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Dies ist die erste Predigt einer siebenteiligen Predigtreihe zur Offenbarung des Johannes.
Liebe Schwestern und Brüder!
In Lesejahr C sind die zweiten Lesungen an den Ostersonntagen bis Pfingsten, aus der Offenbarung des Johannes genommen. Die Offenbarung des Johannes steht im Neuen Testament ganz am Ende, es ist das letzte Buch der Bibel. Aber manchmal habe ich den Eindruck, als wenn es nicht nur der Reihenfolge nach das letzte Buch ist. Auch im Bewusstsein der meisten Christen ist die Offenbarung des Johannes das letzte Buch. Einmal ganz ehrlich gefragt - ich habe öfter auf Bibelkursen gefragt -: Wer von Ihnen hat schon einmal die Offenbarung des Johannes gelesen? Vermutlich keiner. Und wenn jemand sie gelesen hat, dann haben sie die schnell wieder auf die Seite gelegt, weil sie sagten: Das kann man ja nicht ertragen, was da an Endzeitschrecken über die Welt kommen soll. Aber ich glaube, dieses Buch, die Offenbarung des Johannes, ist gerade für unsere Zeit ein außerordentlich wichtiges Buch. Nicht weil ich der Meinung bin, dass wir in der Endzeit ‚fünf vor zwölf’ haben, dass die Welt bald untergeht. Nein, das nicht. Aber die Offenbarung des Johannes gibt Antworten auf Fragen, die damals ganz aktuell waren, und die genauso auch noch heute aktuell sind. Denn die damalige Zeit hat mit unserer Zeit heute vieles gemeinsam. Wir schreibend ungefähr das Jahr 95 nach Christus. Im römischen Reich begannen die ersten systematischen Christenverfolgungen. Da wurden Menschen um ihres Glaubens willen ins Gefängnis geworfen und verfolgt, ganz systematisch. Aber, was noch viel schlimmer war, im ganzen römischen Reich brach um die Jahrhundertwende zum zweiten Jahrhundert das ganze Ordnungsgefüge immer mehr auseinander. Auf der einen Seite war das Glaubensgefüge war nicht mehr stabil. Keiner wusste mehr, was er glauben sollte. Die alten Griechen hatten noch ihren Zeus gehabt, ihren Göttervater. Aber um die Wende zum zweiten Jahrhundert, wusste keiner mehr so recht, was er glauben sollte. Da hat der eine dies gesagt, der andere das. Jeder konnte nach seiner eigenen Fasson selig werden. Das ist die Situation, die wir heute auch haben. Wer hat denn heute noch festen Boden unter den Füßen, was er noch glauben soll, und was man nicht glauben darf. Das moralische System im römischen Reich brach auseinander. Kinderschänderei oder die große sexuelle Freiheit ist nicht eine ‚Errungenschaft’ unserer Zeit, das hat es damals genauso gegeben, mit genauso viel Perversitäten wie heute auch. Es war eine Zeit, wo es drunter und drüber ging. Und dann kam in Rom ein starker Mann, der Kaiser Domitian. Der nahm als Kaiser göttliche Verehrung in Anspruch. Ihr braucht nicht mehr an die vielen Götter zu glauben; ich bin Gott, ich, der römische Kaiser Domitian. Und er hat von allen Untertanen im römischen Reich verlangt, dass sie vor ihm auf die Knie gehen, dass sie ihm als Zeichen der göttlichen Verehrung Weihrauch streuen: Jawohl, wir verehren dich als unseren Gott. Und weil der Kaiser ja nicht gleichzeitig in Rom und in Kleinasien, in der heutigen Türkei sein konnte, hat er überall Standbilder von sich