Pfarrer Karl Sendker

Predigten - Hilfen zur Bibelarbeit

Gottesdienste - geistliches Leben

 

3. Ostersonntag B
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Predigten

Predigtverzeichnis  nach Bibelstellen geordnet

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unter dem Stichwort Kassettendienst .

Predigt zur 1. Lesung:   Apg 3,12a.13-15.17-19

Predigt zur 2. Lesung:  1 Joh 2,1-5a       Predigt im mp3 Format

Predigt zum Evangelium:  Lk 24,35-48

Predigttext:    Apg 3,12a.13-15.17-19

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Das Stichwort Zeuge prägt heute sowohl die Lesung aus der Apostelgeschichte wie auch das Evangelium. Am Ende des Evangeliums, unmittelbar vor der Himmelfahrt, sagt Jesus seinen Jüngern sehr pointiert: „Ihr seid Zeugen dafür!“ Und mitten in der Lesung sagt der Apostel Petrus: „Dafür sind wir Zeugen.“

Ein Zeuge ist nicht jemand, der ein Referat hält über ein bestimmtes Thema. Ein Zeuge hat es mit Tatsachen zu tun, der muss bezeugen, was er mit eigenen Augen gesehen hat. Ein Zeuge kann nicht irgendwelche Meinungen wiedergeben, die er gehört hat oder die er irgendwo gelesen hat. Sondern da geht es um Tatsachen.

Aber was ist denn die Tatsache, die Petrus so ausdrücklich bezeugt, wenn er sagt: „Dafür sind wir Zeugen“? Die Tatsache, die er bezeugt, heißt: „Der Gott unserer Väter hat seinen Knecht Jesus verherrlicht. Gott hat ihn von den Toten auferweckt.“ Dafür sind wir Zeugen.

Nun kann man natürlich dem Petrus entgegenhalten: „Gott hat ihn von den Toten auferweckt“, das ist eine Glaubenswahrheit. Aber ein Zeuge hat es mit Tatsachen, mit handgreiflichen Tatsachen zu tun. Wo bleiben denn deine handgreiflichen Beweise, die du anführen kannst? Glaubenswahrheiten, das ist etwas anderes.

Aber Petrus hatte tatsächlich etwas Handgreifliches zu bieten. Unmittelbar vorher war Petrus mit Johannes zum Gebet in den Tempel gegangen. Da sitzt an der Tempeltüre ein Gelähmter und bettelt. Natürlich hält er die Hand auch Petrus hin. Petrus schaut ihn an und sagt: „Gold und Silber hab ich nicht. Aber was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu steh auf und geh.“ Und der Gelähmte stand tatsächlich auf und ging umher. Und es wird mit ganz vielen verschiedenen Ausdrücken beschrieben, wie er wieder gehen konnte. Das war eine Tatsache. Und dann kommen die Leute und wollen Petrus und Johannes auf den Schild heben, weil sie meinen, dass die beiden das bewirkt haben. Aber dann kommt das Zeugnis des Petrus: „Nein, ihr müsst nicht uns anschauen. Der Gott unserer Väter hat Jesus verherrlicht, er hat ihn von den Toten auferweckt. Und das könnt ihr an diesem Gelähmten, der geheilt worden ist, ablesen.“ Da ist die Auferstehungskraft Gottes handgreiflich geworden. Da hat Gott tatsächlich eingegriffen, so dass man etwas sehen konnte, dass man etwas miterleben konnte. Und genau darum geht es bei einem Zeugnis.

 

Ein Zeuge hat die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit kann manchmal bitter sein und unangenehm. Die Wahrheit, die Petrus seinen jüdischen Brüdern und Schwestern bezeugt, die war auch ganz bitter. Er sagt ihnen: „Der Gott unserer Väter hat Jesus verherrlicht. Ihr habt ihn verraten und ihr habt ihn vor Pilatus verleugnet. Dabei hatte Pilatus schon entschieden, ihn freizulassen. Er hat ausdrücklich festgestellt: Ich finde keine Schuld an ihm. Aber ihr habt den Heiligen und Gerechten verleugnet. Ihr habt die Freilassung eines Mörders, des Barabbas gefordert. Den Urheber des Lebens habt ihr getötet. Aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt.“ Das ist die bittere Wahrheit, die Petrus den Juden sagt:  Ihr habt ihn getötet, den Urheber des Lebens.

