volk Israel in der Wüste die Glaubensprobe nicht bestanden hat, als sie gemurrt und gesagt haben: Gott wird das nie schaffen, uns in das Land hineinzubringen; wir werden in der Wüste sterben. Da hat Gott zugelassen, dass eine ganze Generation in der Wüste gestorben ist. Sie sind nicht in das Land hineingekommen. Von allen Menschen, die aus Ägypten ausgezogen waren, sind nur zwei in das gelobte Land hineingekommen: Josua und Kaleb, nicht mal Mose. Es geht um ernste Dinge.

Oder wenn Gott gesagt hatte: Solltet ihr euch wirklich anderen Göttern anvertrauen, sie verehren und euch vor ihnen niederwerfen, dann werdet ihr aus dem Land verschwinden. Das ist einige Jahrhunderte später Wirklichkeit geworden. Da ist das Volk Israel ausgelöscht worden. Sie sind in die babylonische Gefangenschaft verschleppt worden, und ihre ganze nationale Existenz war dahin. Gott hat das Wirklichkeit werden lassen.

Glaub mir, es geht um ernste Dinge und nicht um ein paar Nebensächlichkeiten. Das ist das eine.

 

Aber am Ende steht auch eine frohe Botschaft. Wenn jemand von uns wirklich Gott ernst nimmt und dann unter seiner Schwachheit leidet; wenn er Sorge hat, dass er die Glaubensproben nicht besteht, dass er immer wieder hinfällt, dann gilt für einen solchen Menschen die frohe Botschaft: Jesus hat diese Probe des Glaubens bestanden. Und von Jesus sagt der Hebräerbrief im Neuen Testament mit einem Jubel: Wir haben jetzt im Himmel am Thron Gottes einen Hohenpriester, der in gleicher Weise versucht worden ist wie wir, der aus eigenem Erleben weiß, wie das ist mit dem „Glauben auf dem Prüfstand“, und der nicht schwach geworden ist. Wir haben einen Hohenpriester, der mit unseren Schwachheiten mitfühlen kann. Und wir haben einen Hohenpriester, der gänzlich die zu retten vermag, die sich ihm anvertrauen.

Keiner, der Gott ernst nimmt und unter seiner Schwachheit leidet, muss verzweifeln. Jesus ist der Hohepriester auch für Dich in Deiner Schwachheit.   Amen.

 

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