aufstellen lassen, oder einen leeren Kaiserthron aufstellen lassen. Und dann mussten die Menschen vor diesem Standbild oder vor diesem Thron ihre Knie beugen um zu zeigen: Wir verehren den römischen Kaiser als Gott. Nun muss man eins sagen: Wenn man sowieso nichts mehr glaubt, wie das damals normal war im römischen Reich, dann kann man die Knie vor jedem Standbild beugen. Aber die Christen lebten aus der Gewissheit: Nicht irgendwer ist Gott, sondern Jesus Christus ist der Herr. Und sie haben sich geweigert, den Kaiserkult mitzumachen. Dafür sind ins Gefängnis gegangen, und sind oftmals als Märtyrer hingerichtet worden. Sie sind von ihren Zeitgenossen denunziert worden, und sie haben in furchtbarer Angst gelebt. Jedes Mal, wenn es an die Tür klopfte dann bekamen sie Angst, ob da wieder einer von den römischen Behörden war, um sie gefangen zu nehmen. Das war die Situation der Christen um die Jahrhundertwende. Und dann hatte der römische Kaiser den letzten Repräsentanten der Apostel, den greisen Apostel Johannes, gefangen nehmen lassen, und hatte ihn verbannt auf eine ganz kleine Insel im Mittelmeer, zwischen Griechenland und der Türkei, auf die Insel Patmos. Möglicherweise hat der Kaiser sich in Rom die Hände gerieben: Jetzt haben wir den führenden Kopf der Christen schachmatt gesetzt, jetzt werden die Christen langsam aber sicher aussterben. Wir haben ihre führende Kraft gebrochen. Natürlich hat Johannes manchmal voller Sorge im Gebet an die vielen Gemeinden gedacht, als er auf der Insel Patmos war. Ob die wohl durchhalten in diesem Kampf, oder ob die jetzt alle abfallen?
Und dann geschieht etwas. Johannes in seinem Buch, in der „Offenbarung“: Es war an einem Sonntag, dem Tag des Herrn, und ich war im Gebet. Und als ich im Gebet war und an die ganzen Gemeinden im römischen Reich dachte, da hörte ich plötzlich eine Stimme wie eine laute Posaune. Man könnte auch sagen: wie eine Sirene. Eine Stimme, die so laut war, dass man sie nicht überhören konnte. Und als ich mich umdrehte, um die Stimme zu sehen, da sah ich eine Gestalt, mitten unter sieben Leuchtern. Diese Gestalt sah aus wie ein Mensch, sie hatte ein langes, wallendes Gewand. Sie hatte um die Brust einen Gürtel, und ein Schwert in der Hand. Und als Johannes in seiner Vision diese Gestalt sieht, da fällt ihm sofort ein Bild ein, das er aus dem Alten Testament kannte, aus dem Buch Daniel. Und er wusste sofort: Diese Gestalt ist „der Menschensohn“, ist der Sohn Gottes selbst. Und die Gestalt ruft ihm zu: Fürchte dich nicht, Johannes, wenn du auf die Gemeinden schaust. Hab keine Angst, fürchte dich nicht! Und genau das ist es, was Johannes den Gemeinden schreiben soll: „Fürchtet euch nicht, habt keine Angst!“ Aber warum? Was ist der Grund, warum wir keine Angst haben brauchen? Der Menschensohn sagt ihm: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige.