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Liebe Schwestern und Brüder!
Was in dieser Welt unumstößlich gilt, das sind die Gesetze der Mathematik. Dass zwei plus zwei vier ist, lernen die Kinder schon in der Grundschule. Und das war vor zweitausend Jahren genauso wie heute. Das steht unumstößlich fest: Zwei plus zwei sind vier. Und dass ein Kilo Zucker mehr ist als ein halbes Kilo, das gilt bei uns, das gilt in Australien, das gilt am Nordpol. Das ist ein Gesetz der Mathematik, und das gilt. Merkwürdig ist nun, dass Jesus heute im Evangelium diese Gesetzte der Mathematik gleichsam außer Kraft setzt. Da gelten die nicht mehr so automatisch. Bei dieser armen Witwe im Evangelium geht es um die Frage des Spendengebens oder der Kollekte, der Gabe, der Opfer, die man bringt. Und da gelten nicht die Gesetze der Mathematik. Eine ganz einfache Geschichte, das ist schon bei uns in unseren Redensarten so: Wie heißt das bei uns: Geteilte Freude ist doppelte Freude. Wenn ich eine Tafel Schokolade habe und esse diese Tafel Schokolade ganz allein, dann gibt es nur einen, der sich freut, und das bin ich. Wenn ich aber die Tafel durchbreche und gebe dem anderen die Hälfte, dann hat sich die Freude verdoppelt. Dann haben sich zwei Leute gefreut. Geteilte Freude ist doppelte Freude. Da gelten die Gesetze der Mathematik nicht mehr. Schauen wir uns Jesus an, der am Tempel sitzt, Nun steht da der Opferkasten, und Jesus schaut zu, wie die Leute in den Tempel gingen. Viele reiche Leute kamen und haben einen großen Schein in den Opferkasten geworfen. Und dann kommt eine arme Witwe und wirft zwei winzig kleine Münzen rein. Auf hebräisch heißt diese Münze „Lepta“; das ist soviel wie bei uns heute ein viertel Cent. Und nun sagt Jesus: Diese Witwe, die einen viertel Cent in den Opferkasten geworfen hat, die hat mehr gegeben als alle, die die einen großen Schein hineingeworfen haben. Das ist gegen jede Regel der Mathematik.
Aber dahinter steht folgendes Geheimnis: Bei Gott wird eine Spende nicht gezählt, sondern sie wird gewogen, ob sie Gewicht hat. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Im Bereich von Kollekten und Spenden zählt bei Gott nicht die Gabe, sondern die Hingabe. Und das ist eine Sache des Herzens und nicht des Geldbeutels. Um es noch einmal anders auszudrücken: Ich bin vor Jahren einmal in einen freikirchlichen Gottesdienst gegangen. Wenn die die Kollekte einsammeln, dann reden sie nicht von Kollekte, sondern dann heißt es: Jetzt wird das Opfer eingesammelt. Opfer ist nicht eine Sache von Münzen oder eine Sache des Geldbeutels, sondern es ist zunächst einmal eine Sache des Herzens. Gott sucht nicht unsere Gabe, sondern Gott sucht unsere Hingabe.
Es folgen zwei Varianten, wie die Predigt fortgesetzt werden kann:
Ich habe vor vielen Jahren in Essen einen koreanischen Pastor kennen gelernt, der in Seoul, in Korea, Pastor einer evangelischen Gemeinde ist. Der hat uns folgendes erzählt: Er hat in seiner Gemeinde gepredigt über Hingabe, über diese Witwe. Am Tag nach dem Gottesdienst, montags, kam eine Frau zu ihm ins Pfarrhaus die in den Slums lebte, in einem der Elendsviertel von Seoul. Sie hat dem Pastor eine Blechschüssel gebracht, die schon ganz verbeult war. Der Pastor fragte sie: „Was soll ich denn mit der Blechschüssel?“ „Ja, sie haben doch gestern über Hingabe gepredigt. Sie haben dann eine Sammlung gehalten für die Mission, und ich wollte diese Blechschüssel geben für die Mission.“ „Ja“, sagt der Pastor, „die hat doch überhaupt keinen Wert.“ „Ja haben sie nicht gesagt, dass die kleine Münze der Witwe mehr wert ist als ein großer Geldschein?“ Der Pastor hat die Blechschüssel dann angenommen; er wusste aber nicht, was er damit machen sollte. Dann hat er zwei Tage später diese Frau zu Hause besucht in ihrer Wellblechhütte. Und dann hat er mittags gesehen, wie die Familie auf dem Boden saß und Reis aus einem Pappkarton gegessen hat, weil sie die einzige Schüssel, die sie hatten, weggegeben hatte. Und er sagte uns: „Ich bin weinend nach Hause in die Kirche gegangen und habe nur gebetet: Gott segne die Hingabe dieser Frau.