 

Vor einigen Jahren hat einmal jemand den Vorschlag gemacht: Ob man nicht heute in Jerusalem den Prozess Jesu noch einmal neu aufrollen sollte. Vielleicht kommt man ja heute zu anderen Ergebnissen, dass die Menge nicht mehr schreit: „Ans Kreuz mit ihm!“ Aber dann ist von jüdischer Seite gesagt worden: Wenn  überhaupt der Prozess Jesu noch einmal aufgerollt werden soll, dann nicht in Jerusalem, sondern in Rom, denn die Römer haben ihn ans Kreuz geschlagen.

Aber so einfach ist die Sache nicht. Petrus bezeugt ihnen: Pilatus, der römische Statthalter, wollte Jesus freilassen, weil er keine Schuld an ihm fand. Aber ihr habt den Pilatus so in die Enge gedrängt, dass er ihn schließlich hat kreuzigen lassen. Ihr habt ihn getötet, sagt Petrus. Und das ist die Wahrheit, die man auch heute sagen muss: Es waren nicht nur die Römer als ausführendes Organ. Die geistliche Obrigkeit der damaligen Juden haben Jesus dem Tod ausgeliefert. Petrus bezeugt das als die Wahrheit.

 

Aber wenn man diese Wahrheit sagen muss, dann muss man eins genau so deutlich machen: Diese Wahrheit darf nicht verkündet werden so von oben herab. Als Petrus ihnen das sagt, da ist er sich voll bewusst: Nicht nur ihr habt ihn vor Pilatus verleugnet, ich habe ihn selber dreimal verleugnet, und ich hab sogar geschworen. Aber er hat bitter dafür Buße getan, als er merkte, was er getan hatte. Er ist weggerannt aus dem Hof des Hohenpriesters und hat bitterlich geweint. Ich hab ihn auch verleugnet. Und wenn wir Christen dem jüdischen Volk diese Wahrheit entgegenhalten, dann haben wir absolut keinen Grund, das von oben herab zu tun. Wir Christen, gerade auch wir deutschen Christen haben genug „Dreck am Stecken“, dass wir „ganz kleine Brötchen backen“ müssen.

Ein Apostel Paulus, selber ein Jude, Pharisäerschüler, wird bis an sein Lebensende nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen: Ich habe ihn verfolgt. Und er empfindet es als eine unglaubliche Gnade, dass Jesus ausgerechnet ihn berufen hat. Ich bin doch der Geringste von allen Aposteln. Ich bin gleichsam eine Missgeburt. Und zum Ende seines Lebens, im ersten Brief an Timotheus, schreibt er: Die Gnade Gottes ist an mir übermächtig geworden; er hat mich berufen, obwohl ich ein Verfolger war.

Aber dann schreibt Paulus in diesem Zusammenhang eine Bemerkung, die merkwürdigerweise auch in der Predigt des Petrus zu hören ist: „Ich war ein Verfolger und Lästerer, aber ich habe aus Unwissenheit gehandelt.“ Als Petrus seinen jüdischen Brüdern die bittere Wahrheit entgegenhält, da gebraucht er den gleichen Ausdruck: „Brüder, ich weiß, ihr habt aus Unwissenheit gehandelt.“

Das ist das Große: Er muss ihnen diese bittere Wahrheit sagen, aber er sucht gleichsam noch nach einer Entschuldigung: Ihr habt aus Unwissenheit gehandelt. Es ist so ähnlich wie die Szene am Kreuz Jesu. Als die Menge da unten am lästern ist: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Sie haben aus Unwissenheit gehandelt. Wenn sie wüssten, was hier geschieht, dann würden sie jetzt nicht spotten und lästern. „Ihr habt aus Unwissenheit gehandelt.“

 

Und dann kommt etwas, was Petrus lernen musste, was Paulus lernen musste, was alle Jünger Jesu lernen mussten, auch die Emmausjünger, etwas, das sie am Ostertag noch nicht verstanden hatten: Dass nämlich der Leidensweg Jesu der Heilsplan Gottes war. Und am Ende des Evangeliums heißt es von Jesus ja auch: „Er öffnete ihnen die Augen für das Verstehen der Schriften.“ Sie wussten das noch nicht. Selbst als sie am Ostermorgen das leere Grab finden, gehen sie ratlos weg, weil sie die Schrift noch nicht verstanden hatten, dass dies genau der Heilsplan Gottes war.