“ Weltanschauungen, Ideologien, kommen und gehen. Römische Machthaber kommen und gehen. Gewählte Präsidenten kommen und gehen. Heerführer kommen und gehen. Aber wenn alle kommen und gehen: Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Alle Machthaber dieser Welt sind vergangen, auch der römische Kaiser Domitian. Kein Wissenschaftler hat die Grenze des Todes überschreiten dürfen. Keiner hat eine Pille für das ewige Leben erfunden. Es hat nur einen gegeben, der von sich sagen konnte: Ich bin der Lebendige schlechthin, „der Erste und der Letzte und der Lebendige“. Wenn alles am Wackeln ist, hier ist eine letzte Instanz, und die bin ich, spricht Jesus Christus, der erhöhte Herr. Und weiter sagt er: „Ich war tot, und ich bin wieder lebendig. Und ich habe den Schlüssel des Todes.“ Wenn jemand die Schlüsselgewalt hat, dann kann man ihm nichts mehr anhaben, dann ist für ihn die Tür offen. Und durch ihn ist die Tür zum Leben ist nicht verschlossen, diese Tür ist offen. „Ich habe Macht auch über den Tod“, das konnte nur Jesus sagen. Darum: „Fürchtet euch nicht!“ Ihr habt keinen Grund, zu verzagen. Ihr habt keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Johannes, mach den Menschen Mut! Schreibe ihnen ein Buch und sage ihnen: Fürchtet euch nicht! Der lebendige Gott ist auf euerer Seite, ja er ist in eurer Mitte. Und ganz am Ende dieses Abschnitts, den wir heute als Lesung gehört haben, heißt es noch einmal: „Schreib auf, was du gesehen hast. Nämlich was ist, und was kommen wird.“ Dieser Satz ist gleichsam die Gliederung der ganzen Offenbarung des Johannes. Wir bekommen einen Einblick in das, was ist, in den „Ist-Zustand“ der Kirche. Und wir bekommen einen Einblick in das, was kommen wird, in das Zukünftige, in das, was alles auf uns zukommen wird. Aber dieser doppelte Einblick, der uns geschenkt wird, ist nicht ein menschlicher Einblick, sondern es ist ein Blick, so wie Gott diese Welt sieht, aus göttlicher Perspektive.
Ich möchte in diesem Jahr an den Sonntagen bis Pfingsten eine Predigtreihe halten über die Lesungen aus der Offenbarung des Johannes. Und ich schreibe als Überschrift über diese ganze Predigtreihe: „Weltgeschichte aus göttlicher Perspektive.“ Es mag sein, dass manches Schreckliche über diese Welt kommt - wir leben ja mitten drin, heute schon. Aber wir werden eins merken: Mitten in diesem Wirrwarr der Welt macht uns Gott Mut, weil er den Schlüssel hat für die Gegenwart und zur Zukunft. Er hat den Schlüssel des Todes, weil er den Tod überwunden hat. Und wenn Jesus Christus, der erhöhte Herr dem Johannes zweimal, am Anfang und am Ende zuruft: „Schreib es auf!“, dann bedeutet das so etwas ähnliches, wie wir in einer Redensart manchmal sagen: „Ich gebe es dir schriftlich!“ Das ist nicht nur eine Botschaft die ins eine Ohr reingeht und zum anderen Ohr wieder rauskommt, die man sich ‚durch den Kopf gehen lässt’. Nein, du kannst es nachlesen, ich gebe es dir schriftlich. Du kannst dich darauf berufen. Was du sehen wirst, und was du gesehen hast, ist zuverlässig und wahr. Du hast festen Boden unter den Füßen. Und eins ist gewiss: In den Wirren unserer Zeit heute brauchen wir nichts dringender, als solchen festen Boden unter den Füßen, dass wir wissen, wo wir dran sind. Wir brauchen den Blick auf den lebendigen Gott, der die Schlüssel des Todes hat, der von sich sagen kann: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige.“ Amen.
Predigttext: Joh 20,19-23
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder!
