Pfarrer Karl Sendker  

 

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31. Sonntag A
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Predigten

Predigtverzeichnis  nach Bibelstellen geordnet

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unter dem Stichwort Kassettendienst .

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Predigt zur 2. Lesung:   1 Thess 2,7b-9.13    mp3   Video

Predigt zum Evangelium:   Mt 23,1-12

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Predigttext:   1Thess 2,7b-9.13   mp3   Video

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Wenn sie heute zum Gottesdienst gekommen sind und das Evangelium gehört haben, was erwarten sie jetzt von der Predigt? Ich habe diese Frage manchmal bei Hausbesuchen gestellt. Was erwarten sie von der Predigt?

Und dann hat es die verschiedensten Antworten gegeben. Einige, vor allem jüngere Menschen sagten: Wir erwarten, dass nicht so viel geredet wird über die alten Bibeltexte, die kaum noch einer versteht. Wir erwarten vielmehr, dass über die aktuellen Fragen gepredigt wird, die heute dran sind, die die Menschen heute bewegen. Andere sagten: Wir erwarten zunächst einmal, dass die Prediger verständlich reden, dass sie nicht Fremdwörter gebrauchen. Wieder andere sagten: Wir möchten durch die Predigt im Glauben neu gestärkt werden; wir möchten informiert werden über Glaubensfragen, weil man ja doch heute manches anders sieht und manches anders erklärt als früher. Wieder andere, und das waren sehr viele, sagten: Wir erwarten vor allen Dingen, dass die Predigt nicht zu lange dauert. Zehn Minuten reicht. Und andere wieder erwarteten die Meinung des Predigers zu hören über die Bibeltexte, über die Fragen des Glaubens und der Sittenlehre und ähnliches.

Was erwarten Sie heute? Was erwarten Sie jeden Sonntag von der Predigt?

 

Da waren einmal drei Prediger, die hatten eine Zeit lang in einer Stadt gepredigt, und als sie wieder abgereist sind, da schreiben sie nach einiger Zeit einen Brief an die Gemeinde. Und einer von den dreien, der den Brief geschrieben hat, schreibt: „Wir danken Gott, dass ihr unsere Predigt nicht als Menschenwort angenommen habt, sondern als Gotteswort, das ist es wirklich.“

Das ist etwas ganz großes, da wird gesagt, dass die menschliche Predigt dieses Predigers von den Leuten nicht als die Meinung des Herrn Sowieso angenommen wurde, sondern als das Wort des lebendigen Gottes. Da kam eine Gemeinde zusammen, die erwartete nicht etwas zu hören von dem Prediger, sondern sie erwarteten, dass Gott selber durch den Prediger zu ihnen redet.

Diese drei Prediger waren Paulus, Silvanus und Timotheus. Die Stadt, in der sie gepredigt haben, war Thessalonich, eine Stadt im Norden Griechenlands. Und der Brief, den sie geschrieben haben, aus dem haben wir gerade in der Lesung einen kurzen Abschnitt gehört.

Als Paulus gepredigt hat, da hatte er Menschen vor sich, die mit der Erwartung kamen: Wir möchten die Stimme des lebendigen Gottes hören, die zu uns redet.

 

Nun, das war nicht immer so. Wenn wir die Apostelgeschichte lesen, wo ja die Missionsreisen und die Predigten aufgeschrieben sind, dann werden wir feststellen, dass Paulus ein sehr umstrittener Prediger war, der fast in jeder Stadt rausgeworfen wurde, den man durchaus nicht überall angenommen hat.

Aber eins hat seine Predigt immer bewirkt: die Scheidung der Geister. Es hat immer eine große Gruppe von Menschen gegeben, die ihn abgelehnt hat. Die haben seine Verkündigung gehört und haben über seine Predigt gestritten. Und dann haben sie ihn oft verprügelt und rausgeschmissen.

