Pfarrer Karl Sendker

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24. Sonntag C
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Predigten

Predigtverzeichnis  nach Bibelstellen geordnet

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Predigt zum Evangelium:   Lk 15,1-7   (Verlorenes Schaf)

Predigt zum Evangelium:   Lk 15,1-10   (Verlorene Drachme)

Predigttext:    Lk 15,1-7     (Verlorenes Schaf)

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Es gibt wohl kaum ein Bild, das sich Jesus so zu eigen gemacht hat, wie das Bild vom guten Hirten. Der Hirt ist derjenige, der die Herde führt, der die Wasserplätze kennt, der saftige Weide findet, der seine Herde auf saftige Wiesen führt. Jesus sagt von sich selbst: Ich bin der gute Hirt. Ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Er setzt sich selber ganz mit seinem Leben ein. Jesu der gute Hirt.

 

Aber was ist eigentlich, wenn ein Schaf aus der Herde verloren geht? Was macht der Hirte dann? Und davon redet dieses kleine Gleichnis heute im Evangelium. Ein paar Gedanken dazu über das Gleichnis vom verlorenen Schaf.

 

Ein Erstes: Da heißt es in unserem Gleichnis: Wenn der Hirt eins von den hundert Schafen verliert, dann lässt er die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen Schaf nach.

Wenn der Hirt dem verlorenen Schaf nachgeht, dann bedeutet das aber auch, dass er neunundneunzig Schafe in der Steppe zurücklassen muss. Die sind sich selbst überlassen. Vielleicht denken die jetzt: Ob der sich gar nicht mehr um uns kümmert? Doch, dem Hirten liegt an der ganzen Herde. Aber jetzt ist dieses eine verlorene Schaf dran. Und da müsst ihr, die neunundneunzig einmal zurückstehen, da muss ich euch in der Steppe zurücklassen.

Das gilt in der Seelsorge genau so - in der Seelsorge Jesu, wie auch in der Seelsorge heute. Ich erinnere sie an einen Mann wie den Zachäus. Der war so einer von den verlorenen Schafen. Als Jesus nach Jericho kam, waren da Hunderte, die um Jesus herum standen und ihn hören wollten. Aber Jesus ist mit dem einen, dem Zachäus mitgegangen. Alle anderen haben gemurrt: Mit dem geht er mit, mit uns nicht. Aber das ist halt so. Der Hirte muss die neunundneunzig Schafe zurücklassen. Und das ist heute in der Seelsorge genau so. Manchmal muss der Hirt (und nicht umsonst heißt der Pfarrer bei uns Pastor, auf deutsch Hirt), manchmal muss auch heute der Hirt die Gemeinde sich selbst überlassen und muss dem einem Verlorenen nachgehen. Und dabei hätten es die anderen auch so gerne, dass er sich um sie kümmert. Das tut weh, das weiß ich wohl.

 

Ich kann mich gut erinnern, in meiner Kaplanszeit gab es in der Gemeinde einen Mann, der war asozial. Den nannten sie im ganzen Dorf nur „Spritti“, weil er ständig übermäßig Alkohol getrunken hat. Er hatte sechs Kinder, und die Frau wusste vorn und hinten nicht mehr, wie sie die Familie durchbringen sollte. Ich hab mich um diesen Mann und um diese Familie gekümmert. Er ist schließlich vom Alkohol losgekommen. Aber das war ein langer Weg. Ich bin regelmäßig zu diesem Mann gegangen, weil er jemanden brauchte, der ihm Halt gab, der ihn ermutigte.

Aber wissen Sie, was dann die neunundneunzig anderen Schafe gesagt haben, die anderen Gemeindemitglieder? Es war genau wie bei Zachäus. Sie haben gemurrt und gesagt: „Schau mal, da geht er zweimal in der Woche hin, zu dem da. Und wir kommen jeden Sonntag zur Kirche, und bei uns hat sich noch nie einer „von den Schwarzen“ sehen lassen.“ So geht das dann. Aber es ist so. Der Hirt muss manchmal die Herde sich selbst überlassen. Es kommt auch die Zeit, wo er sich wieder um die ganze Herde gekümmert.