Über dem Anfang dieses Evangeliums heute liegt hintergründig eine knisternde Spannung. Es ist die erste Begegnung des Auferstandenen mit den Aposteln. Wenn man diese hintergründige Spannung verstehen will, dann muss man sich kurz vor Augen halten, was den die letzte Begegnung Jesu vorher mit den Aposteln war. Das war am Gründonnerstag im Abendmahlssaal. Da hatte Jesus den Aposteln angekündigt: Ihr werdet in dieser Nacht alle an mir irre werden. Und alle, voran der Petrus, haben das entrüstet von sich gewiesen: ‚Wenn ich mit dir sterben müsste, ich werde nicht an dir irre werden.’ Nach dem Abendmahl hat Jesus den Petrus, Jakobus und Johannes mitgenommen zum Ölberg. Dort hat er den Todeskampf gekämpft, so sehr, dass ihm der Schweiß wie Blutstropfen herunterlief. Und er hatte gehofft, dass diese drei ihn stärken würden, dass sie ihn im Gebet mittragen würden. Und was machen die drei: eingepennt! Als dann kurz darauf Jesus gefangen genommen wird, gebunden und abgeführt wird, da steht da so eine ganz lapidare Bemerkung dabei: Da verließen ihn alle und flohen. Abgehauen! Das war die letzte Begegnung. Für Petrus ging es noch etwas weiter. Er ging mit in den Hof des Hohenpriesters hinein, wo Jesus verhört wurde. Und dann leugnet er dreimal: ‚Ich habe mit diesem Jesus nichts zu tun.’ Beim dritten Mal hebt er die Hand hoch, schwört und flucht: ‚Ich kenne ihn gar nicht!’ Aber als dann bei dritten Mal der Hahn kräht, da dreht sich Jesus um und schaut ihn an. Da erkennt Petrus, was er getan hatte. Er rennt hinaus und fängt bitterlich an zu weinen. Das war die letzte Begegnung zwischen Jesus und Petrus.
Können Sie sich vorstellen, wie diesen Jüngern zumute gewesen sein muss, als plötzlich am Karfreitag nachmittags die Nachricht durchsickert: Er ist tot. Er ist gekreuzigt worden Man hat ihn bereits begraben. Und keiner, außer Johannes, war dabei gewesen. Alle waren sie weggegangen. Keiner hat sich entschuldigen können. Nichts! Und jetzt war er tot. Können Sie sich vorstellen, wie denen zumute war? Und wenn sie jetzt am Ostertag hinter verschlossenen Türen zusammensitzen, - gut es steht dabei: aus Furcht vor den Juden – aber vielleicht steht dahinter auch dieses lähmende Entsetzen. Wir sind alle an ihm schuldig geworden und konnten nichts wieder gut machen. Und dabei haben wir ihn doch wirklich geliebt. Wir sind drei Jahre mit ihm gegangen. Er hat uns die Füße gewaschen. Und jetzt ist er tot, und wir konnten uns nicht mal entschuldigen. Damit musst du erst einmal fertig werden! Da macht man die Jalousien dicht, da will man nichts mehr sehen. So sitzen sie hinter verschlossenen Türen.
Und dann steht auf einmal, ohne jede Vorwarnung, Jesus in ihrer Mitte. Man spürt gleichsam, wie sie zurückzucken: Was sagt er jetzt wohl? Wie wird er reagieren? Diese Angst: Jetzt macht er uns Vorwürfe, jetzt kriegen wir einen Tadel, vielleicht macht er uns fertig. Und dann reagiert Jesus total anders, als sie befürchtet haben. Er sagt ihnen einfach nur ein einziges Wort: „Schalom!“ „Friede sei mit euch!“ Kein Vorwurf: ‚Wo seid ihr vorgestern alle gewesen? Warum seid ihr alle abgehauen?’ Auch keine versteckte Anspielung von hinten herum (Darin sind wir ja oft Meister.). Einfach nur: „Friede sei mit euch!“ Das ist Erlösung! Dieses bedingungslose Angebot: „Schalom!