Die Geschichte mit den Emmausjüngern ist ja vielleicht die bekannteste Ostergeschichte. Was macht Jesus denn mit den Emmausjüngern? Die waren auch noch unwissend, obwohl sie dien Nachricht vom leeren Grab bereits kannten. Er öffnete ihnen die Augen für das Verständnis der Schriften. Er geht mit ihnen Punkt für Punkt durch, was in der heiligen Schrift geschrieben steht. Und da fängt ihr Herz an zu brennen.

„Brüder, ihr habt aus Unwissenheit gehandelt.“ Das ist für uns alle wichtig. Gott muss uns die Augen öffnen für das Verstehen der heiligen Schrift.

 

Ganz am Ende kommt in dem kurzen Abschnitt der Petruspredigt der Ruf, der immer wieder im Neuen Testament ergeht: „Kehrt um, tut Buße, damit eure Sünden getilgt werden.“

Kehrt um, das eröffnet eine neue Chance. Auch wenn ihr den Heiligen getötet habt, ihr habt eine neue Chance: Kehrt um, eure Sünden werden vergeben.

Auch das hatte der Petrus am eigenen Leibe erlebt. Als er Jesus verleugnet hat im Hof des Hohenpriesters, da dreht sich Jesus um und schaut Petrus an. Der Hahn kräht, und dann kommt bei Petrus alles hoch: Ich hab eine große Klappe gehabt: „Und wenn ich mit dir sterben müsste, ich werde dich nicht verlassen.“ Und jetzt hab ich ihn dreimal verleugnet. Und die Tränen, die er dann weint, das ist dieser Zerbruch. Das ist diese Umkehr, wo auf einmal alle Selbstsicherheit dahin ist.

Und noch ein zweites Mal hat Petrus diesen Zerbruch erfahren. Nach der Auferstehung begegnet ihm Jesus und fragt ihn dreimal: Petrus, liebst du mich? Und als er zum dritten Mal fragt: Petrus, hast du mich liebt?, da wird Petrus traurig. Dreimal hab ich ihn verleugnet, und jetzt fragt er mich dreimal: Liebst du mich? Und dann sagt er nur noch ohne jede Spur von Selbstsicherheit: Herr, du weißt alles, du weißt auch, dass ich dich liebe. Und jetzt kommt die neue Chance. Jesus verurteilt ihn nicht, sondern er sagt ihm: Weide meine Lämmer, weide meine Schafe.

 

Und das gilt für das Volk Israel auch. Auch wenn sie ihn verworfen haben, wir müssen eins festhalten: Israel ist bis auf den heutigen Tag das auserwählte Volk Gottes. In der Bibel heißt es, dass Israel der Augapfel Gottes ist, den Gott beschützt und behütet, wie man den Augapfel hütet. Und Israel hat bis heute die Berufung von Gott, Segensträger zu sein für die Welt. Diese Berufung gilt. Aber es gilt auch die Aufforderung: Kehrt um, damit eure Sünden vergeben werden, damit ihr die Herde Gottes weiden könnt. Was für Petrus galt, was für die Juden galt, das gilt für uns genau so: Kehrt um.   Amen.

 

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Predigttext:      1 Joh 2,1-5a

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Einen guten Anwalt zu haben, kann in manchen Lebenssituation außerordentlich wichtig sein. Sei es, dass man sich im Dschungel der Paragraphen des Gesetzbuches nicht auskennt und eine solide Rechtsauskunft braucht. Sei es, dass man einen Beistand braucht, damit man sein Recht auch durchsetzen kann. Möglicherweise aber auch, wenn man angeklagt ist und vor Gericht steht, wenn man schuldig geworden ist, dann braucht man einen Verteidiger. Es kann sehr wichtig sein, einen guten Anwalt zu haben. Um manchmal liest man in den Zeitungen, dass Staranwälte für ihre Mandanten in scheinbar aussichtslosen Situation vor Gericht noch einen Freispruch erwirkt haben, womit keiner mehr gerechnet hatte.

Nur eins tut ein guter Anwalt nicht, und wenn er noch so gut ist: Wenn du einmal im Gericht rechtskräftig verurteilt bist und dann eine Strafe antreten musst, dann wirst du keinen Anwalt finden, der jetzt für dich ins Gefängnis geht. Das tut kein Anwalt; da kannst du noch so lange suchen.