 

Ein Zweites. Da heißt es hier in diesem Gleichnis: Der Hirte geht dem verlorenen Schaf nach, bis er es findet. Ich bin so froh, dass da nicht steht: Er geht dem verlorenen Schaf nach, bis es dunkel wird. Oder: Er geht dem verlorenen Schaf eine Woche lang nach. Nein: bis er es findet. Und wenn das lange dauert, dann wird der Hirt eben lange hinter einem Schaf hergehen, bis er es findet.

Das ist eine so ermutigende Botschaft für uns alle. Wenn wir in die Situation kommen, dass wir uns in die Dornen des Lebens verstrickt haben, in Sünde, in Sucht, in Abhängigkeiten von Drogen, auch manchmal in falsche menschliche Beziehungen, wenn wir uns darin verstrickt haben, und wir kommen da alleine nicht mehr heraus, dann dürfen wir wissen: Der Hirte sucht dich so lange, bis er dich findet. Und es ist garantiert, dass er Dich findet. Auch wenn es manchmal lange dauert.

Ich denke an einen Mann wie den heiligen Augustinus. Da hat Jesus sehr lange gebraucht, bis er den gefunden hat. Aber er hat ihn gefunden. Jesu sucht das verlorene Schaf, bis er es findet.

 

Ein Drittes. Ich habe einmal vor Jahren mit Kommunionkindern in der Schule über dieses Gleichnis vom verlorenen Schaf gesprochen. Dass der Hirt so lange sucht, bis er es findet, auch wenn es vielleicht lange dauert. Da sagte ein Junge: Eins kann das Schaf aber selber auch tun, damit der Hirt es findet. Es kann laut blöken. Dann findet der Hirt das Schaf schneller.

Das ist etwas ganz Wichtiges. Wenn man sich in die Dornen des Lebens verstrickt hat und nicht mehr herauskommt, dann darf man hingehen und darf buchstäblich rufen: Herr, hörst du mein Blöken nicht? Ich komm allein nicht mehr heraus aus den Verstrickungen. Wenn du mich suchst, hier bin ich, und ich will mich von dir finden lassen. Herr, hörst du mein Blöken nicht? Es ist etwas ganz Wichtiges, dass man in einer solchen Situationen zum Herrn ruft und zum Herrn schreit.

 

Ein Viertes. Wir wissen, wie diese Geschichte in dem Gleichnis ausgeht. Der Hirt findet das Schaf, befreit es aus den Dornen, nimmt es voll Freude auf die Schultern und trägt es nach Hause. Er ruft die Nachbarn zusammen und macht ein großes Fest, weil er sein Schaf wieder gefunden hat. So geht die Geschichte aus.

Aber jetzt stell Dir einmal vor, die Geschichte würde anders ausgehen. Das wäre ja auch denkbar:

Der Hirte findet sein Schaf in den Dornen und will es daraus befreien. Aber dann sagt das Schaf: „Ich, verloren? Wie kommst du darauf? Ich fühle mich hier richtig wohl in den Dornen. Du brauchst mich nicht herauszuholen. Ich bleibe lieber hier.“ Dann würde der Hirt nicht hingehen und das Schaf gegen seinen Willen aus den Dornen heraus zerren und nach Hause schleppen.

Du musst schon bereit sein, Dich auch retten zu lassen aus den Verstrickungen. Und an dem Punkt habe ich heute manchmal Sorge. Dass die Menschen sagen: Eigentlich fühle ich mich in den Verstrickungen ganz wohl. Wofür brauche ich schon Jesus? Was brauch ich einen Hirten, der mich da herausholt?

 

Und schließlich noch ganz kurz ein Letztes. Es geht in diesem Gleichnis vom verlorenen Schaf um das Thema Buße. Und hier spürt man: Buße ist nicht etwas, was wir tun müssen. „Ich muss mich bessern, ich muss mir mehr Mühe geben, und so weiter.“ Und dann schaffe ich das doch nicht. Buße bedeutet eigentlich, dass Gott etwas tut. Er sucht mich. Er will mich befreien. Er will mich retten. Buße heißt eigentlich nur: Ich darf mich von Gott retten lassen. Das ist Buße.

