Pfarrer Karl Sendker

Predigten - Hilfen zur Bibelarbeit

Gottesdienste - geistliches Leben

 

5. Fastensonntag C
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Predigten

Predigtverzeichnis  nach Bibelstellen geordnet

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Predigt zur 1. Lesung:  Jes 43,16-21

Predigt zur 2. Lesung:  Phil 3,8-14

Predigt zum Evangelium: Joh 8,1-11

Predigttext:   Jes 43,16-21

Predigt im mp3 Format

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Rückblick zu halten, das kann etwas Wunderbares sein. Wenn im Pfarrheim einen Lichtbildervortrag gezeigt wird, wie es vor 70 Jahren in unserer Gemeinde war, dann ist das ganze Pfarrheim bis auf den letzten Platz gefüllt. Jeder freut sich, wenn er die Bilder von damals noch mal sehen kann. Da geht es ja schließlich auch um unsere Wurzeln. Rückblicke können wunderbar sein.

Es gibt aber auch eine Art zurückzublicken, die ist verhängnisvoll, weil sie unsere ganze Energie lahm legt. Ich will ihnen ein Beispiel dafür sagen. Vor drei Wochen hatten wir in allen Pfarrgemeinden der Bundesrepublik Kirchbesucherzählung. Und der Zufall wollte es, dass wir hier bei uns an diesem Wochenende samstags abends in der Messe zwei Sechswochenämter hatten und zwei erste Jahresämter. Die Kirche war gerammelt voll wie sonst nur zu Weihnachten. Als wir hinterher draußen vor der Kirche standen, da haben mich die Leute so angeschmunzelt und gesagt: „Da haben sie heute aber  Glück gehabt. Ausgerechnet heute, wo Zählung war, war die Kirche so voll.“ Aber wissen Sie, was dann sofort hinterher kommt, vor allem von Älteren: „Ja, früher war die Kirche noch jeden Sonntag so voll, und da hatten wir zusätzlich noch eine Frühmesse. Aber heute, schau dir das doch mal an, die Hälfte der Bänke ist meistens leer.“ „Früher, da war die Kirche noch jeden Sonntag so voll.“

Montags, einen Tag später, haben wir uns getroffen mit allen Seelsorgern. Und dann tauscht man sich natürlich auch über den Kirchenbesuch aus. Ich hab mich schon gar nicht getraut, den Mund aufzumachen, weil unsere Zählung ja eigentlich unrealistisch war. Aber da kommt dann so schnell die Äußerung: „Bei uns sind nur noch zehn Prozent.“ So sagte ein Mitbruder. Das ist auch eine Form des Zurückblickens: „Nur noch zehn Prozent.“

Das klingt nach einer totalen Resignation. Heute haben wir nur noch zehn Prozent, nächstes Jahr haben wir noch acht Prozent. Und wer weiß, wie viel Prozent wir im übernächsten Jahr nur noch haben. Dieses kleine Wörtchen „noch“ das lähmt alle Energie und alle schöpferische Kraft. Wenn man so eine Form des Rückblicks macht, das ist ungefähr so, als wenn man beim Auto den Rückwärtsgang einlegt und sich wundert, dass man nicht vorwärts kommt.

 

Und sehen sie, genau so eine Situation hat das Volk Israel erlebt. Da hatten sie auch, geistlich gesehen, den Rückwärtsgang eingelegt. Das Volk Israel war in der babylonischen Gefangenschaft. König Nebukadnezar hatte Jerusalem dem Erdboden gleich gemacht. Und was kein Jude für möglich hielt, das war Tatsache geworden. Der Tempel in Jerusalem, wo Gott versprochen hatte: „Hier will ich meinen Namen wohnen lassen“, der war bis auf die Grundmauern zerstört. Israel hatte als Volk gleichsam aufgehört zu existieren. Jetzt sitzen sie da in Babylon und wissen vorne und hinten  nicht mehr weiter.

Was macht man in so einer Situation? Rückblick halten! Damals, früher, da waren die Kirchen noch immer so voll. So ähnlich haben die Israeliten auch geredet. Sie haben sich immer die alten Geschichten erzählt: „Damals, als wir noch in Ägypten Sklavendienst tun mussten, da hat Gott uns mit starker Hand aus Ägypten herausgeführt. Mose hat seine Hand über das Wasser des Roten Meeres ausgestreckt, das Wasser hat sich geteilt, und wir konnten trockenen Fußes hindurchgehen. Und als dann die Ägypter hinter uns her kamen, ist das Wasser über sie zusammengeschlagen, und sie sind alle ertrunken.“ Damals, da haben wir noch erlebt, dass Gott eingreift. Aber heute da leben wir vom Rückwärtsgang, da schauen wir immer nur zurück.