Aber dann hat es überall auch Menschen gegeben, die haben in den Worten des Predigers die Stimme Gottes gehört. Und selbst diese Menschen waren nicht unkritische Hörer, die dem Paulus einfach so alles abgekauft hätten, als wäre automatisch alles, was er sagt, auch schon der Wille Gottes.

In der Apostelgeschichte steht einmal an einer entscheidender Stelle. Nachdem Paulus gepredigt hatte, gingen die Leute nach Hause und forschten eifrig in der Schrift nach, ob es sich wirklich so verhielt, wie es der Paulus gesagt hat. Die haben ihm nicht einfach alles abgekauft. Die haben alles geprüft.

Was wäre das für eine großartige Sache, wenn heute Gottesdienstbesucher mit der Erwartung kämen: wir möchten das lebendige Wort Gottes hören. Und die dann nicht irgendwie über die Predigt herziehen, sondern die sich die Mühe machen und am Wort der Bibel zu prüfen, was da gesagt worden ist. Ich glaube, das würde für die Gemeinde unheimlich fruchtbar werden.

 

Was erwarten sie von der Predigt? Ich glaube, es ist ganz entscheidend, mit welcher Voreinstellung und mit welcher Erwartung wir in einen Gottesdienst hineingehen. Mit welcher Erwartung wir die Predigt anhören.

Vielen von Ihnen wird es genauso gehen, wie es mir gegangen ist. Dann kommt man in eine Kirche und dann kommt der Kaplan und predigt, oder es kommt der Pfarrer. Und weil man den nun gerade nicht mag, oder weil er einem langweilig erscheint, da hat man vorher schon dicht gemacht. Der kann sagen, was er will, es kommt nichts mehr in unser Herz hinein, weil wir vorher schon dicht gemacht haben. Da kann Gott nicht mehr zu unserem Herzen reden.

Ich bin ganz sicher: in dem Augenblick, wo wir mit einem brennenden Herzen kommen und mit der Erwartung: Ganz egal, wer heute predigt, worüber er predigt, wie lange er predigt, egal ob er laut redet oder leise, ich möchte heute die Stimme Gottes hören durch diese menschlichen Worte hindurch. In dem Augenblick wird Gott zu uns reden können, auch durch eine möglicherweise langweilige Predigt.

Ich kann mich erinnern, als ich früher Gruppenführer war. Ich bin einmal mit einer Jugendgruppe im Schwarzwald auf Fahrt gewesen. Wir sind sonntags in eine kleinen Dorfkirche zum Gottesdienst gegangen, so eine richtige alte Barockkirche. Und es war ein furchtbar langweiliges Hochamt und eine furchtbar langweilige Predigt. Ich hab hinterher schon fast gedacht: Wärst du doch besser gar nicht hingegangen, da ist sicher bei den Jungen mehr kaputt gemacht worden als heil. Und dann kam hinterher einer von den Jungen zu mir und sagte: Ich möchte noch mal weggehen. Und als ich nachfragte, sagte er: Ich möchte beichten gehen. Da hat dieser alte Pfarrer durch seine Predigt, die mir so langeilig vorkam, zu diesem Jungen geredet. Da hat Gott ihn angesprochen durch diese Predigt hindurch.

Wenn wir nicht nur die Meinung eines Menschen hören, sondern wenn Gott selber zu uns reden kann, dann bewirkt das etwas in unserem Herzen. Dann kann es sein, dass du auf einmal angesprochen wirst merkst: Ich muss beichten gehen, ich muss umkehren. Oder es kann sein, dass du allen Mut verloren hast, und auf einmal richtet dich ein Gedanke der Predigt wieder auf. Vielleicht irgend so ein Nebengedanke, auf den der Prediger gar keinen besonderen Wert gelegt hat. Damit spricht Gott dich an. Oder es kann sein, dass die Predigt auf einmal ein Impuls wird, dass wir uns irgendwo engagieren im Volk Gottes.

