Pfarrer Karl Sendker

Predigten - Hilfen zur Bibelarbeit

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25. Sonntag A
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Predigten

Predigtverzeichnis  nach Bibelstellen geordnet

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Predigt zur 2. Lesung:   Phil 1,20ad-24.27a

Predigt zum Evangelium:   Mt 20,1-16a

 

Predigttext:      Phil 1,20ad-24.27a

 

Predigt im MP3 Format

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Tod, wo ist dein Sieg; Tod, wo ist dein Stachel! Das ist gleichsam ein Triumphschrei des Apostels Paulus am Ende des großen 15. Kapitels über die Auferstehung im 1. Korintherbrief: Tod, wo ist dein Sieg, Tod wo ist dein Stachel.

Einige Jahre später sitzt der gleiche Apostel Paulus im Gefängnis, wahrscheinlich in Ephesus, in der heutigen Türkei. Man hat ihm den Prozess gemacht, und er muss damit rechnen, dass dieser Prozess mit dem Todesurteil endet. Das bedeutet, dass er möglicherweise den wilden Tieren vorgeworfen wird. Aus diesem Gefängnis, den Tod vor Augen, schreibt Paulus einen Brief an seine Lieblingsgemeinde in Philippi, im Norden von Griechenland.

 

In diesem Brief an seine Lieblingsgemeinde Philippi kommt Paulus auch auf den Tod zu sprechen. Aber diesmal nicht so programmatisch „Tod wo ist dein Sieg!“, sondern hier geht es um sein eigenes Sterben, das er vor Augen hat. Und da macht man keine großen Sprüche mehr, da geht es dann ums Ganze. Paulus schreibt da in diesem Brief an die Philipper über sein Sterben einige ganz merkwürdige Dinge.

 

Da schreibt er: „Sterben ist für mich Gewinn.“

Sterben ist für mich Gewinn; da verliere ich nicht etwas, da gewinne ich noch etwas dazu.

Nun, das sagt vielleicht mancher heute auch: „Sterben ist für mich Gewinn“. Wenn einer mit dem Leben nicht mehr klar kommt, wenn er lebensmüde ist, wenn ihm die Probleme über den Kopf wachsen, dann sagt er vielleicht auch: „Sterben ist für mich Gewinn“. Und dann nimmt er vielleicht eine Überdosis Schlaftabletten.

Aber Paulus kann im gleichen Atemzug sagen: „Wenn ich weiterlebe, bedeutet das fruchtbare Arbeit“. So redet doch nicht ein Lebensmüder. Und der ganze Brief strotzt nur so von Freude. Da muss etwas anderes dahinter stecken, wenn Paulus sagt: „Das Sterben ist für mich Gewinn“.

Es ist doch eigenartig: Für fast alle Menschen bedeutet das Sterben Verlust. Darum fällt es uns oft so schwer, über das Sterben zu sprechen. Und es fällt uns auch schwer, wenn wir alt sind, auf das Sterben zuzugehen. Da musst Du nämlich alles loslassen, da nimmst Du nichts mit. Wie sagen wir manchmal: „Das letzte Hemd hat keine Taschen“. Da musst du sogar den geliebtesten Menschen zurücklassen. Selbst die glücklichste Ehe gilt nur „bis der ‚Tod uns scheidet“. Sterben ist Verlust. Und dann sagt hier einer, der den Tod vor Augen hat: „Das Sterben ist für mich Gewinn“.

 

Noch etwas ist merkwürdig, was Paulus über das Sterben sagt. Da sagt er, und wieder muss man vor Augen haben, dass er dem Tod ins Auge sieht und dass er nicht vom Schreibtisch aus schreibt: „Ich weiß gar nicht, was ich wählen soll? Auf der einen Seite würde ich am liebsten aufbrechen und bei Christus sein (das heißt: sterben), das wäre das weitaus Bessere. Auf der anderen Seite weiß ich, dass Ihr, die Gemeinde mich noch braucht. Und darum bin ich sicher, dass ich noch am Leben bleibe.“ Er hat vor Augen, dass man ihm gewaltsam das Leben nimmt. Und da schreibt er: Ich wähle; ich weiß gar nicht was ich wählen soll.

