|
Predigtverzeichnis nach Bibelstellen geordnet Alle Predigten dieser Homepage dürfen für die Verkündigung benutzt werden. Eine Veröffentlichung schriftlich oder auf Tonträgern ist nicht erlaubt. Über Predigten auf Kassetten informieren Sie sich unter dem Stichwort Kassettendienst . Predigt zur 1. Lesung: Bar 5,1-9 Predigt zur 2. Lesung: Phil 1,4-6.8-11 mp3 Video Predigt zum Evangelium: Lk 3,1-6 als Video Predigttext: Bar 5,1-9
Liebe Schwestern und Brüder!
Ich vermute, keiner von Ihnen hat im Alten Testament einmal das Buch Baruch gelesen, aus dem wir heute die erste Lesung gehört haben. Möglicherweise ist ihnen der Name Baruch noch nie begegnet. Das kann durchaus sein. Als Martin Luther, seine Bibel ins Deutsche übersetzt hat, da hat er gemeint: Das Buch Baruch ist ein zweitrangiges Buch. Das hat nicht einem solchen geistlichen Wert wie die anderen Bücher der Bibel. Und er hat das Buch Baruch auch in seine Bibelübersetzung nicht aufgenommen.
Die Bibelwissenschaftler sagen uns: Ob der Mann, der dieses Buch geschrieben hat, überhaupt Baruch geheißen hat, ist sehr ungewiss. Möglicherweise ist das nur ein Pseudonym, ein Deckname. Im Alten Testament gibt es einen Mann Baruch, das war der „Sekretär“ des Propheten Jeremia. Möglicherweise hat man Jahrhunderte später dem Verfasser dieser Schrift den Namen Baruch gegeben, damit er den Namen einer berühmten Persönlichkeit hatte. Wann das Buch geschrieben ist wissen wir auch nicht genau. Es ist in griechischer Sprache geschrieben. Die meisten Bücher des Alten Testamentes sind in hebräischer Sprache geschrieben. Und weil dieses Buch Griechisch geschrieben ist, vermutet man, dass es im letzten Jahrhundert vor Christus geschrieben wurde. Das wäre dann eine ziemlich späte Verfasserzeit.
Aber eins können wir aus dieser kleinen Schrift mit nur fünf Kapiteln entnehmen: Das Volk Israel war in religiöser Hinsicht ziemlich am Boden. Man hatte überhaupt keine geistliche Perspektive mehr. Die Zeit eines König Davids oder eines König Salomos, das waren schöne Träume von früher. Aber jetzt lag das religiöse Leben ziemlich am Boden. Das Volk Israel war nach der babylonischen Gefangenschaft wenigstens teilweise nach Jerusalem zurückgekehrt. Sie hatten den Tempel wieder aufgebaut. Ein Teil des Volkes war auch in Babylon geblieben. Da hatte es Mischehen gegeben mit den einheimischen Bevölkerungsteilen. Man hatte im Tempel in Jerusalem heidnischen Kult eingeführt. Das religiöse Leben lag ziemlich brach. In diese Situation hinein macht der Verfasser des Buches Baruch dem Volk Israel geistlich wieder neuen Mut. Viermal ruft er dem Volk zu: „Fasse Mut, Jerusalem!“ Volk Israel, fasse neuen Mut. Lasst den Kopf nicht hängen. Oder wie es am Beginn unserer Lesung eben hieß: „Jerusalem, leg dein Trauerkleid ab!“ Mit anderen Worten: Lauft nicht immer mit einer Trauermiene herum. Schaut nicht immer nur nach unten. Steigt auf einen hohen Berg und schaut von oben herab, aus der Perspektive Gottes. Und dann wirst du sehen, dass das Armselige da unten, was du siehst, nur die eine Hälfte der Wahrheit ist. Schau auf Gott und seine Herrlichkeit, und bekleide dich gleichsam mit der Herrlichkeit, die von oben kommen. Setz dir eine Krone auf das Haupt, denn du gehörst zum König des Himmels und der Erde. „Fasse Mut, Jerusalem!“