 

Im Neuen Testament, etwa im ersten Johannesbrief, aus dem wir die Lesung gehört haben, wird Jesus häufig unser Anwalt genannt, unser Beistand, der uns im Gericht Gottes vertritt.

Dieser Anwalt Jesus hat einige Eigenheiten, die überhaupt nicht zu einem guten irdischen Anwalt passen.

Das Erste: Unser Anwalt Jesus Christus rät seinen Mandanten, dir und mir von vorne herein: Bekennt dich bedingungslos schuldig. Rede nicht drum herum, gib schlicht und einfach zu, dass du schuldig bist und das Urteil verdient hast.

Hier im ersten Johannesbrief heißt es ganz schlicht: „Wenn einer sündigt …“ Johannes geht ganz selbstverständlich davon aus, dass wir Sünder sind, die damit auch ein Strafurteil verdient haben. Und im gleichen Brief schreibt Johannes ein Kapitel vorher: „Wenn einer behauptet, er habe keine Sünde, dann ist er ein Lügner.“ Also, das erste, was Jesus als Anwalt tut: Er rät dir: Bekenne dich bedingungslos für schuldig.

 

Das Zweite, was Jesus uns als Anwalt rät: Mach nicht irgendwelche mildernde Umstände geltend, indem Du etwa sagst: „Ja, wenn meine Eltern mich anderes erzogen hätten …, wenn die sich mehr um mich gekümmert hätten …, und wenn die Gesellschaft nicht so wäre ...!“ Heute ist ja jeder schuldig, nur nicht ich selbst. Alle anderen sind Schuld, dass ich so geworden bin. Nur ich bin nicht schuldig. Der Anwalt Jesus sagt nicht: Plädiere auf mildernde Umstände. Nein, bekenne dich ohne wenn und aber als schuldig.

 

Und dann kommt das dritte Merkwürdige, und darauf kommt es mir heute Abend an:

Da heißt es hier im ersten Johannesbrief: „Wenn einer gesündigt hat, dann haben wir einen Beistand beim Vater, einen Anwalt, Jesus Christus, den Gerechten. Und er ist die Sühne für unsere Sünde.“

Wenn man das einmal in unsere Sprache übersetzt „er ist die Sühne für unsere Sünde“, dann bedeutet das mit anderen Worten: Dieser Anwalt Jesus Christus geht für Dich ins Gefängnis. Er hat die Strafe auf sich genommen, die eigentlich dich und mich treffen müsste. Er ist die Sühne. Er wirkt nicht mildernde Umstände oder eine leichtere Strafe bei Gott. Nein, die Strafe bleibt. Aber er geht zum Richter, zum Vater im Himmel, und sagt ihm: „Vater, das Urteil ist bereits vollstreckt. Dafür bin ich am Kreuz gestorben. Ich bin die Sühne für die Sünde.“ Das ist unser Anwalt Jesus Christus.

 

Wir wollen uns einmal an einer ‚biblischen’ Geschichte ausmalen, was das praktisch bedeutet. Da hat es zu Zeit Jesu in Jerusalem einen Verbrecher gegeben, der rechtskräftig zum Tod durch Kreuzigung verurteilt war. Er war Straßenräuber und Mörder. Sein Name war Barabbas. Der sitzt in Jerusalem im Gefängnis und wartet darauf, dass man ihn zur Kreuzigung holt, dass das Todesurteil vollstreckt wird. Eines Mittags sitzt er in seiner Zelle und hört, wie auf dem Flur der Wärter mit dem Schlüsselbund klappert. Die Zelle wird aufgeschlossen: „Sind Sie Barabbas?“ „Ja!“ „Pack deine Klamotten zusammen und geh!“ „Aber ich bin doch Barabbas, ich bin doch verurteilt.“ „Interessiert mich nicht“, sagt der Gefängniswärter. „Pack deine Klamotten zusammen, du bist freigelassen.“ Da sagt Barabbas: „Das kann überhaupt nicht sein. Du musst dich geirrt haben. Ich warte doch darauf, dass man mich zur Kreuzigung führt.“ „Halt deinen Mund, pack deine Sachen zusammen und geh! Du bist frei!“

Barabbas weiß überhaupt nicht, wie ihm geschieht. Er packt sein Bündel zusammen, und ehe er sich versieht, steht er auf der Straße von Jerusalem vor dem Gefängnistor.