Wie manche Heilige, ich denke zum Beispiel an Franz von Assisi, sind durch so eine ganz schlichte Predigt auf einmal dazu gekommen, dass sie den Ruf Gottes hörten, in den Dienst des Herrn zu gehen. Gottes Wort möchte etwas in unserem Herzen bewirken, und darum ist es entscheidend, in welcher Erwartung wir hören.

 

Ein Zweites:

Wenn das gilt, was der Apostel Paulus hier schreibt, dass die Menschen das Wort der Predigt nicht als Menschenmeinung gehört haben, sondern als das Wort des lebendigen Gottes, dann hat das auch Konsequenzen für den Prediger, für den Verkündiger des Wortes. Dann bedeutet das eine große Verantwortung vor Gott und vor den Menschen für jedes Wort, das in der Predigt gesagt wird.

Dann kann man verstehen, dass ein Prophet Jesaja, der ja berufen wird, Stimme Gottes zu sein, dass er erschrickt und ausruft: Weh mir, ich bin ein Mensch mit unreinen Lippen, und ich wohne unter einem Volk mit unreinen Lippen. Und wie er dann in einer Vision sieht, wie dass Engel mit einer glühenden Kohle seine Lippen berührt und sagt: Ich habe deine Lippen gereinigt. (Jes 6)

Von daher ist es schon richtig, wenn der Prediger vor der Predigt sich vor dem Altar verneigt und betet: „Herr reinige mein Herz und meine Lippen, dass ich würdig deine frohe Botschaft verkündige.“ Ich glaube, es gehört Predigt eine große Demut. Demut vor dem Text der Bibel und Demut vor den Menschen, zu denen man redet.

Es ist schon auch wichtig, dass dann die Worte gedeckt sind von unserem Leben, dass es nicht nur einfach leere Worte sind, hinter denen wir gar nicht mit unserem Leben stehen: Der tut ja selber nicht was er predigt.

Dann geht es uns so, wie Jesus im Evangelium von den Pharisäern sagt. Was sie euch sagen, das tut, aber handelt nicht so wie sie handeln. Denn sie reden zwar, aber sie handeln selber nicht danach.

 

Und noch eins ist für den Prediger aus diesem Lesungstext wichtig. Paulus sagt: Wenn du predigen willst, dann brauchst du als erstes Liebe zu den Menschen, zu denen du redest, Liebe zu der Gemeinde. Wenn man nur von oben herunter redet, und wenn man nicht unten steht mitten unter den Menschen, wenn man nicht mitfühlen kann mit ihren Sorgen und Nöten, dann kann das Wort der Predigt nicht als Gotteswort ankommen.

Paulus schreibt in seinem Brief an die Thessalonicher: Wir waren voll Liebe zu euch, wie eine Mutter, die für ihre Kinder sorgt. Wir wollten euch nicht nur das Evangelium bringen, sondern wir wollten euch auch teilhaben lassen an unserem Leben, denn ihr wart uns lieb geworden.

Vielleicht waren die ersten Missionare der frühen Kirche aus dem Grunde so erfolgreich, auch ein Apostel Paulus, weil diese Liebe zu den Menschen in ihnen brannte. Diese Liebe, die auch Jesus gehabt hat, wenn es heißt: Er hatte Mitleid mit dem Volk, es erbarmte ihn des Volkes. Und dann fing er an zu reden, obwohl er noch gar nicht zu Mittag gegessen hatte.

 

Und schließlich einen letzten Punkt. Wenn Paulus damit rechnet, dass er in dieser Vollmacht reden darf, dass sein Wort das Wort des lebendigen Gottes ist (Oder wie Jesus es einmal sagt: Wer euch hört, der hört mich), dann weiß Paulus, dass er abhängig ist vom Gebet der Gemeinde, zu der er redet. Er schreibt mehrmals in seinen Briefen: Betet für mich, dass ich das Wort Gottes so verkünde, wie es richtig ist. Betet für mich, dass ich nicht den Mut verliere wenn sie mich rausschmeißen, wenn sie mich kritisieren. Und betet für mich, dass ich genügend Demut habe, und dass ich mich nicht überhebe, wenn die Predigt wirklich ankommt.