Dieser Mann, dieser Baruch, war kein Prophet. Aber er war in den alten Prophetenbotschaften zu Hause. Er nimmt die alten Prophetensprüche auf, aus dem Propheten Jesaja, aus dem Propheten Jeremia, und bringt sie neu zum Leuchten. Er hält sie dem Volk Israel vor Augen: Schau doch einmal in deine eigene Geschichte hinein. Kannst du dich noch erinnern, als du in Ägypten gewesen bist und Sklavendienst tun musstest? Der Pharao hatte sich geweigert, euch ziehen zu lassen. Aber er hatte nicht mit Gott gerechnet und seiner Herrlichkeit. Schließlich haben die Ägypter euch noch Geschenke und Schmuck gegeben. Sie hätten euch mit einer Sänfte herausgetragen, damit ihr ziehen konntet. Das ist es, was Gott kann. Lasst den Kopf nicht hängen und legt das Trauerkleid ab. Ihr seid wer in dieser Welt. Dem Abraham hatte Gott gesagt: „In dir sollen alle Völker der Erde gesegnet werden.“ Und Baruch im Auftrag Gottes sagt dazu: Das Heil, das von Gott kommt, das du erleben wirst, das soll allen Völkern offenbar werden. Das kann man alles in Kommentaren zur Bibel nachlesen. Das habe ich bei der Vorbereitung zu dieser Predigt auch getan.
Aber als ich über diese Predigt nachdachte, und als ich das Buch Baruch mit seinen fünf Kapiteln einmal ganz gelesen habe, da ist mir plötzlich etwas aufgegangen, was man auf den ersten Blick nicht merkt: Wenn man das Wort Baruch, diesen Namen Baruch, ins Deutsche übersetzt, dann heißt Baruch: „Der Gesegnete“. Und wenn man das Wort Baruch ins Lateinische übersetzt, dann heißt das: „Benediktus, Benedikt, der Gesegnete“. Und dann ging mir bei der Vorbereitung dieser Predigt so durch den Kopf, dass wir zur Zeit einen Papst haben mit dem Namen Benedikt. Und auch bei ihm ist es ja so: Benedikt ist gar nicht sein eigentlicher Name. Sein eigentlicher Name, sein Taufname, ist Josef, Josef Ratzinger. Aber er hat sich selbst als Papst den Namen Benedikt gegeben.
Um wenn man den Gedanken einmal ein wenig weiter spinnt, dann darf man noch eins sagen: Die Lage der Christen hier in Westeuropa hat genau so wenig geistliche Perspektive, wie damals im Volk Israel. Gut, man feiert noch Gottesdienste. Aber Höhepunkte unseres Glaubens gibt es kaum noch. Es plätschert alles so dahin. Es gibt heute so viele Menschen, die immer nur alles schwarz sehen für die Kirche. Da reden wir in der Kirche über Strukturreformen, über Fusionen, über den Haushalt, dass es immer weniger Geld gibt. Aber die große geistliche Perspektive haben wir nicht mehr. Da werden den Christen alle möglichen Gebote und Moralvorschriften auferlegt, als wäre das Christentum ein reines Moralsystem. Viele Menschen nehmen das schon gar nicht mehr ernst.