Sehen Sie, in allen Religionen ist das so, dass die Menschen Gott suchen. Durch Gebete, durch Fasten, durch Opfer, durch geistliche Anstrengungen, durch Meditationsübungen und was auch immer. Die Menschen suchen Gott.

Im Christentum ist das genau umgekehrt. Da sucht Gott den Menschen, auch den Sünder, auch den Verlorenen. Er sucht auch Dich, bis er Dich findet. Amen.

 

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Predigttext:    Lk 15,1-10     (Verlorene Drachme)

 

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder!

 

Ich hab heute zur Predigt etwas mitgebracht, was ich gestern auf der Straße gefunden habe, und was ich Ihnen einfach jetzt mal zeigen möchte. Es ist so klein, dass man es von hinten vielleicht gar nicht erkennen kann. Es ist ein Geldstück, ein Cent. Es ist schon das dritte Mal seit ich aus dem Urlaub zurück bin, dass ich auf der Straße hier in unserem Dorf ein Centstück gefunden habe. Da bückt sich heute keiner mehr nach. Die alte Redensart, die man uns früher beigebracht hat ‚Wer den Pfennig (Cent) nicht ehrt, ist des Talers nicht wert’, die zählt heute nicht mehr viel.

Ich hab vor einigen Jahren bei Kommunionkindern einmal folgendes gefragt: Stell dir mal vor, deine Mutter verliert zu Hause in der Wohnung einen Cent. Was meint ihr wohl, wie lange würde die Mutter danach suchen? Da sagte spontan ein Kind: „Vielleicht einen Vormittag.“ Schallendes Gelächter bei den anderen. Wahrscheinlich würde man überhaupt nicht danach suchen Das ist ja auch nur ein Cent. Für einen Cent kann man sich ja nichts kaufen. Der ist ja nichts wert. Da lohnt es sich nicht, einen großen Aufwand zu treiben, um ihn wiederzufinden. Gut, wenn man den Cent sofort in der Wohnung sieht, dann hebt man ihn auf, aber suchen ...? Ist ja auch nur ein Cent.

 

Und jetzt stell Dir mal vor: Da kommt im Evangelium Jesus und erzählt den Menschen folgende Geschichte: Da hat eine Frau eine Drachme verloren; das ist in Israel eine ganz kleine Münze, wie bei uns der Cent. Und dann will Jesus uns weis machen, dass diese Frau eine Lampe anzündet, dass sie das ganze Haus auf den Kopf stellt, nur wegen so einer kleinen Münze. Das ist doch völlig unwahrscheinlich. Und als sie die Münze dann schließlich gefunden hat, da ruft sie alle Nachbarinnen und Freundinnen zusammen, veranstaltet ein großes Nachbarschaftsfest und sagt: ‚Freut euch mit mir; ich habe meine kleine Drachme wiedergefunden.’ Das ist doch total unrealistisch. Was meinen Sie, was meine Nachbarn sagen würden, wenn ich ein großes Nachbarschaftsfest veranstalten würde, weil ich einen Cent wieder gefunden habe.

 

Aber vielleicht hat Jesus die Geschichte ja genau deswegen erzählt, weil die so völlig unwahrscheinlich ist. Eine andere Redensart bei uns im Deutschen hilft uns da etwas auf die Sprünge. Wenn wir heute einen Menschen abgeschrieben haben, vielleicht weil der sich etwas hat zu Schulden kommen lassen, vielleicht sogar häufig, dann gibt es bei uns die Redensart: ‚Der taugt für keine zwei Pfennig (Cent).’ Vielleicht haben Sie das schon mal gehört: ‚Der taugt für keine zwei Cent’. Wenn der aber für keine zwei Cent taugt, dann taugt er nur noch für einen Cent. Und diese Redensart bedeutet: Genauso wenig, wie es sich lohnt, sich für einen Cent zu bücken oder danach zu suchen, genauso wenig lohnt sich, sich mit diesem Menschen abzugeben. Bei dem ist Hopfen und Malz verloren; lass lieber die Finger davon. Abgestempelt, abgeschoben, weg vom Fenster.