“ Er hat dann diese Schüssel in der Sakristei in einem Schrank gehabt, und es sind Jahre übers Land gegangen. Und irgendwann hat er wieder einmal über dieses Evangelium von der Witwe gepredigt, die am Opferkasten saß. Er sagte: Ich hab dann die Schüssel mit in die Kirche genommen und hab den Leuten von dieser Frau erzählt, die mir die Blechschüssel gegeben hat, und die dann ihren Reis aus einem Pappkarton aß. Nach dem Gottesdienst kam ein Amerikaner in die Sakristei. Seoul ist ja eine große Metropole, und dieser Amerikaner war auf Geschäftsreise. Und er sagte zu dem Pastor: „Würden sie mir diese Blechschüssel verkaufen?“ Der Pastor sagte: „Ich kann die Schüssel nicht verkaufen. Der materielle Wert ist gleich Null, und sie können sich nicht vorstellen, wie groß der ideelle Wert für mich ist.“ „Ja“, sagte der Amerikaner, „aber sie glauben gar nicht, wie wichtig mir das wäre, diese Schüssel zu besitzen. Sehen sie, ich habe alles: Ich habe eine Farm in den USA, ich habe eine Luxusjacht; ich kann mir leisten, was ich will. Aber eins habe ich in meinem Leben noch nie kennen gelernt: eine solche Hingabe.“ Aber der Pastor sagte: „Tut mir leid, aber ich kann Ihnen diese Schüssel nicht verkaufen.“ Und dann sagte der Amerikaner zu ihm: „Würden sie denn so weit gehen und mir die Schüssel schenken?“ Der Pastor hat mit sich gerungen, und hat dann schließlich gesagt: „Gut, ich schenke ihnen die Schüssel.“ Einen Tag später kommt der Amerikaner wieder zu ihm und sagt: „Sie wissen gar nicht, was Sie mir damit für eine Freude gemacht haben. Ich habe gehört, dass sie für die Renovierung ihrer Kirche sammeln. Und ich möchte Ihnen jetzt auch eine Freude machen.“ Er zieht sein Scheckheft hervor und schreibt eine Summe auf den Scheck, die größer war, als die ganze Gemeinde in all den Jahren durch Kollekten zusammengebracht hatte. Und durch diesen Scheck hatten sie jetzt auf einen Schlag die ganze Summe, die sie aufbringen mussten, um die Renovierung bezahlen zu können. So hat Gott die Hingabe einer Frau gesegnet, die nur eine verbeulte Blechschüssel gegeben hat.
Und dann kann man sich vorstellen, warum Jesus von der Witwe im Evangelium sagt: Diese Frau hat mehr gegeben als die vielen Reichen, denn die haben nur etwas gegeben von ihrem Reichtum. Diese Frau hat ein Zeichen der ganzen Hingabe gesetzt. Amen.
Alternativ kann die Predigt wie folgt fortgesetzt werden:
Was das praktisch bedeuten kann, ist mir einmal deutlich geworden, als ich noch Kaplan war. Ich habe einem alten Mann die monatliche Krankenkommunion gebracht. Und jedes Mal, wenn ich ihm am Herz-Jesu-Freitag die Kommunion gebracht habe, gab er mir eine Spende. Gut, das tun viele. „Herr Pfarrer, hier haben sie etwas für einen guten Zweck“, sagen die Leute dann oft. Aber wenn dieser alte Mann eine Spende gab, dann das war ganz merkwürdig. Erstens gab der jedes Mal einen anderen Betrag, manchmal einen ganz krummen Betrag. Er hatte nur eine kleine Rente; viel konnte er sowieso nicht geben. Aber jedes Mal einen anderen Betrag. Und zum Zweiten: er sagte mir jedes Mal genau, wofür diese Spende sein sollte. Einmal hieß es: für den Messdienerausflug, dann für die Kommunionkinder. Er hatte jedes Mal konkret ein Anliegen, für das er die Spende gab. Und es läuft mir bis heute noch kalt über den Rücken. Einmal hat er mir eine Spende gegeben und sagte dabei: „Wenn einmal eine allein erziehende Mutter in Not ist.“ Und genau an dem Nachmittag, was noch nie vorher und nie hinterher passiert ist, kommt eine allein erziehende Mutter und braucht Geld für Babywäsche. Da geht es einem kalt über den Rücken. Ich habe den alten Mann dann einmal gefragt: „Warum geben sie eigentlich immer einen so krummen Betrag und jedes Mal eine andere Summe? Woher wissen sie immer genau, wofür sie den Betrag geben wollen?