Und dann kommt ein Mann Baruch, Benedikt, Papst Benedikt. Und was macht er? Genau das Gleiche, was damals Baruch im Alten Testament getan hat. Er nimmt die Worte der Heiligen Schrift, hält sie uns hin, und macht uns Mut. Er hält uns nicht eine Moralpredigt, sondern er macht uns Mut. Dafür ein Beispiel: Er schreibt er seine erste Enzyklika mit dem Titel: „Deus caritas est“, „Gott ist die Liebe“. Und da geht es beim Thema Liebe nicht nur um etwas Geistliches, sondern da geht es in dieser Enzyklika auch um die Frage der sexuellen Liebe. Aber da wird jetzt nicht eine Daumenschraube angesetzt, sondern auch die sexuelle Liebe wird hineingenommen in die Perspektive Gottes. Gott ist der Urheber jeder Liebe, auch der sexuellen Liebe. Und es wird den Menschen Mut gemacht, es wird nicht mit Repressionen gearbeitet. Das ist eine ganz neue Perspektive, die er uns da aufzeigt. Oder ein anders Beispiel: Der Papst geht nicht hin, und sagt den Menschen: Ihr müsst wieder zur Kirche gehen. Nein, er dreht die Argumentation um. Als er in Deutschland war, in Bayern, da hat er die Parole ausgegeben: „Wer glaubt, ist nicht allein.“ Das ist eine positive Äußerung. Du bist nicht allein, wenn du glaubst. Du bist Glied einer großen Gemeinschaft, der Gemeinschaft der Kirche. Ich könnte etliche Beispiele nennen aus den Predigten von Papst Benedikt, wie er den Menschen diese ganz schlichten Glaubenswahrheiten so vor Augen hält, dass man auf einmal wieder spürt: Der Glaube macht froh. Glaube ist nicht etwas, was uns knebelt und einengt. Ich darf stolz darauf sein, zur Kirche zu hören. Ich bin stolz darauf, Priester zu sein und zu dem großen Gott zu gehören. Das vermittelt uns Papst Benedikt, und das ist so wohltuend.
Ich habe in den kirchlichen Nachrichten im Bayerischen Rundfunk gehört, dass an diesem Wochenende in München der Bund der Deutschen Katholischen Jugend zusammen mit Mitgliedern der neuen geistlichen Gemeinschaften auf die Straße geht, den Passanten kleine Teelichter in die Hand drückt und sie einlädt: Kommen Sie doch mit in die Kirche, dass wir zusammen beten können. Und zünden sie dort in der Kirche dieses Licht an. Das wäre vor Jahren undenkbar gewesen. Es geht ein Ruck durch die Christen in Deutschland; es geht ein Ruck durch unser geistliches Leben. Man kann es an vielen Orten spüren. Das ist es, was wir brauchen: Einen, der Mut macht zum Glauben, wo wir resignieren und keine geistliche Perspektive mehr haben.
Als damals im Alten Testament Baruch den Menschen Mut gemacht hat, da hat es im Volk Israel eine Gruppe von Menschen gegeben, man weiß nicht, ob es eine große oder kleine Gruppe war. Diese Gruppe von Menschen hat die Botschaften Baruchs gleichsam aufgesogen, und hat sie im Herzen festgehalten. Zu dieser Gruppe gehören im Neuen Testament: Zacharias, Elisabeth, die Gottesmutter Maria, Simeon und Hanna, die großen Gestalten der Weihnachtsgeschichte. Die gehören zu dieser Gruppe von Menschen, die die Botschaft Baruchs im Herzen bewahrt haben. Von Simeon wird im Neuen Testament gesagt: „Er wartete auf den Trost Israels.“ Er trug diese Botschaft Baruchs in seinem Herzen und wartet auf die Erfüllung. Von Hanna wird gesagt: Als das Jesuskind in den Tempel hineingetragen wird: „Sie sprach über dieses Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalem so warteten.“ Das war diese Perspektive; man rechnete damit, dass etwas kommt. Und dann kann man sich auch vorstellen, was das für einen Simeon oder für eine Hanna bedeutete, als ein kleines Kind in den Tempel getragen wird. Und Simeon erkennt durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes: Das ist der Erlöser. Jetzt kann ich die Augen zumachen. Meine Augen haben das Heil gesehen. In Jesus Christus ist dieses Heil Gottes Wirklichkeit geworden.