Paulus hatte es nötig die Gemeinden zu bitten um ihr Gebet. Ich möchte heute das gleiche tun. Ich möchte Sie bitten um diesen Dienst des Gebetes. Dass sie für die Menschen beten, die den Dienst der Verkündigung haben. Nicht nur für die Prediger. Ich denke da auch an die Lehrer, die im Religionsunterricht den Glauben verkünden. Ich denke an die Männer und Frauen, die als Firmkatecheten einen Dienst übernommen haben oder an die Mütter, die ihre Kinder auf die Erstkommunion vorbereiten. Die sind ja auch Verkündiger des Glaubens. Ich denke an alle Eltern, die den Glauben an die Kinder weitergeben, an die Erzieherinnen im Kindergarten und viele andere. Und ich möchte Sie bitten: Beten sie für diese Menschen. Denn ob das Wort, das sie weitergeben, wirklich als Wort Gottes lebendig und fruchtbar wird, das entscheidet sich nicht zuletzt daran, ob wir alle diesen Dienst des Gebetes wahrnehmen, um den ich Sie heute bitten möchte. Amen.

 

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Predigttext:    Mt 23,1-12

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Wenn man die Evangelien liest, besonders das Matthäusevangelium, dann kann man an vielen Stellen den Eindruck gewinnen, dass immer auf die Pharisäer eingedroschen wird. Man könnte fast meinen: Alles, was Jesus an Negativem zu sagen hat, das wird gebündelt in der Kritik an den Pharisäern. Besonders wenn es um das Thema Heuchelei geht, müssen immer die Pharisäer herhalten. Das ist doch eigenartig! Aber noch eigenartiger ist, dass Matthäus das alles aufgeschrieben hat. Denn als Matthäus einige Jahrzehnte später sein Evangelium schreibt, da gab es die Gruppe der Pharisäer überhaupt nicht mehr.

 

Aber wenn man sich in unser heutiges Evangelium vertieft, das ja vordergründig auch wieder auf die Pharisäer eindrischt, dann merkt man, dass Jesus letztlich gar nicht mehr die Pharisäer im Blick hat, sondern dass Jesus uns heute einen Spiegel vorhält. Und wenn man sich selbst einmal in diesem Spiegel betrachtet, dann kann das unter Umständen sehr unangenehm für uns werden.

 

Ich will einmal ein Beispiel nennen:

Wenn Jesus hier über die Pharisäer sagt: „Tut und befolgt alles, was sie euch sagen. Aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun. Denn sie reden nur, tun aber selbst nicht, was sie sagen.“ Ich habe schon manches Mal überlegt: Wenn Jesus hier in unserer Gemeinde wohnen würde, und er würde mich jeden Sonntag predigen hören, ob er vielleicht auch hier zur Gemeinde sagen würde: „Tut, was er euch sagt, aber handelt nicht so wie er handelt.“ Wie oft ist das so, wenn ich mich als Priester auf eine Beichte vorbereite, dass mir dann schmerzlich bewusst wird, dass mein Reden mit meinem Tun oft gar nicht überein stimmt; dass ich selbst auch oft gar nicht das tue, was ich den anderen sage. Und so ein Spiegel tut weh. Vielleicht würde es vielen von uns so gehen, wenn Jesus über uns ein Urteil fällt.

 

Oder eine andere Aussage Jesu: „Was sie tun, das tun sie nur, damit die Menschen es sehen.“ Mit einem modernen Ausdruck würde man das nennen: Imagepflege. Da wird auf einmal das eigene Image in der Gemeinde wichtiger als die Botschaft, die ich zu verkünden habe. Ich kenne Pfarrer, katholische wie evangelische, die können es nicht ertragen, wenn sie nicht wenigstens einmal im Monat mit Foto in der Zeitung stehen. „Alles, was sie tun, das tun sie nur, damit die Menschen es sehen.“ Das ist schon ein arger Spiegel.