Und  in dieser Situation, als Israel in Babylon in der Gefangenschaft war, und total resigniert hat, da fängt Gott plötzlich wieder an zu reden durch einen Propheten, dessen Namen wir nicht kennen. Seine Botschaft ist aufgeschrieben im zweiten Teil des Buches Jesaja.

Da ruft Gott durch diesen Propheten dem Volk zu: „So spricht der, der damals einen Weg durch das Meer gebahnt hat, der Rosse und Wagen im Meer hat umkommen lassen.“ Es stimmt, was ihr euch alles erzählt von früher. Ich bin heute noch derselbe Gott. Aber dann sagt Gott weiter: „Denkt doch nicht immer nur an das, was früher war, schaut nicht immer auf das, was längst vergangen ist. Seht, ich schaffe Neues, es sprosst schon auf. Merkt ihr es nicht?“

Schwestern und Brüder, ich habe ganz tief den Eindruck in meinem Herzen, seit Jahren schon, dass Gott uns, der Kirche in Deutschland das heute zuruft: „Schaut nicht immer auf das, was früher war. ‚Damals war die Kirche immer voll.’ Seht, ich schaffe Neues, es sprosst schon auf. Merkt ihr es nicht?

Gut, es stimmt ja, es bröckelt in der Kirche langsam aber sicher alles mögliche ab. Dass der Kirchenbesuch aufs Ganze gesehen geringer wird, das lässt sich ja nicht verleugnen. Dass Menschen aus der Kirche austreten, das lässt sich ja nicht wegdiskutieren. Aber daneben gibt es noch eine andere Tatsache, dass nämlich überall, auch hier in Deutschland, geistliche Pflänzchen aufsprießen, die Gott wachsen lässt. Es gibt überall auch in unserem Land neue geistliche Gemeinschaften, die wie Pilze aus dem Boden sprießen, und die einen Zulauf haben.

In der Gemeinde, in der ich früher war, ist die „Gemeinschaft der Seligpreisungen“ vor einigen Jahren in ein altes Kloster eingezogen. Die früheren alten Klosterschwestern konnten das Haus nicht mehr halten, weil sie immer weniger wurden. Aber Gott lässt etwas Neues sprießen. Und das hat eine ganz große Anziehungskraft.

Oder wenn auf der einen Seite die Menschen heute sagen: „Die Jugendlichen sind ja gar nicht mehr in der Kirche vertreten, die siehst du ja kaum noch.“ Dann muss man aber auf der anderen Seite auch die Tatsache beachten, dass Hunderttausende von Jugendlichen aus der ganzen Welt in Köln zum Weltjugendtreffen zusammengekommen sind, und eben auch aus unserem Land. Und sie haben sich gegenseitig im Glauben ermutigt und gestärkt.

Ich habe Teilnehmer kennen gelernt, die in Köln dabei waren, oder in Toronto beim Jugendtreffen oder in Rom beim Jugendtreffen. Sie haben immer wieder davon berichtet, wie schön das war, den Glauben gemeinsam zu feiern.

Oder denken sie daran, wie viele Jugendliche nach Taizé fahren. Sie spüren, da ist etwas. Und wir dürfen spüren, dass Gott etwas Neues sprießen und wachsen lässt. Es bröckelt nicht nur alles ab, sondern es wächst auch Neues. Gott ruft uns durch den Propheten zu: „Merkt ihr es nicht?“

Vielleicht sind das bisher nur kleine Sprießlinge. Aber ich bin ganz sicher, dass daraus etwas Neues entsteht. Und ich freu mich schon darauf, das muss ich ehrlich sagen.

 

Wie wird denn dieses Neue, das Gott hier in unserer Kirche in Deutschland wachsen lässt, aussehen? Auch darauf gibt uns heute der Prophet Jesaja eine Antwort. Kennzeichen dieses Neuen, dazu sagt Gott durch den Propheten: „Das Volk, das ich mir selbst gebildet habe, wird mein Lob verkünden.“ Und einen Satz vorher sagt er noch ausdrücklich: „Ich werde in der Wüste einen Weg schaffen.“

Die Wüste ist der Ort, wo alles tot ist, wo nichts mehr wächst. Und wenn wir hier in Deutschland den Eindruck haben, es ist so vieles tot in unserer Kirche, dann ist das eine gute Voraussetzung für Gott. Gerade da, wo kein Mensch mehr damit rechnet, da lässt Gott Neues wachsen.