Und ich bin ganz sicher: Wir werden in unseren Tagen erleben, dass der geistliche Aufbruch, der jetzt in Ansätzen erkennbar ist, dass der unser geistliches Leben prägen wird. Von hier aus noch einmal einen Blick in die Kirchengeschichte: Wie oft lag in der Kirche alles am Boden. Wie hat im 18. und 19. Jahrhundert die Aufklärung alles beherrscht. Und auf einmal gibt es eine geistliche Erneuerung, wie es keiner für möglich gehalten hatte. Ich rechne damit, dass dieser geistliche Aufbruch die ganze Kirche in Deutschland erfasst. Und das liegt nicht zuletzt daran, dass wir einen Menschen haben wie im Alten Testament Baruch, dass wir einen Papst haben wie Benedikt, der uns Mut macht, und der uns neue Freude schenkt am Glauben. Amen
Predigttext: Phil 1,4-6.8-11 Video
Liebe Schwestern und Brüder! Vor einiger Zeit haben mich zwei junge Erwachsene besucht, und wollten mir ein Abonnement verkaufen für eine Zeitschrift. Wir kamen dabei über dieses und jenes ins Gespräch. Gegen Ende des Gespräches fragte die junge Frau mich plötzlich: „Sagen sie mal, sind sie eigentlich gerne Priester in ihrer Pfarrei?“ Ich habe sofort, wie aus der Pistole geschossen, gesagt: „Ja.!“ Das ist genauso, wie wenn man auf der Strasse gefragt wird: „Wie geht es dir?“ Da sagt man in der Regel auch sofort: „Gut!“ oder „Danke!“ Aber hinterher, als die beiden wieder weggegangen waren, habe ich so überlegt: Man sagt das ja so gedankenlos: „Ja, ich bin gern Priester in meiner Pfarrei!“ Aber stimmt das denn eigentlich auch, was man da so schnell daher sagt? Und dann fallen einem plötzlich so alle möglichen Dinge ein, wo man sich geärgert hat. Leute, mit denen man nicht so gut kann, gibt es ja immer. Stimmt das überhaupt? Und diese Frage: „Sind sie eigentlich gerne Priester in Pfarrei?“, ging mir noch die ganze Woche nach.
Zu Hilfe gekommen ist mir dann die Vorbereitung auf heutigen Predigttext aus dem Philipperbrief. Da wird Paulus am Anfang auch gleichsam gefragt: „Paulus, bist du eigentlich gerne Missionar gewesen in Philippi?“ Und darauf antwortet Paulus in unserer Lesung. Nun muss man bedenken, die Gemeinde in Philippi war eine ganz normale Gemeinde wie wir hier auch. Da hat es Missstände gegeben, da hat es Clübchenbildung gegeben. Da muss Paulus die Leute ermahnen: Seid doch einmütig, und streitet euch nicht immer. Da hat es auch Leute gegeben, von denen schreibt Paulus: Es gibt einige in der Gemeinde, die verkünden zwar Christus, aber die tun das in unlauterer Absicht. Ich bin im Gefängnis, und jetzt wollen sie mit ihrer Verkündigung nur deutlich machen, dass sie alles besser können als ich. Das alles gab es in der Gemeinde von Philippi. Und das Umgekehrt gilt ja genau so. Paulus war auch kein bequemer Apostel, weiß Gott nicht. Der ist nicht umsonst überall rausgeworfen worden. Die Leute haben es mit ihm auch manchmal schwer gehabt. Und jetzt wird Paulus gefragt: „Paulus, warst du eigentlich gerne Apostel, Missionar in Philippi?“ Und dann kommt unsere Lesung, die wir eben gehört haben. Und dann hören sie sich noch einmal einige Sätze daraus an, welche Herzlichkeit aus diesen Sätzen spricht.
Da schreibt Paulus zum Beispiel: „Immer wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit großer Freude.“ Für euch alle wohlgemerkt, nicht nur für ein paar Menschen, mit denen ich gut kann. „Jedes Mal, wenn ich beim Beten an euch denke, erfüllt mich eine große Freude.“ Es ist eigenartig, dass er das schreibt, wo es doch auch so viele Missstände gab. Oder ein anderer Satz: „Gott ist mein Zeuge - er ruft Gott als Zeugen an -, wie ich mich nach euch allen sehne mit der herzlichen Liebe, die Christus Jesus zu euch hat.“ Was spricht daraus eine Herzlichkeit im Verhältnis des Paulus zur Gemeinde, aber auch der Gemeinde zu Paulus.