“ Und dann hat er mir geantwortet: „Jeden Monat, wenn ich meine Rente bekomme, dann bete ich morgens, wofür ich die Spende geben soll. Gott zeigt mir das jedes Mal. Auf die Idee war ich bis dahin noch nie gekommen, dass ich Gott im Gebet fragen soll, wofür ich meine Spende gebe. Bisher hab ich das immer selber entschieden. Aber ich spürte bei diesem alten Mann, wie darauf ein Segen ruhte. Und noch etwas war bei diesem alten Mann außergewöhnlich. Das war ganz am Anfang ,als ich ihm das erste Mal die Kommunion brachte. Da gab er mir dann einen Geldschein und sagte: „Herr Kaplan, können sie diesen Geldschein segnen?“ Ich sagte: „Wie bitte?“ „Können sie den Geldschein segnen? Ich möchte gerne dass sie diesen Geldschein segnen, damit die Menschen gesegnet sind, für die dieser Geldschein bestimmt ist.“ Was hatte dieser Mann ein tiefes Verhältnis vom Spenden geben. Da spürte man: das war wirklich eine Segensgabe. Und das war nicht eine Frage, wie groß die Spende ist. Sehen sie, es gilt auch das Umgekehrte. In regelmäßigen Abständen wird ja im Fernsehen Werbung gemacht für Aktionen zu Gunsten der Menschen in Afrika. Ich kann mich erinnern, vor ungefähr 20 Jahren hat es einmal so einen Aufruf gegeben: „Ein Tag für Afrika.“ Da haben alle Hilfsorganisationen sich zusammengetan und haben einen Tag für Afrika ausgerufen. Da sind Unmengen an Geld hier in Deutschland gespendet worden. Aber es ruhte kein Segen darauf. Wissen Sie, woran man das merken konnte? Hinterher haben sich die ganzen Organisationen zum Teil öffentlich gestritten, wer das Geld jetzt verteilen darf. Da spürt man, es ruht kein Segen darauf. Es ist ein Unterschied, ob auf einer Spende Segen ruht, ob eine Spende aus Hingabe kommt, oder ob man nur Geld gegeben hat. „Diese Witwe“, sagt Jesus, „hat mehr gegeben als alle anderen, obwohl sie nur einen viertel Cent ins Körbchen geworfen hat.“
Aber bleiben wir noch einmal bei dieser Witwe. Was ist denn aus dieser Witwe anschließend geworden, wenn sie alles gegeben hat, was sie zu ihrem Lebensunterhalt brauchte. Sehen Sie, da war eben in der Lesung aus dem Alten Testament auch die Rede von einer Witwe zur Zeit des Propheten Elija. Es gab damals gerade in Israel eine Dürrekatastrophe. Elija trifft diese Witwe beim Holz sammeln und sagt zu ihr: „Mach mir etwas zu essen.“ Die Witwe sagt ihm: „Ich habe nichts mehr, nur noch ein ganz wenig Mehl und Öl, und ich bin gerade dabei, für meinen Sohn und für mich die „Henkersmahlzeit“ zuzubereiten. Und dann müssen wir sterben, weil wir nichts mehr haben.“ Dann sagt Elia der Prophet zu ihr: „Ja tu das, mach für dich und deinen Sohn einen Kuchen, aber mach zuerst für mich ein Gebäck.“ Und jetzt kommt ein großes Wort. „Denn Gott hat gesagt: Das Mehl im Topf wird nicht ausgehen und der Ölkrug wird nicht versiegen, bis die Dürrekatastrophe zu Ende ist.“ Und diese Witwe tut im Gehorsam, auf diese Verheißung Gottes hin, das, was Elija ihr sagt. Sie macht für Elia ein kleines Gebäck. Und dann verwirklicht sich die Verheißung Gottes buchstäblich. Das Mehl ging nicht zu Ende, und der Ölkrug versiegte nicht. Gut, kann man sagen, das ist eine Geschichte aus dem Alten Testament. Wer weiß, ob die stimmt. Aber ich habe im Laufe meiner Priesterjahre viele alte Menschen getroffen, die die Nachkriegszeit noch bewusst erlebt haben, und die mir bestätigt haben, dass das Wirklichkeit wird, dass Gott Menschen durchbringt, manchmal auf ganz abenteuerliche Weise, dass Gott für die Menschen sorgt. Wenn wir unsere Gabe zu einem Zeichen der Hingabe machen, dann wird Gott „sich krumm legen“, damit für uns gesorgt ist. Das braucht man nicht zu glauben, man muss es nur ausprobieren. Nicht Gabe ist gefragt, sondern Hingabe. Amen.
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