“ Das merkwürdige ist: Die Jünger werden gar nicht froh in diesem Augenblick. Und als Jesus merkt, dass bei ihnen gar keine Freude aufkommt, als er ihnen sagt: „Friede sei mit euch!“, da zeigt er ihnen seine durchbohrten Hände und seine durchbohrte Seite. Und erst da werden die Jünger froh, als er ihnen seine Hände zeigt. Früher hab ich immer gedacht: Er zeigt ihnen die durchbohrten Händen, damit sie wirklich wissen: Er ist es. Aber dahinter steht etwas viel Tieferes. Diese Apostel waren ja gläubige Juden. Die kannten auch ihre Bibel. Sie wussten, dass beim Propheten Jesaja ein ‚Gottesknechtslied’ steht, das wir im Gottesdienst am Karfreitag gehört haben. Dort heißt es von diesem Gottesknecht: ‚Er war durchbohrt um unserer Sünden willen. Die Strafe liegt auf ihm, damit wir Frieden haben mit Gott.’ Da steht auch dieses Wort „Schalom“. Und jetzt steht dieser Jesus vor ihnen mit den Händen, die für unsere Sünden durchbohrt sind. Er hat die Strafe auf sich genommen, sodass für uns nur noch das Heilsangebot bleibt: „Schalom“, „Friede sei mit dir“. Da bricht bei den Jünger der Jubel los. Das bedeutet im Tiefsten Erlösung. Jesus fragt Dich nicht, wo Du gestern gewesen bist. Jesus fragt Dich nicht, wie tief du runtergesackt bist in deinem Leben. Jesus bietet dir heute bedingungslos an: „Schalom“ „Friede sei mit dir!“ Wenn ein Jude damals das Wort Schalom hörte, dann verband er damit etwas viel Tieferes, als wenn wir heute von Friede reden. Schalom, Friede, das ist viel mehr, als dass die Waffen schweigen. In diesem Wort Schalom liegt das ganze Heilsangebot Gottes. Wenn Jesus ihnen zuspricht: Schalom, dann bedeutet das: Lieber Petrus, wenn ich dich im Abendmahlssaal Freund genannt habe, dann gilt das auch jetzt noch, obwohl du dreimal geschworen hast, mich nicht zu kennen. Ich nehme meine Freundschaft nicht zurück. Und wenn ich euch im Abendmahlssaal gesagt habe: ‚Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt’, dann gilt das auch jetzt noch, wo ihr alle abgehauen seid, wo ihr alle an mir irre geworden seid. Auch jetzt gilt diese Liebe noch bedingungslos euch. Das alles liegt in der Wort Schalom.
Sehen Sie, das ist der Grund, warum mir in den letzten Jahren in jeder heiligen Messe der Friedensgruß immer wichtiger und kostbarer wird. Da dürfen wir uns das zusprechen: Schalom, Friede sei mit dir. Wenn wir in der Bank stehen, dem Nachbarn die Hand geben und ihm sagen: ‚Der Friede sei mit dir’, dann leihen wir Jesus unsere Hand und unseren Mund, weil er dann durch uns Frieden stiften will. Natürlich, das weiß ich auch, man kann dabei gelangweilt in der Bank stehen, schaut den Nachbarn nicht einmal an und murmelt dann vielleicht ‚Der Friede sei mit dir’. Ich seh das ja manchmal von vorne. Da passiert dann vielleicht nichts. Das kann man so ganz beiläufig machen; man kann ja auch so ganz beiläufig (im buchstäblichen Sinn) zur Kommunion gehen. Aber wo Christen sich diesen Frieden bewusst im Namen Jesu zusprechen, da geschieht Friede!
Als damals nach dem Konzil der Friedensgruß ‚eingeführt’ wurde, da haben viele Christen Bedenken gehabt. Vielleicht steht ja in der Kirche neben mir zufällig einer, mit dem ich gar nicht kann. Dann kann ich doch nicht sagen: ‚Der Friede sei mit dir’. Das ist ja dann unehrlich. Und doch, das kannst Du. Wenn wir uns den Friedensgruß geben, dann setzt Jesus nicht voraus, dass zwischen den beiden Frieden ist, sondern er will da Frieden stiften zwischen den beiden.