 

Oder, es geht weiter: „Sie machen ihre Quasten an ihren Gewändern lang.“ Es war damals das typische Kennzeichen der Gewänder von Pharisäern, dass sie lange Quasten hatten. Das erinnert mich an eine Diskussion vor einiger Zeit im Fernsehen. Da sagte eine junge Frau: „Ich könnte mir Jesus wohl als verheirateten Mann vorstellen. Aber ich könnte mir Jesus nicht vorstellen mit solchen Messgewändern, wie sie die Priester heute im Gottesdienst tragen.“ Das ist mir sehr tief nachgegangen. Ich kann mir Jesus auch nicht gut vorstellen mit unseren Messgewändern. Und es ist ja wirklich die Frage: Muss das unbedingt so sein mit unseren klerikalen Roben? Muss man einen Kardinal schon auf große Distanz an seiner roten Amtstracht erkennen?

 

Oder gehen wir weiter: „Bei jedem Festmahl haben sie den Ehrenplatz.“ Ich kann doch als Priester zu kaum einer Veranstaltung gehen, ohne dass mir der „Ehrenplatz“ angeboten wird. Alle Leute müssen sich für eine Veranstaltung eine Eintrittskarte besorgen. Aber es gibt einige, – und wir Priester gehören auch dazu - die brauchen sie nie um eine Eintrittskarte zu bemühen. Die bekommen einen Platz am Tisch für die Ehrengäste. Schauen Sie einfach einmal ins Fernsehen. Wenn irgendwo ein größerer Festakt ist, auch wenn es gar kein kirchlicher Festakt ist: In der ersten Reihe sitzt immer ein Bischof in vollem Ornat dabei. Ob Jesus da auch seinen Platz hätte??

 

Aber es gibt auch ein positives Bild, das uns in diesem Evangelium Jesus von der Kirche zeichnet. Diese positive Bild sei in drei Zügen auch dargestellt:

 

Das erste positive Kennzeichen der Kirche, wie Jesus sie sich denkt, ist: Es wird eine brüderliche Kirche sein. Heute würde man vielleicht sagen: eine geschwisterliche Kirche. Da sagt Jesus: „Ihr sollt niemand auf Erden euren Vater nennen, denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.“ Damit ist nicht gemeint, dass wir unsere irdischen Väter verleugnen sollen. Das geht es um etwas ganz Anderes: In der Kirche ist da so: Jedes Grüppchen, jede Sekte, jede Gruppierung hat irgendwo so eine Vaterfigur im Hintergrund. Ob man die „Vater“ nennt oder „Guru“ oder wie auch immer. Für die einen ist das der Papst, für die anderen Professor Küng oder Drewermann oder wer auch immer. Und in größeren Gemeinden mit mehreren hauptamtlichen Seelsorgern gibt es auch in den Gemeinden immer wieder solche Grüppchen. Die einen scharen sich um den Pfarrer, die anderen um den Kaplan. Andere hängen sich an den Pastoralreferenten oder an einen Pensionär. Jeder hat so seine „Leitfigur“, zu der er sich hält. Und das kritisiert Jesus. Jesus sagt: Es gibt nur eine einzige Vaterfigur, und das ist unser Vater im Himmel. Übrigens: Das ist auch nicht der „Heilige Vater“ in Rom, sondern der Vater im Himmel. Und wenn wir es als Kirche wieder lernen, dass wir nur eine Vaterfigur haben, und dass wir untereinander Brüder und Schwestern sind, dann würde der Umgang in der Kirche untereinander ganz anders aussehen. Es würde mehr Freude machen, zu dieser Kirche zu gehören.