Dafür ein Beispiel: Im Mittelalter, als es in der Kirche drunter und drüber ging, als es drei Päpste gleichzeitig gab, die sich gegenseitig exkommuniziert haben, als die Bischöfe meist mehr Fürsten waren, die auf Jagd gegangen sind, als es mit der Kirche drunter und drüber ging. Da hat Gott einen Mann erwählt, Franz von Assisi, Franziskus. Und was hat Gott durch diesen Mann die Kirche zum Erblühen gebracht.

Oder ich denke an die Zeit Napoleons, als die Kirche in Frankreich total am Boden lag. Die Wirtshäuser waren gerammelt voll, und die Kirchen waren gähnend leer. Und dann hat Gott einen Mann gebraucht, einen ganz einfachen Pfarrer, Jean Marie Vianney. Der war total ungebildet nach menschlichen Maßstäben. Der war in der Schule in jeder Prüfung durchgefallen. Der hat auch nicht auf der Universität studiert, weil er den lateinischen Vorlesungen nicht folgen konnte. Aber dieser Mann, dieser Jean Marie Vianney, wird in das kleine Dorf Ars versetzt in der Nähe von Lyon in Südfrankreich. Und als er dahin kommt, da sind die Kirchen leer; nur ein paar Leute kamen zur Kirche. Und dann fängt er an, Gott anzubeten und zu predigen. und die Gottesdienste werden immer voller. Die Wirtshäuser konnten in Ars bald dicht machen. Und dann passiert das Wunderbare, dass ‚ganz Frankreich’ nach Ars gepilgert ist, um diesen Pfarrer zu hören, und um bei ihm zu beichten. Man hat eine Postkutschenlinie nach Ars eingerichtet, damit man die Pilgerströme bewältigen konnte, die in dieses kleine Dorf kamen. Dieser Pfarrer von Ars hat im Winter manchmal sechzehn Stunden pro Tag Beichte gehört. Die Menschen spürten: da ist einer, der verkündet uns glaubwürdig das Wort Gottes, wenn er auch als Mensch sehr unbeholfen ist.

Gott sagt bei Jesaja: „In der Wüste“, dort wo keiner mehr damit rechnet, da lass ich was Neues wachsen.

 

Und nun kommt der zweite große Satz. „Das Volk, das ich mir selbst gebildet habe, wird mein Lob verkünden.“ Das bedeutet: Das Neue, was da wächst, wird ganz eindeutig das Werk Gottes sein, und es wird nicht Menschenwerk sein. Die Erneuerung der Kirche kommt nicht von Sitzungen, weder von Sitzungen der Pfarrgemeinderäte, noch des Kirchensteuerrates, noch von Diözesangremien. Nein, es wird ganz deutlich werden, dass da Gott am Werk ist. Das Neue ist nicht auf unserem Boden gewachsen. Das ist eindeutig.

 

Und das zweite. Wie sieht das denn aus? Mit welchen Menschen tut Gott denn dieses neue Werk? Das steht jetzt nicht beim Propheten Jesaja, aber das kann man an der ganzen Geschichte der Kirche ablesen. Ich vermute, dass Gott mit ganz einfachen, schlichten, gläubigen Menschen wieder anfängt um das neue Werk zu bauen. Das neue wird nicht durch Päpste kommen, nicht durch Bischöfe und durch Pfarrer, auch nicht durch Theologieprofessoren, sondern durch ganz einfache Menschen.

Schau dir doch einmal an, als der Sohn Gottes Mensch wurde. Wer war denn da die geistliche ‚Elite’? Nicht die Hohenpriester und die Theologen, die Schriftgelehrten. Nein, das war Maria, ein einfaches Mädchen, das war Josef, das waren Simeon und Hannah, ganz schlichte einfache Leute.

Oder als Jesus dann öffentlich auftritt, wer waren denn die Menschen, mit denen er seine Kirche gebaut hat? Das waren Fischer vom See Genesareth. Die haben vielleicht nie eine Schule von innen gesehen. In der Apostelgeschichte steht einmal von Petrus : „Man merkte, dass er ein einfacher und ungebildeter Mensch war.“ Das konnte man merken.