Als er auf der Straße steht, sieht er einen riesigen Menschenauflauf. Dann geht er mit, und er sieht, dass die ganze Menschenmenge zum Stadttor hinaus strömt. Vor dem Stadttor gehen sie auf einen kleinen Hügel, der oben ganz kahl war und der deswegen den Namen Schädelstätte hatte. Als er

auf dem Hügel an kommt, sieht er drei Kreuze da stehen. An jedem Kreuz hängt einer. Er stellt sich unter die drei Kreuze, schaut sich in einen an auf der linken Seite. „Ja, der war auch mit beim Straßenraub dabei. Jetzt hängt er da, jetzt hat es ihn erwischt.“ Dann schaute sich den auf der anderen Seite an: „Ja, der war auch mit dabei. Jetzt hat er seine gerechte Strafe bekommen.“ Dann schaut er den in der Mitte an und denkt: „Komisch, den kenn ich überhaupt nicht.“ Dann fragte jemanden, der der beisteht: „Wer ist der denn da in der Mitte?“ „Der in der Mitte, das ist Jesus von Nazareth,“ bekommt er zur Antwort. „Was hat der denn getan?“ „Ja, getan hat der eigentlich nichts.“ „Und warum hängt der dann da?“ – „Ja“, sagt der andere zu Barabbas, „warst du denn eben nicht dabei, als bei Pontius Pilatus die ganze Menschenmenge geschrieen hat: Barabbas freilassen! Jesus ans Kreuz!?“

Da steht nun der Barabbas unter dem Kreuz, und er merkt auf einmal: Das ist eigentlich mein Kreuz. Wenn der nicht da hängen würde, dann würde ich jetzt da hängen. Wenn die Leute nicht geschrieen hätten: Ans Kreuz mit Jesus und Barabbas freilassen!, dann würde ich jetzt da hängen. Weil er da hängt, bin ich jetzt frei.

 

Schwestern und Brüder, es ist eigentlich dumm, wenn wir Schuld und Sünde verheimlichen oder verstecken. Wenn wir Sünde einfach nicht mehr wahr haben wollen. Wie oft laufen heute Menschen herum mit Lasten, mit denen sie einfach nicht fertig werden. Die Beichte ist ja nicht mehr modernen. Bekennen der Sünden ist auch nicht ‚in’. Dann läuft man lieber damit herum. Und das alles wird dann möglicherweise erstickt in Alkohol, in Vergnügungen, in Drogen vielleicht, in lauter Musik, nur weil man mit seinem Päckchen nicht fertig wird.

Und dabei ist die Sühne für unsere Sünde schon da. Das Urteil, das dich treffen sollte, ist bereits vollstreckt. In dem Augenblick, wo du Sünde bekennst, heißt es automatisch: Freispruch!

Und weißt du warum?: Mein Kreuz ist sein Kreuz. Weil er da hängt, bin ich frei. Jesus ist die Sühne für unsere Sünde. Das ist unser Anwalt.  Amen.

 

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Predigttext:      Lk 24,35-48

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

„Ihr seid Zeugen dafür!“, das steht pointiert am Ende des heutigen Evangeliums.

Ein Zeuge ist nicht einer, der ein Referat hält oder irgendwelche Meinungen weitergibt, die er gehört hat. Nein, ein Zeuge ist einer, der mit eigenen Augen etwas gesehen hat, der etwas miterlebt hat, und der dann davon Zeugnis gibt, Zeugnis von Tatsachen und nicht von Meinungen.

„Ihr seid Zeugen dafür!“

Wenn Jesus das so pointiert ans Ende des Evangeliums setzt, kurz vor seiner Himmelfahrt, dann bekommt dieses Evangelium gleichsam den Charakter eines Testamentes, eines Vermächtnisses. Und das wollen wir uns einmal kurz anschauen. Wir gehen einmal von hinten nach vorne vor.