 

Und jetzt kommt die Botschaft, die Jesus damit verbindet: Wenn ein Mensch nur noch für einen Cent taugt, wenn alle Menschen ihn abgeschrieben haben, dann ist dieser eine Mensch in den Augen Jesu so wertvoll, dass der Sohn Gottes die Herrlichkeit des Himmels verlassen hat, um diesen Menschen zu suchen. Und zwar nicht nur einen Vormittag, oder einen ganzen Tag, nein: bis er ihn findet! Wie oft ist das heute so, dass wir mit dem Finger auf andere Menschen zeigen und ihn abschreiben, im privaten Leben, aber auch in unserer Gesellschaft, in der Politik. Wenn ich sehe, wie man heute über Politiker den Stab bricht, wenn sie schuldig geworden sind. Man kann ja darüber urteilen wie man will. Aber nicht diese Form: ‚Der taugt für keine zwei Cent’: Ich möchte nicht von Gott einmal so gerichtet werden, wie man heute oft über Politiker richtet.

Aber das gibt es ja nicht nur in unserer Gesellschaft, das gibt es in der Kirche auch. Wie oft sind in unserer Kirche Menschen abgestempelt worden. Taugt für keine zwei Cent! Ich nenne nur das Stichwort: ‚Geschieden Wiederverheiratete’, ich könnte die Beispiele vermehren. Aber glaub mir: Jedes Mal wenn wir einen Menschen abschreiben: Der taugt für keine zwei Cent, dann sagt ihm Jesus: Du bist in meinen Augen so wertvoll, dass ich diesen unwahrscheinlichen Fall Wirklichkeit werden lasse: Ich suche dich so lange, bis ich dich gefunden habe.

 

Nun ist es ja nicht nur so, dass andere uns abstempeln, oder dass wir andere abschreiben. Manchmal fühlt man sich ja auch selber so total wertlos, so hilflos. Meinetwegen wenn man mit bestimmten Charakterschwächen einfach nicht fertig wird. Oder ich denke daran, wie viele Jugendliche im Pubertätsalter überall anecken: ‚Ich kann es keinem recht machen; ich kann mich mit keinem über meine Probleme unterhalten ...’ Und irgendwann kommt dann: ‚Ich taug ja zu nichts mehr. Ich bin ja nichts wert.’

Oder ich denke auch an ältere Menschen, die nicht mehr im Berufsleben stehen, die vielleicht krank sind, behindert sind, zu Hause sitzen (müssen): ‚Ich kann ja nichts mehr leisten.’ Dann fühlen sie sich so wertlos, weil sie nichts mehr leisten können: ‚Ich bin ja den anderen nur noch eine Last.’ Und glaub mir: Wenn man sich in den eigenen Augen so wertlos fühlt, wie ein einzelner Cent, dann gilt das immer noch: Du bist in den Augen Gottes unendlich kostbar.

 

Beim Propheten Jesaja hat Gott hat Gott einmal zum Volk Israel gesprochen, als das Volk auf dem Tiefpunkt seiner nationalen Geschichte war, in der Babylonischen Gefangenschaft, im Exil: „Weil du so kostbar, so wertgeschätzt bist in meinen Augen, habe ich Völker für dich hingegeben.“ Vom Neuen Testament her müsste man das so formulieren: „Weil du so kostbar bist in meinen Augen – ganz gleich wie die Menschen von dir denken, oder wie du selbst von dir denkst - , weil du so wertgeschätzt bist in meinen Augen, habe ich meinen Sohn dahin gegeben, um Dich zu suchen, um Dich zu finden, um Dir eine neue Chance zu einem erfüllten Leben zu geben.“

 

An diesem Punkt unterscheidet sich das Christentum von allen anderen Religionen -  nicht dadurch, dass wir bessere Menschen wären; die anderen sind manchmal viel besser als wir. – Aber in allen Religionen geht es darum, dass die Menschen Gott suchen. Nur beim Christentum ist es umgekehrt. Da sucht Gott den Menschen bis er ihn findet. Da kann Jesus sagen: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren war.“ Ob hoch oder niedrig, ob abgestempelt oder wertvoll in den eigenen Augen, Gott sucht jeden. Er sucht auch Dich, heute. Amen.

 

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