Ich habe Sorge, dass uns heute in unserer Kirche diese Herzlichkeit verloren geht. Dass unsere Herzlichkeit oft einer Gleichgültigkeit und einer Kälte gewichen ist. Ich kenne viele Priester, die sehnen sich nicht nach der Gemeinde, sondern die sehnen sich danach, einmal raus zu kommen aus der Gemeinde, einmal nichts von der Gemeinde zu sehen und zu hören. Und umgekehrt gibt es das genauso. Es gibt auch Gemeinden, die sehnen sich danach, dass der Pfarrer endlich geht, weil sie mit ihm nicht können. Entweder ist er ihnen zu konservativ oder zu progressiv oder … Oder ich denke an folgende Begebenheit: Da wurde ein Pfarrer eingeführt, der muss vier Gemeinden versorgen. Und als in der Hauptgemeinde die Einführung war, da hat der Pfarrgemeinderatsvorsitzende bei der Einführung es nicht über die Lippen gebracht, ihn mit Pastor oder Pfarrer anzusprechen. Nein: „Wir begrüßen Herrn ‚Sowieso’“. Daraus spricht irgendwie eine große Kälte und Distanziertheit. Das liegt übrigens nicht nur an den Gemeinden, das liegt auch oft an uns, den Seelsorgern, dass wir so einen Eindruck vermitteln, als wären wir nur Funktionäre die irgendwelche Dienstleistungen zu erbringen haben. Ich glaube, wir müssen wieder lernen, zu einem herzlichen Verhältnis zu finden.
Woher nimmt Paulus eigentlich diese Herzlichkeit? Da gibt es ganz paar Hinweise, die mir wichtig sind. Da schreibt Paulus: „Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach euch allen sehne mit der herzlichen Liebe, die Christus Jesus zu euch hat.“ Eins ist doch wohl unbestritten: dass Jesus die Gemeinde liebt ohne wenn und aber, und dass Jesus auch die Kirche heute liebt. Und Paulus sagt gleichsam: „Wenn ich vielleicht selber mit meinen Gefühlen gar nichts mehr empfinde, dann darf ich mich an diese Liebe Jesu einfach dranhängen.“ Übrigens ist Paulus im tiefsten davon überzeugt: „Christus lebt in mir. Ich lebe nicht mehr als Paulus, sondern Christus lebt in mir.“ (Gal 2,20) Und mit dieser Liebe, mit der Jesus Christus die Gemeinde liebt, jeden Einzelnen, liebe ich die Gemeinde dann auch. Das heißt mit anderen Worten: Wenn Paulus im Gebet an die Gemeinde denkt, dann hat er nicht vor seinen Augen Frau Sowieso und Herrn Sowieso, mit denen er nicht kann. Nein, er sieht, wenn er die Gemeinde anschaut, den Leib Christi. Und er sieht letztlich Christus. Er sieht, dass jeder Einzelne in der Gemeinde ein Glied am Leib Christi ist. Und weil er den Blick nicht auf die einzelnen Personen gerichtet hat mit ihren Fehlern und Schwächen, sondern weil er den Blick gerichtet hat auf Christus, wird es ihm möglich, die Gemeinde zu lieben, und auch die einzelnen Gemeindemitglieder zu lieben. Und das ist die Quelle seiner Herzlichkeit. Ich habe im Laufe der Jahre eins immer wieder gelernt: Wenn es mir gelingt, dass ich in der Gemeinde den Leib Christi sehen kann, dann wird es mir leicht, die Gemeinde zu lieben. Und dann kann ich auch mit ehrlichem Herzen sagen: „Ja, ich bin gerne Priester in meiner Pfarrei“, weil Jesus Christus selbst gerne das Haupt dieser Gemeinde ist.