 

Was für eine Freiheit wird da sichtbar! Übrigens, die gleiche Freiheit wird auch im Leben Jesu sichtbar, wenn er im Johannesevangelium sagen kann: „Niemand nimmt mir das Leben; ich habe die Vollmacht es hinzugeben und ich habe die Vollmacht es zu nehmen“. Das heißt doch mit anderen Worten: „Ich wähle.“

Man hat Jesus später am Kreuz gewaltsam das Leben genommen; man hat auch dem Apostel Paulus später gewaltsam das Leben genommen. Der Überlieferung nach ist er unter Kaiser Nero in Rom enthauptet worden. Aber eins konnte man dem Paulus nicht nehmen, die Gewissheit: Wenn sie mir jetzt auch gewaltsam das irdische Leben nehmen, es gibt ein Leben, das über den Tod hinaus ragt. Und dafür ist Jesus Christus, der Auferstandene, der Garant. Wenn ich sterbe, liegt für mich die Krone, der Siegeskranz des Lebens bereit. Ich stehe dann nicht auf der Seite der Verlierer, sondern der Gewinner. Und darum: Das Sterben ist für mich Gewinn.

 

Was war das Geheimnis des Paulus, dass er eine solche Freiheit dem Sterben gegenüber haben konnte?

Das Geheimnis liegt im ersten Teil dieses Satzes. Paulus sagt: „Das Sterben ist für mich Gewinn!“ Aber unmittelbar vorher sagt er: „Das Leben ist für mich Christus.“ Mein Lebensinhalt ist Christus! Was mir im Leben das Wichtigste ist: Christus! Die Mitte meines Lebens ist Jesus Christus! Hier lag sein Geheimnis, dass er sagen konnte: Christus ist der Mittelpunkt meines Lebens. In dieser Hinsicht war Paulus wirklich ein Radikaler.

 

Wenn Paulus die Bibel gelesen hat, dann hat er es nicht getan, um irgendwelche theologischen Streitfragen zu diskutieren wie die Pharisäer. Das hatte er vor seiner Bekehrung getan. Nein, er hat überall im Alten Testament Hinweise gefunden auf Jesus Christus, auf den Messias, auf den Erlöser. „Ihn will ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung“, schreibt er.

Wenn Paulus gepredigt hat, dann hat er nicht gepredigt, weil eben im Gottesdienst eine Predigt dran ist. Nein, es hat in seinem Herzen ein Feuer gebrannt. „Das Evangelium zu verkünden, das liegt wie ein Zwang auf mir“, sagte er. „Wehe mir, wenn ich es nicht verkünden würde.“ So wie Jesus es einmal ausgedrückt hat: „Wovon das Herz voll ist, davon läuft der Mund über.“ Das war bei Paulus so.

Wenn Paulus Reisen unternommen hat, dann nicht, um am Strand von Griechenland Urlaub zu machen. Er schreibt: „Die Liebe Christi treibt mich, seit ich erkannt habe, dass einer für alle gestorben ist.“ Er hat jede Gelegenheit genutzt, um Jesus Christus zu verkünden.

Wenn Paulus Briefe geschrieben hat, dann hat er es nicht getan, um alte Bekanntschaften aufzufrischen. Sondern er hat jede Gelegenheit genutzt, den Menschen Jesus Christus nahe zu bringen. Sogar der einzige Privatbrief von ihm im Neuen Testament, der Philemonbrief, ist über weite Strecken Christusverkündigung.

Bei ihm kann man wirklich sagen: Sein ganzer Lebensinhalt war Christus.

 

Die Frage, die Paulus an uns heute hat: Was ist eigentlich Dein Lebensinhalt? Heute, ganz praktisch. Ist Dein Lebensinhalt Dein Beruf, Deine Karriere, der Hof? Ist dein Lebensinhalt Dein Häuschen mit dem Garten, der Hobbykeller, die Pferde? Ist Dein Lebensinhalt der Ehepartner, die Familie, die Kinder?

Alle diese Dinge sind gut, die will uns die Bibel auch nicht madig machen, ganz im Gegenteil. Nur eins ist sicher: Alle diese Dinge, diese guten Dinge haben, wenn Du sie zum Lebensinhalt machst, einen großen Nachteil: Die musst Du alle lassen, wenn es ans Sterben geht.

Es gibt buchstäblich nur Einen, den Du nicht lassen musst, und der ist Jesus Christus. Dem wirst du im Sterben in einer ganz neuen und viel tieferen Weise begegnen, als du ihm hier jemals begegnen konntest. Der Apostel Johannes schreibt in seinem ersten Brief: „Wir werden ihn schauen, wie er wirklich ist. Und wir werden ihm ähnlich sein.“ Dann ist wirklich das Sterben nicht mehr Verlust, sondern Gewinn.