Mir ist das in meiner Kaplanszeit einmal ganz tief deutlich geworden. Da waren zwei Landwirte miteinander verfeindet. Die sprachen nicht mehr miteinander, die gaben sich schon gar nicht mehr die Hand. Und das schon seit zwei Generationen. Da hatte es irgendwann mal Grenzstreitigkeiten gegeben mit den Äckern. Und manchmal zieht sich so ein erbitterter Streit ja über Generationen hin, wo Nachbarn nicht mehr miteinander sprechen. Und wie es der ‚Zufall’ will: Diese beiden Landwirte sitzen in einem Totenamt nebeneinander in der Bank. Weil die Kirche so voll war, ließ sich das nicht vermeiden. Und ich habe wie in jeder Messe den Leute gesagt: „Gebt einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung.“ Und weil sie sich vor den anderen keine Blöße geben wollten, haben die beiden Landwirte sich die Hand gegeben, zu ersten Mal seit vielen Jahren. Sie haben sich angeschaut und haben sich gesagt: „Der Friede sei mit dir.“ Aber dann sind Tränen geflossen. Und da haben diese beiden sich versöhnt. Ich weiß das, weil die beiden später zu mir gekommen sind und es mir erzählt haben. Sie haben dann auch vor Gott diese Versöhnung noch einmal besiegelt. Das ist das Tiefste, was Jesus tun kann: Dass er Frieden stiften will zwischen den Menschen. Das ist das Heilsangebot Gottes. Schalom! Oder eine ganz andere Begebenheit. In den siebziger Jahren habe ich als Priester viele ökumenische Kontakte gehabe in Hannover und Braunschweig auch zu vielen Freikirchen, zu denen wir ja oft den Kontakt scheuen. Wir haben damals regelmäßig einmal im Monat in Hannover bei der Klarissen einen großen ökumenischen Gottesdienst gefeiert. Mit diesen Gottesdiensten war immer eine große Freude und ein großer Lobpreis verbunden. Aber es war auch das große Leid da, dass wir nicht miteinander Eucharistie, Abendmahl feiern konnten. Wir haben uns nicht über die Vorschriften der Kirche hinweggesetzt, obwohl wir im Tiefsten eins waren im Glauben an die eucharistische Gegenwart Jesu. Lange haben wir in Gesprächen und Gebeten darum gerungen. Aber wir wollten es lieber ausleiden, als vordergründig eine Mahlgemeinschaft pflegen, die im Letzten nicht gegeben war. Aber in diesen ökumenischen Gottesdiensten hat Gott selber ein Zeichen gesetzt. Unsere Communio (Communio heißt: Gemeinschaft) wurde in diesen Gottesdiensten der Friedensgruß. Und wenn dann jeder jedem den Friedensgruß zugesprochen hat, das hat oft lange Zeit gedauert, weil wir oft 100 bis 200 Personen waren. Aber da hat in einem ganz tiefen Sinn Communio stattgefunden, wenn wir auch die Kommunion nicht gemeinsam feiern konnten. Und diese Communio, diese Gemeinschaft war viel tiefer, als wir das als Katholiken manchmal erleben bei der Kommunion. Da wurde erfahrbar, dass die Kirche wirklich der Leib Christi ist, wie Paulus das schreibt.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch einmal auf Folgendes hinweisen: Es gibt ja in unserer Kirche die Vorschrift, dass Geschiedene Wiederverheiratete nicht zur Kommunion zugelassen sind. Sie leiden oft darunter, und ich leide als Priester auch darunter. Aber könnte nicht der Friedensgruß gerade diesen Menschen gegenüber zu einem tiefen Zeichen der Communio werden, zu einem Zeichen der Gemeinschaft, wo Jesus durch meine Hand, durch meinen Mund, durch meinen Blick diesen Menschen sagen will: Auch dir gilt jetzt noch meine Liebe in ganz tiefem Maß, auch wenn du im Mahl diese Gemeinschaft jetzt nicht mit mir halten kannst. Da haben wir eine Chance, die uns viel zu wenig bewusst ist. Alles das liegt in der Begegnung des Auferstandenen mit den Aposteln, die voller Angst und Furcht waren. Damals wie heute fragt Jesus nicht, wo Du gestern warst. Er fragt nicht, ob in Deinem Herzen Jubel ist oder Beschämung, Trauer oder Freude. Er bietet Dir heute einfach an: „Schalom!“ „Friede sei mit Dir!“ Amen.
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