Wie wichtig diese Form der Herzlichkeit im Umgang ist, das ist mir vor vielen Jahren einmal sehr deutlich geworden: Eine junge Frau war ganz weit weg vom Glauben. Sie war nicht aus der Kirche ausgetreten, aber sie hatte mit der Kirche nichts mehr zu tun. Die heiratete einen Mohammedaner aus Persien, aus Teheran. Die Mutter dieser jungen Frau hat furchtbar darunter gelitten. Sie bekamen zwei Kinder, die aber nicht getauft wurden. Und dann zieht die ganze Familie auch noch gemeinsam nach Teheran. Ich kann mich erinnern, dass die Mutter mich einmal angerufen und mir unter Tränen gesagt hat: „Wenn die Tochter überhaupt noch eine Chance gehabt hätte, wieder zum Glauben zurückzufinden, dann hier in Deutschland, aber doch nicht in Teheran, wo alles vom Islam geprägt ist. Aber es kam ganz anders. Diese junge Frau ist in Teheran in eine katholische deutsche Kirche gegangen. Aber sie ist nicht sonntags dahin gegangen, weil sie eine Messe besuchen wollte, sondern weil sie Landleute treffen wollte. Sie konnte ja kein Wort persisch, und sie wollte sich mit jemandem unterhalten. Darum ist sie zur Kirche gegangen. Und dann passiert Folgendes: Das war natürlich nur eine ganz kleine Gottesdienstgemeinde, die sich da versammelt hat. Draußen an der Kirchentüre steht der Pfarrer und begrüßt jeden einzelnen mit Handschlag. „Ach sie kommen auch heute, schön dass sie wieder da sind.“ Und dann sieht er diese junge Frau: „Sie hab ich ja noch gar nicht hier gesehen. Wo kommen sie denn her?“ „Ich komme dem Münsterland.“ „Ich komme auch aus dem Bistum Münster“, sagte der Pfarrer. Und dann haben die sich unterhalten. Und auf diese menschliche Art und Weise, wie der Pfarrer umgegangen ist mit denen, die zum Gottesdienst gekommen sind, hat diese junge Frau wieder zum Glauben gefunden. Vielleicht wäre die in unseren steifen, verknöcherten Gemeinden hier in Deutschland nie wieder zum Glauben gekommen. Aber die Herzlichkeit, die ihr da entgegengebracht wurde, die hat es geschafft, sie wieder zum Glauben zu bringen.
Wenn wir möchten, dass unser Glaube Leuchtkraft hat, dass wir als Gemeinde anziehend sind, dann müssen wir zwei Dinge haben. Das Erste: Wir müssen echt sein. Aber das ist ein anderes Thema. Und das Zweite: Wir müssen Wärme und Herzlichkeit ausstrahlen. Ist es denn Zufall, dass etliche katholische Christen, engagierte Christen in den letzten Jahrzehnten zu den Sekten gegangen sind oder zu den Freikirchen? Wissen Sie, warum? Nicht, weil sei weg wollten, sondern weil sie da ein Stückchen von dieser Wärme gefunden haben die sie bei uns manchmal vermissen. Lasst uns diese Herzlichkeit neu entdecken und leben. Und wir dürfen uns diese Herzlichkeit schenken lassen, weil Jesus Christus die Kirche und auch unsere Gemeinde hier liebt. Und weil das so ist, bin ich gerne Pfarrer in meiner Pfarrei. Amen.
Predigttext: Lk 3,1-6 als Video
Liebe Schwestern und Brüder!
Schüler lernen das schon in der Schule: Bei einem langen Satz, einem Satzgefüge, gibt es einen Hauptsatz und einen oder mehrere Nebensätze. Und sie lernen in der Schule auch: Ein Hauptsatz kann für sich allein stehen. Ein Nebensatz kann nicht allein stehen, er braucht immer einen Hauptsatz, an den er sich anlehnen oder anschließen kann. Die Schüler und Schülerinnen lernen in diesem Zusammenhang auch: Das Wichtigste steht meist im Hauptsatz, das weniger Wichtige in den Nebensätzen. Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als ich früher in der Schule Lateinunterricht hatte. Unser Lateinlehrer hat uns immer wieder eingetrichtert: Wenn ihr einen langen Satz übersetzen wollt, dann müsst ihr zuerst den Hauptsatz suchen. Das ist das wichtigste.