Wenn Du in diesem Leben Jesus Christus zu Deinem Lebensinhalt machst, dann werden die anderen Dinge nicht unwichtig, aber sie bekommen von Jesus Christus her den richtigen Stellenwert in Deinem Leben. Sie sind dann nicht mehr das Letzte, das Deinem Leben einen Sinn gibt.

 

Darum das Fazit, das Paulus uns hier mit auf den Weg gibt: Es gibt so viele Menschen, die Angst haben vor dem Sterben. Wenn Du einmal mit einer großen Freiheit dem Tod ins Auge schauen willst, wenn Du in Zuversicht sterben willst, dann sieh zu, dass Du in diesem Leben sagen kannst: „Mein Lebensinhalt ist Christus.“ Dann ist das Sterben für Dich nicht Verlust, sondern Gewinn.  Amen

 

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Predigttext:    Mt 20,1-16a

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Auf den ersten Blick ist die Situation in unserem Evangelium, in dem Gleichnis das Jesus erzählt, völlig klar. Das ist ja eine Milchmädchenrechnung: Wenn einer eine Stunde gearbeitet hat und bekommt zehn Euro, und ein anderer hat zwölf Stunden gearbeitet, dann ist es doch nicht mehr als recht und billig dass der auch zwölfmal soviel bekommt, nämlich einhundertzwanzig Euro. Und wenn der Gutsherr hier in unserem Gleichnis denjenigen die zwölf Stunden gearbeitet haben, genauso viel, besser gesagt genauso wenig gibt wie denen, die nur eine Stunde gearbeitet haben, dann darf dieser Gutsherr glücklich sein, dass es damals noch keine Gewerkschaft gegeben hat. Und man kann gut verstehen, dass die Arbeiter anfangen zu murren über einen solchen Herrn. Und wenn der Gutsbesitzer dann schließlich noch sagt: „Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will?“, dann möchte man ihm zurufen: „Nein, darfst du nicht! Du hast als Arbeitgeber und besonders als vermögender Arbeitgeber eine soziale Verpflichtung denen gegenüber, die du angeworben hast als Arbeiter.“

Aber lasst uns einmal einen Augenblick bei diesem Gedanken bleiben mit der sozialen Verpflichtung. Wenn wir dieses Gleichnis richtig verstehen wollen, dann müssen wir uns darüber klar sein, dass gerade das soziale Gefüge damals im Arbeitsbereich total anders war als heute. Damals, zur Zeit Jesu war es in Israel so: Entweder gehörte man als Arbeiter zu den Haussklaven, und mit dem Begriff Sklave verbinden wir ja zunächst automatisch etwas Furchtbares. Aber die Haussklaven hatten einen gesicherten Lebensunterhalt, die gehörten nämlich mit zur Familie, die brauchten sich nicht zu sorgen, was sie morgen auf den Tisch bekamen. Oder aber: Man war (in der Regel) Tagelöhner. Das bedeutet aber: Ein Taglöhner  wurde jeden Tag, wenn er sich morgens angestellt hatte, modern gesprochen beim Arbeitsamt, damals auf dem Marktplatz, dann wurde er für einen Tag zur Arbeit angeworben.

Das bedeutet aber eine total ungesicherte Existenz. So ein Mann, so ein Familienvater weiß ja nicht, ob er morgen jemanden findet, der ihn anwirbt, der ihm Brot gibt. Eine total ungesicherte Existenz, diese Situation des Arbeitslosen und des Tagelöhners.

Noch ein anderes muss man wissen. Wenn hier davon die Rede ist, dass der Arbeitgeber, der Gutsherr, sich mit den Arbeitern auf einen Denar einigt, dann ist ein Denar etwas anderes als bei uns etwa ein Euro oder zehn Euro. Ein Denar ist die Summe Geld, mit der eine vier- bis sechsköpfige Familie einen Tag lang gut um die Runden kam. Das war nicht viel, davon konnte man keine Rücklagen bilden, aber es war die Summe Geld, die man bekam, damit man einen Tag leben konnte. Und wenn hier in unserem Gleichnis der Gutsbesitzer allen einen Denar gibt, dann bedeutet das: Jeder, der in seinem Weinberg gearbeitet hat, hat so viel bekommen, dass er für einen Tag seine Familie ernähren kann, nicht mehr und nicht weniger.