Drei Punkte dieses Vermächtnisses:

 

Da sagt Jesus als Erstes: „Allen Völkern soll verkündigt werden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden.“ Das ist das große Geschenk Gottes an uns Menschen. Keiner braucht mehr mit der Last seiner Sünden herumzulaufen. Es gibt bedingungslos von Gott Vergebung. Dafür ist Jesus gestorben und auferstanden. Keiner braucht mit seiner Last mehr herumzulaufen. Ob wir dieses Geschenk annehmen, das ist nicht Gottes Problem, sondern das ist unser Problem.

 

Ein Zweites:

Jesus sagt: „Alles wird in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose und bei den Propheten und Psalmen über mich gesagt ist.“ Alles in der Heiligen Schrift wird in Erfüllung gehen. Ich habe mir sagen lassen, dass es in der Heiligen Schrift etwa vierzigtausend Verheißungen Gottes gibt, Versprechen, die Gott uns gegeben hat. Und von all diesen Verheißungen heißt es: Sie werden in Erfüllung gehen.

Viele sind schon in Erfüllung gegangen; bei manchen warten wir noch darauf. Aber es gibt eine Zeit der Erfüllung. Keine der Verheißungen, keines der Versprechen Gottes fällt unter den Tisch. Alles wird in Erfüllung gehen.

Aber hier einmal die Frage: Wenn das stimmt, dass es vierzigtausend Verheißungen gibt, wie viel kennen wir denn davon? Vielleicht leben wir manchmal unter Niveau, weil wir die Verheißungen Gottes gar nicht kennen. Wie sollen wir dann mit der Erfüllung rechnen?

 

Ein Drittes, und darauf kommt es mir heute besonders an:

Wir haben einen Gott, einen auferstandenen Herrn mit Fleisch und Knochen. Das heißt: dieser Jesus, der Auferstandene war handgreiflich. Es war nicht ein Geist, der auferstanden war sondern man konnte ihn anpacken. Er hat sogar ein Stück gebratenen Fisch gegessen. Als die Jünger meinten, er sei ein Geist, da hat er gesagt: „Habt ihr schon einmal einen Geist gesehen, der ein Stück Fisch essen kann?“ Wir haben einen Gott mit Fleisch und Knochen, ganz handgreiflich.

Damals ist dieser Text von Lukas geschrieben worden, weil es Theologen gegeben hat, die gesagt haben: Jesus ist überhaupt nicht leibhaft auferstanden. Die Jünger haben eine Vision gehabt, eine Erscheinung. Die Auferstehung ist in ihren Köpfen und in ihren Herzen geschehen. Sie haben sich so sehr nach Jesus gesehnt, dass sie geglaubt haben, dass er wirklich vor ihnen steht. Dieses Behauptungen von Theologen gibt es ja heute auch wieder. Sie kennen das aus den Zeitungen, ich will darauf jetzt nicht näher eingehen.

Mir geht es heute um etwas anderes: Ich sehe eine Gefahr in unseren Kirchen, die ich für sehr verhängnisvoll halte. Ich meine folgendes: Auch das Heilsangebot Gottes, das er den Menschen macht, ist „von Fleisch und Knochen“, das heißt: es ist handgreiflich. Und ich sehe die Tendenz in unseren Kirchen, dass wir das ganze Wirken Jesu immer mehr vergeistlichen, und dann verliert es seine Handgreiflichkeit.

Ich will ihnen ein paar Beispiele dafür sagen:

Wenn Jesus den blinden Bartimäus geheilt hat, der vorher nichts sehen konnte, so dass er anschließend sehen konnte. Wie oft habe ich dazu eine Predigt gehört, die ungefähr so ging: Damals hat Jesus den blinden Bartimäus geheilt; heute heilt er die Blindheit unseres Herzens. Aber Bartimäus litt nicht Blindheit des Herzens, sondern an Blindheit der Augen. Das war etwas Handgreifliches, das Jesus damals geheilt hatte. Und wir dürfen diese Handgreiflichkeit nicht einfach unter den Tisch kehren und vergeistlichen.

Wenn Jesus mit fünf Broten und zwei Fischen fünftausend Männer satt gemacht hat, natürlich ist das auch ein Hinweis auf die Eucharistie, wenn er dann sagt: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Aber zunächst einmal waren da fünftausend gestandene Männer satt geworden, denen vorher der Magen geknurrt hatte. Das war etwas Handgreifliches.