Nun will ich in dieser Predigt nicht Nachhilfestunde geben in Latein oder in Deutsch. Aber wenn man sich einmal den Anfang des heutigen Evangeliums vor Augen führt und darauf achtet: Was ist eigentlich Hauptsache, was steht im Hauptsatz, und was ist Nebensache, was steht im Nebensatz, dann ist das schon eigenartig. Ich lese den ersten Satz noch einmal vor. Achten Sie einmal darauf: Was ist der Hauptsatz, wo ist die Hauptsache und wo sind die Nebensätze: „Es war im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war, als Herodes Vierfürst von Galiläa war, als Hannas und Kajaphas Hohepriester waren, da erging in der Wüste das Wort Gottes an Johannes.“ Das muss man sich einmal vorstellen: Da tritt irgendwo in einem Winkel der Welt, in der Wüste ein Bußprediger auf. Und als der Evangelist Lukas sein Evangelium schreibt, da macht er das zur Hauptsache der damaligen Weltgeschichte, dass dieser Bußprediger da in der Wüste auftritt. Dass in Rom Kaiser Tiberius herrscht, der mächtigste Mann der damaligen Welt: Nebensatz, Nebensache. Dass in Galiläa Herodes herrschte als Vierfürst - der hat mit einer ganz großen Brutalität seine Herrschaft ausgeführt. Er hat die kleinen Kinder ermorden lassen nach der Geburt Jesu - :Nebensache. Dass Pontius Pilatus Statthalter war - der hatte soviel Macht, dass er Jesus kreuzigen lassen konnte - :Nebensache. Alle weltlichen Mächte der damaligen Zeit kommen in den Nebensatz, sind nebensächlich. Aber nicht nur die weltlichen Mächte. Dass in Jerusalem Hannas und Kajaphas Hohepriester waren - heute würde man sagen: der Papst und der Leiter der römischen Glaubenskongregation - :Nebensache, kommt in den Nebensatz. Das einzige, was wichtig ist - und das ist der Hauptsatz: „Da erging das Wort Gottes an Johannes in der Wüste.“
Wenn das Wort Gottes an einen Menschen ergeht, - und wenn man es ganz genau übersetzt, dann müsste man noch sagen, das Wort Gottes ergeht nicht nur an Johannes, sondern das Wort Gottes geschieht auf Johannes hin. Wenn Gott zu einem Menschen redet, dann bewirkt dieses Wort auch etwas. Das ist nicht nur Schall und Rauch, zum einen Ohr rein und am anderen Ohr wieder raus. Das Wort Gottes bewirkt etwas; es wird Ereignis. Und darum ist das das wichtigste in der Weltgeschichte.
Ich will ihnen dafür ein paar Beispiele sagen aus der Bibel und aus der Weltgeschichte: Sie kennen vielleicht noch die Geschichte, wo Mose das Volk Israel aus Ägypten herausführt, aus der Sklaverei. Da steht das riesige Volk auf dem Zug durch die Wüste vor dem Roten Meer. Ein unüberwindliches Hindernis. Rechts und links die Wüste, vor sich das Meer, und plötzlich merken sie: Von hinten kommen die Ägypter und jagen hinter uns her. Israel weiß nicht mehr ein und aus; sie wissen nicht, was sie machen sollen. Und dann steht genau dieser Ausdruck da: „Das Wort Gottes erging an Mose.“ Und wie hieß dieses Wort Gottes? „Gott selber wird für euch kämpfen, und ihr werdet euch still verhalten,“ ihr braucht nicht zu kämpfen. Und Gott hat sein Wort Wirklichkeit werden lassen. Das Volk Israel konnte trockenen Fußes durch das Rote Meer ziehen, und Ägypten ist im Meer versunken. Gottes Wort wird Ereignis.