Natürlich kann man jetzt hingehen und sagen: Der eine hat zwölf Stunden gearbeitet und der andere nur eine und trotzdem bekommen sie das Gleiche. Aber das ist nur halb richtig. Dieses Gleiche bedeutet nämlich, dass der Herr so gut ist, dass er jedem der gearbeitet hat den Lohn für einen ganzen Tag Unterhalt, ja ich hätte fast gesagt: schenkt. Letztlich steht hinter dieser Haltung des Gutsbesitzers die Erfüllung der Vaterunserbitte, die wir jeden Tag beten: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Gib uns heute das, was wir für diesen Tag nötig haben. Und genau das tut der Gutsbesitzer hier.

Man muss die Sache ja auch einmal von einer anderen Seite sehen. Wenn da nachmittags um fünf Uhr noch Leute ohne Arbeit rumstehen, das sind ja nicht einfach nur Faulenzer. Können Sie sich vorstellen, was das bedeutet, wenn der gefragt wird: Warum stehst du denn um fünf Uhr noch hier herum? Und der sagt mit totaler Resignation: „Es hat mir ja keiner Arbeit gegeben“ Wir sind heute in unserer Situation mit den Arbeitslosen so schnell bei der Hand mit der Redensart: Wer arbeiten will, der findet auch Arbeit. Aber so einfach ist das nicht. Damals nicht und heute auch nicht. Gut, Drückeberger wird’s immer geben und hat es auch immer gegeben. Aber kannst Du Dir die Not dieses Familienvaters vorstellen, der genau weiß: wenn ich um fünf Uhr noch da stehe, habe ich normalerweise keine Chance, morgen für meine Familie was zu essen zu haben. Oder das gleiche noch einmal anders ausgedrückt: Wenn die sich morgens zwischen fünf und sechs da hin gestellt haben auf den Marktplatz, da kommt der Herr und nimmt einen mit, und dann nimmt er noch einen mit und gibt ihm Arbeit und noch einen. Weißt Du, wer dann übrig bleibt? Das sind die Schwachen, die keine Muskeln haben, denen man ansieht, dass sie nicht schuften können, das sind die Alten. Solche bleiben auf der Strecke. Und ich denke, wir haben ja heute ein Gespür angesichts unserer Arbeitslosigkeit. Wenn heute ein Familienvater mit fünfzig Jahren arbeitslos wird, dann kann er sich an fünf Fingern ausrechnen: In dem Alter nimmt mich keiner mehr; das ist ja das Furchtbare. Und dann diese ungesicherte Existenz zu haben, die es so heute bei unserer sozialen Absicherung ja gar nicht mehr gibt, das war etwas Furchtbares.

Und dieser Gutsbesitzer ist zu jedem Einzelnen so gut, dass er dafür sorgt, dass die Familie am nächsten Tag etwas zu essen hat.

Wenn wir die ganze Sache einmal von der anderen Seite her aufzäumen, von diesen Arbeitern her. Schau mal, morgens zwischen fünf und sechs Uhr, als sie zum Marktplatz gegangen sind, da waren alle Arbeiter eins gewesen, eins gewesen in der Sorge: Ob uns wohl heute einer Arbeit gibt, ob uns wohl heute jemand anwirbt. Da waren sie alle eins gewesen. Und dann kommt ein Gutsbesitzer und gibt dem ersten Arbeit, und der freut sich. Und er gibt dem Zweiten Arbeit, und der freut sich und dem Dritten, und der freut sich. Kannst Du Dir die langen Gesichter vorstellen, von denen, die dann übrig bleiben? Und auf der anderen Seite: Kannst du dir die Freude vorstellen, wenn dieser Gutsbesitzer mittags noch einmal kommt und nachmittags noch einmal kommt; das war ja gar nicht üblich. Und er gibt denen auch noch Arbeit: Diese Freude, die dann da ist: Ich bin auch noch angeworben worden; ich bekomme wenigstens ein bisschen Lohn. Und dann als der Gutsbesitzer den Lohn auszahlt, da fangen die Arbeiter auf einmal an zu rechnen. Und wisst Ihr, was dann passiert? Auf einmal ist die Gemeinsamkeit weg, die Einmütigkeit. Da geht es nicht mehr um die gemeinsame Freude und um die gemeinsame Sorge, sondern da geht es nur noch darum: wie viel kriege ich und wie viel kriegt der andere. Und dann auf einmal kommt Neid auf, kommt Missgunst auf, da kommt Murren auf. Da kommt Eifersucht auf und das zerstört die Gemeinsamkeit der Menschen.