 

Ein anderes Beispiel: Jesus sagt als zweites: Diese Kirche wird eine hörende Kirche sein. Er sagt: „Ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen. Nur einer ist euer Lehrer, Christus.“ Auch hier geht es nicht darum, dann man in der Schule keine Lehrer mehr haben dürfte, oder sie nicht mehr „Lehrer“ nennen darf. Auch hier geht es um etwas ganz anderes: Es gibt heute gerade auch in der katholischen Kirche hier in Deutschland unter den Lehrern der Theologie gelegentlich eine geistliche Arroganz, die kaum mehr zu überbieten ist. Da kann doch der Papst heute verkünden, was er will. Es gibt immer Theologen, die das alles besser wissen. Und in dem Maße, wie solche Theologen die Unfehlbarkeit des Papstes ablehnen, in dem Maße richten sie ihre eigene „Unfehlbarkeit“ auf. Was solche Professoren sagen, das darf man nicht mehr kritisieren, das muss man glauben. Die haben immer Recht. Und in so einer Situation sagt Jesus: „Nur einer ist euer Lehrer, Christus.“ Und in dem Maße, wie wir uns alle angewöhnen, angefangen vom Papst über die Professoren über die Priester und über die Laien, wenn wir uns angewöhnen, auf diesen einen Lehrer zu hören, und in dieser Weise hörende Kirche sind, in dem Maße sind wir Kirche Jesu Christi. In diesem Zusammenhang möchte ich auch einmal sagen: Nicht wir verfügen über das Wort Gottes. Nicht wir entscheiden, was man vom Wort Gottes, von der Bibel noch glauben darf, und was man besser heute wegstreicht, weil es unmodern ist. Nein, wir stehen nicht über, sondern unter dem Wort Gottes.

 

Und schließlich ein Letztes, was Jesus sagt: Diese Kirche wird eine dienende Kirche sein. „Der Größte von euch soll euer Diener sein.“ Und hier kommen wir an einen ganz wunden Punkt in der innerkirchlichen Diskussion heute. Ich versuche, das an einem Beispiel einmal auf den Punkt zu bringen: Seit vielen Jahren streben Frauen in der Kirche immer mehr nach Macht, nach Positionen, wo man etwas zu sagen hat. Oft wird auch noch deutlich formuliert als Kritik an den kirchlichen Strukturen: „Wir Frauen sind immer nur da, um dienende Aufgaben zu übernehmen. Aber da, wo es ums ‚Sagen’ geht, da sind immer die Männer am Zug.“ Wenn wir doch alle lernen würden, dass die Rangordnung, die Jesus aufstellt, und die er auch selber gelebt hat, gerade darin besteht, dass derjenige der Größte in der Kirche ist, der dient. Damit das nicht einseitig wird: Das gilt für die Männer genau so. Wenn die an Positionen festhalten, um der Macht willen, wenn wir Männer in der Kirche (Priester und Laien) nicht auch lernen, dass das erste Kriterium ist, „Wie habe ich gedient?“, dann sind wir auch nicht Kirche Jesu Christi.

Ich bin sicher: Die ganze Frage um das Amt der Frau in der Kirche würde sich ganz stark entkrampfen, man könnte viel gelöster darüber diskutieren, wenn wir alle, Männer und Frauen, diesen Vorrang des Dienens vor dem „Herrschen“ wieder berücksichtigen würden.

 

Und schließlich sagt Jesus zusammenfassend in aller Kürze:

„Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt. Und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ Ganz schlicht.

Der Apostel Paulus, der bestimmt ein großer Theologe war, hat das einmal im Philipperbrief in einem Lied zusammengefasst. Es ist vielleicht eines der ältesten Kirchenlieder, die es heute noch gibt. Und als Überschrift über dieses Lied schreibt er: „Habt untereinander die Gesinnung, die auch in Christus Jesus war.“ Und dann zitiert er das folgende Lied:  (Phil 2,6-11)

 

 „Er (Jesus Christus) war Gott gleich,

hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein,

sondern er entäußerte sich,

wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.

Sein Leben war das eines Menschen;

er erniedrigte sich

und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.

Darum hat ihn Gott über alle erhöht

und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen,

damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde

ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu

und jeder Mund bekennt:

„Jesus Christus ist der Herr“ - zur Ehre Gottes, des Vaters.“

 

Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Das gilt auch für uns.  Amen.

 

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