Jahrhunderte später, als in Jerusalem König Hiskija regierte und Jesaja Prophet war, da steht vor den Stadtmauern Jerusalems Sanherib, der assyrische Feldherr, mit einer riesigen Heeresmacht, und sie belagern die Stadt Jerusalem. Das ganze Land ringsherum ist schon erobert. Und es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann auch Jerusalem fällt. Die Bewohner von Jerusalem schreien in der Stadt zu Gott. Und da heißt es da wieder: „Da erging das Wort Gottes an Jesaja.“ Und was war dieses Wort, das Gott gesprochen hatte? „Es wird nicht geschehen, dass Sanherib in die Stadt kommt. Er wird unverrichteter Dinge wieder abziehen. Es wird nicht einmal ein Pfeil in die Stadt hineingeschossen.“ Das konnte sich damals kein Mensch vorstellen, wie das gehen sollte. Aber dann wird das Wort Gottes Wirklichkeit. Sanherib bekommt Nachricht, dass in seinem eigenen Palast in Assyrien eine Palastrevolte im Gange ist, und er muss Hals über Kopf die Belagerung abbrechen und muss erst einmal in seinem eigenen Haus Ordnung schaffen. Und Jerusalem war gerettet.
Oder gehen wir einmal in die Kirchengeschichte. Da hat es im Mittelalter in der Kirche eine Zeit gegeben, wo es drunter und drüber ging. Wo es drei Päpste gleichzeitig gab, die sich gegenseitig exkommuniziert haben, die sich abgesetzt haben. Eine Zeit, wo die Bischöfe mehr auf Jagd gegangen sind, als dass sie sich um die Gemeinden gekümmert haben. Und dann heißt es wieder: Das Wort Gottes erging an einen Mann, nämlich Franziskus, Franz von Assisi. Und was war dieses Wort Gottes? „Bau meine Kirche wieder auf!“ Franziskus hat anfangs gar nicht gewusst, was damit gemeint war. Er dachte, die alte Kapelle da draußen, die solle er wieder aufbauen. Aber Gott wollte nicht die Kapelle renovieren, sondern Gott wollte, dass er die ganze Kirche erneuert. Und was hat Gott durch diesen Mann, durch diesen Franziskus bewirkt bis auf den heutigen Tag.
Wenn das Wort Gottes ergeht, dann geschieht etwas. Der Prophet Jeremia hat einmal gesagt: „Das Wort Gottes ist wie ein Hammer, der Felsen zerschlägt, wie ein Feuer, das brennt.“ Und im Neuen Testament, beim Verfasser des Hebräerbriefes, heißt es ähnlich: „Das Wort Gottes ist wie ein zweischneidiges Schwert. Es dringt durch bis zur Scheidung von Gelenken und Sehnen.“
Das bedeutet: Wenn an einen Menschen das Wort Gottes ergeht, dann kann es sein, dass Gott Dich mit diesem Wort trifft wie mit einem Hammer. Dass er Dir Sünde aufdeckt in Deinem Leben, die Du immer vertuscht hast, und über die Du immer ein Mäntelchen gehängt hast. Aber das Wort Gottes weckt Dich auf, und Du kannst nicht mehr wegschauen. Es kann aber auch sein, dass Du ganz mutlos und ratlos geworden bist. Und wenn dann das Wort Gottes an Dich ergeht, dann hat dieses Wort Gottes die Kraft, Dich aufzubauen, Dich zu ermutigen, Dir Trost zu spenden, Dir Wegweisung zu geben, wie es ein Mensch niemals tun könnte.
Das Allerwichtigste im Leben ist: Lass das Wort Gottes an Dich herankommen, und bitte Gott, dass sein Wort an Dich ergeht. So oder so, wenn das Wort Gottes an Dich herankommt, an dich ergeht, dann wird es dein Leben prägen. Dein Leben wird vom Wort Gottes her eine Prägung erhalten. Und das griechische Wort für Prägung heißt Charakter. Nun wissen Sie, warum diese Prägung so wichtig ist, warum Lukas das zum Wichtigsten der Weltgeschichte macht. Amen.
|