Und wenn man den Meinungen mancher Theologen heute folgt, dann hätte Jesus, wenn er heute auf einer Hochzeit wäre, nicht mehr Wasser in Wein verwandeln dürfen, das ist viel zu handgreiflich. Dann hätte er vielleicht noch Wasser in Weihwasser verwandeln dürfen. Aber Jesus hat Wasser in Wein verwandelt. Das war handgreiflich.

 

Das ist nicht nur bei Jesus so gewesen, sondern das hat sich im Leben der Apostel, im Leben der Christen immer wieder fortgesetzt. Nach der Auferstehung, nach der Himmelfahrt, nach der Geistsendung, gehen Petrus und Johannes in den Tempel. Da sitzt ein Gelähmter am Tempeltor. Der war nicht gelähmt am Herzen, sondern der konnte nicht laufen. Und Petrus hat ihm gesagt: „Im Namen Jesu steh auf!“ Und der ist aufgestanden.

Jahre später fängt Paulus an zu predigen. Und da heißt es in der Apostelgeschichte: Er saß oben im ersten Stock im Obergemach, er hatte einen Abendgottesdienst, und er hat seine Predigt etwas länger ausgedehnt bis über Mitternacht. Da hat ein junger Mann in der Fensterbrüstung gesessen und ist eingeschlafen. (Gott sei Dank, dass es das damals auch schon gab, dass die Leute bei der Predigt eingeschlafen sind.) Dieser junge Mann fiel rückwärts aus dem Fenster und war tot. Aber die Leute, die Christen um Paulus, sind nicht hingegangen und haben gesagt: „Wir beten jetzt den Rosenkranz für den Verstorbenen.“ Nein, Paulus ist runtergegangen und hat gesagt: „Im Namen Jesu steh auf!“ Der Tote ist wieder auferweckt worden, das war handgreiflich.

 

Schauen Sie in das Leben der exemplarischen Christen, der Heiligen . Ich habe vor kurzem noch eine Biographie gelesen über den heiligen Pfarrer von Ars. Der hat in dem kleinen Dorf Ars in Frankreich ein Waisenhaus gebaut, und es kam eine Hungersnot. Da hat er den Schwestern des Waisenhauses nicht gesagt: „Wir machen jetzt eine Fastenklausur.“ Nein, er ist in die Kirche gegangen und hat gebetet. Und dann hat er zu den Schwestern gesagt: „Seht mal oben auf dem Speicher nach.“ Wie die Schwestern oben nachschauen, da ist der ganze Speicher voller Getreide. Das war handgreiflich.

 

So ist unser Gott, ein Gott mit Fleisch und Knochen.

Sehen Sie die Probleme, mit denen wir in unserem Leben zu tun haben, sind ja auch von Fleisch und Knochen, sind ja auch handgreiflich. Die Sorge um den Arbeitsplatz heute. Da geht es um die Existenz für viele Menschen. Oder meinetwegen die Witterung jetzt für die Ernte, das sind handgreifliche Dinge.

Warum trauen wir unserem Gott nicht zu, dass er in den Handgreiflichkeiten unseres Lebens, wo die Probleme von Fleisch und Knochen sind, dass er da eingreift, dass er da hilft? Warum vergeistlichen wir die Dinge alle? Wir haben einen Gott mit Fleisch und Knochen.

 

Ich möchte ihnen aber in diesen Zusammenhang auch noch einmal Mut machen zu einem anderen Schritt. Es lohnt sich, gelegentlich einmal eine stille Stunde zu halten und dann das eigene Leben zurück zu verfolgen, den roten Faden im eigenen Leben zurück zu verfolgen. Und dann überleg einmal: Wo habe ich in meinem Leben das Eingreifen Gottes erfahren? Wenn man sich einmal die Zeit und die Mühe macht, im eigenen Leben zurück zu blicken, dann wird man entdecken: Es kommt viel häufiger vor, dass Gott handgreiflich in unser Leben eingreift. Wenn man dann anfängt, Gott zu danken, dann wird unser Vertrauen gestärkt, dass er in den handgreiflichen Nöten unserer Tage auch eingreifen wird.

Und wenn man anderen davon erzählt, wo man im eigenen Leben das Eingreifen Gottes erfahren hat, dann wird ein Stück davon Wirklichkeit, was Jesus am Ende des Evangeliums sagt: „Ihr seid Zeugen dafür!“ Ein Zeuge ist einer, der berichtet, was er erlebt hat.   Amen.

 

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