Wissen Sie, woran mich das erinnert: an das Gleichnis vom Verlorenen Sohn. Gut, er hat alles durchgebracht und der Vater nimmt ihn herzlich wieder auf. Er freut sich und lässt ein großes Fest feiern. Und dann kommt er ältere Sohn, der immer für seinen Vater geschuftet hat, und der will sich nicht mitfreuen. Er ist total verhärtet. Merken Sie, wie da auf einmal die Gemeinsamkeit, in diesem Fall unter Geschwistern, kaputt geht. Und hier in unserem Gleichnis ist es die Einheit unter den Arbeitern, die zerstört ist.

Wir haben ja ein aktuelles Beispiel dafür, wie das bei uns in diesen Tagen aussieht. Vor etwa zehn Jahren um diese Zeit, was ging da für eine Freude durch unser Volk, als in Berlin die Mauer fiel; als der Eiserne Vorhang Löcher bekam. Was war das für eine Freude, was war das für eine Einheit. Wir sind ein Volk! Aber als dann die Kosten kamen, und als wir hier im Westen gefragt waren, ob wir hier bereit sind, den Gürtel enger zu schnallen ... Wir, die vierzig Jahre Zeit gehabt hatten, unsere Wohlstandsgesellschaft aufzubauen, da fing auf einmal bei uns das Rechnen an. Und dann ging diese Freude, diese Einheit, die uns 1989 beseelt hat, als die Mauer fiel, den Bach runter. Und wenn wir gerade jetzt in diesen Tagen im Bundestag die ganzen Diskussionen haben um einen Sparhaushalt, und wenn jeder sagt: ja es muss gespart werden, - schließlich hängt es ja mit der Einheit zusammen die finanziert werden musste, - dann besteht jeder darauf: beim anderen muss gespart werden, nicht bei mir. Daher kommt doch die Zwietracht. In dem Augenblick, wo Menschen anfangen zu rechnen, wo sie nicht mehr großherzig sein können, wo sie nicht mehr gut sein können, so wie dieser Gutsbesitzer im Gleichnis gütig war. Da werden solche Menschen vielleicht reich werden, vielleicht werden sie einen ganz hohen Posten in der Wirtschaft bekommen, aber die Freude, die Wärme in der menschlichen Gesellschaft, die Herzlichkeit, das Miteinander, alles das geht flöten, das bleibt auf der Strecke.

Wenn wir das Ganze noch mal positiv wenden. Ich habe mich oft gefragt: Wie kommt das eigentlich, dass zu Zeiten der Apostel damals die ersten Christen in einer Generation den ganzen Mittelmeerraum für Christus gewonnen haben, ohne moderne Medien und Nachrichtentechnik, ohne Autos und Flugzeuge? Wissen sie woran das lag? Nicht zuletzt daran, dass sie diese Haltung der Großherzigkeit hatten, wo keiner gerechnet hat und hat gesagt: das ist meins und das ist deins, und du bleibst mir von meinem weg. Nein, sie hatten alles gemeinsam, und es gab keine Notleidenden unter ich ihnen, weil sie bereit waren zu teilen.

 

Am Ende dieses Gleichnisses ist es so eigenartig. Der Gutsbesitzer ist zwar selber hingegangen zum Marktplatz und hat die Leute angeworben, aber er zahlt ihnen nicht selber den Lohn aus, das überlässt er seinem Verwalter. Mit diesem Gutsbesitzer ist ja Gott gemeint. Könnte es sein, dass wir die Verwalter sind, denen Gott anvertraut, den Lohn auszuzahlen an die Menschen heute. Und dann ist die Frage, zahlen wir den Lohn, indem wir berechnend sind, oder zahlen wir den Lohn aus entsprechend dem gütigen Herzen Gottes?

Und wenn es in der Lesung eben geheißen hat: Gott sagt, „Meine Gedanken sind nicht euere Gedanken.“ Wir Menschen rechnen oft. Meine Gedanken, sagt Gott, sind nicht eure Gedanken, aber es sind gute Gedanken für uns.   Amen.

 

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