Und wenn man durch die Kirchengeschichte geht, schau dir doch diesen Pfarrer von Ars an. Nach menschlichem Ermessen konnte man nicht viel mit dem anfangen.

Oder wenn der Apostel Paulus einen Brief schreibt an die Korinther, an die Gemeinde in der Hafenstadt in Griechenland. Da schreibt er da gleich am Anfang des ersten Korintherbriefes: „Schaut euch doch mal um in euerer Gemeinde, da sind nicht viele hohe Tiere nach menschlichen Maßstäben. Was nichts gilt in den Augen der Menschen, das hat Gott erwählt“, um damit das Neue aufzurichten, das er tun will. Und das gilt in unserer Zeit heute genauso.

 

Ein nächster Punkt dieses Neuen, wie das aussehen wird. Es wird von der Wurzel her etwas zu tun haben mit Lobpreis und Anbetung. Gott sagt durch den Propheten Jesaja: „Das Volk, das ich mir selbst gebildet habe, wird mein Lob verkünden.“ Es wird etwas mit dem Lob Gottes zu tun haben. Menschen werden wieder aus einem entbrannten Herzen heraus Gott loben und preisen. Dann singt man nicht mehr „Großer Gott wir loben dich …“ weil der Organist 257 angezeigt hat, sondern weil es im Herzen brennt, und weil es ein Bedürfnis, ist Gott zu loben.

Und auch hier: Schauen sie sich einmal die Erneuerungsbewegungen in der Kirche an. Ganz gleich welche, ob das Cursillo ist oder die charismatische Erneuerung, ob das Taizé ist oder was auch immer. Es ist immer geprägt von einer neuen Hinwendung zum Lobpreis und zur Anbetung, meistens eucharistische Anbetung.

Im Himmel, um den Thron Gottes ist nach der Offenbarung des Johannes ein einziger großer Lobpreis. Und wenn Menschen hier auf der Erde anfangen, Gott zu loben, dann ziehen sie gleichsam ein Stückchen Himmel hier in unsere irdische Realität herunter. Und das wird das Neue sein, was Gott schafft.

Und schließlich ein Letztes, das hängt auch mit dem Lobpreis zusammen. Da sagt Gott: „Das Volk, das ich mir selbst gebildet habe, wird mein Lob verkünden.“ Nicht nur: Sie werden mich loben oder das Lob singen. Sie werden mein Lob verkünden.

Es wird wieder Menschen geben, die draußen auf die Straßen und Plätze gehen und die Großtaten Gottes rühmen, so wie es die Apostel am ersten Pfingstfest getan haben. Es wird wieder Menschen geben, die sich nicht mehr schämen, dass sie Christen sind. Heute gibt es noch zu viele Christen die entschuldigen sich immer, dass sie das alles noch glauben, und dass sie noch sonntags zur Kirche gehen. Nein, es werden Menschen sein, die sich ihres Glaubens und ihres Gottes öffentlich rühmen werden.

Und die Menschen warten auf dieses Zeugnis. Ich kann mich erinnern, wir hatten einmal einen Bibelkurs über zwei Wochen in Mönchengladbach. Da waren Jugendliche dabei, bis hin zu alten Leuten. Und dann sind wir mir dem ganzen Bibelkurs am Samstagnachmittag in die Fußgängerzone von Mönchengladbach gegangen. Wir haben einen großen Kreis gebildet und haben einfach Loblieder gesungen, einfach nur Loblieder gesungen. Und die Menschen, die durch die Fußgängerzone kamen, mussten alle durch diesen Kreis durchlaufen, weil wir die ganze Straße in Anspruch genommen haben. Manche Leute haben uns ungläubig angeschaut, sie wussten nichts damit anzufangen. Manche haben uns angesprochen, dann hatten wir natürlich eine Gelegenheit, von unserem Glauben an Gott zu erzählen. Es hat auch Menschen gegeben, die haben gefragt: „Seid ihr von einer Sekte?“ Es rechnet ja keiner damit, dass Katholiken auf die Straße gehen. Es hat aber auch Menschen gegeben, die dann gesagt haben: „Was sind wir froh, dass endlich auch mal katholische Christen die Straße nicht nur den Sekten überlassen.

Und das schönste, was ich da erlebt habe an diesem Nachmittag: Eine Frau musste durch den Kreis durch, wo wir gesungen haben. Sie war ganz hilflos und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Dann ist sie weiter gegangen, und fünfzig Meter weiter war ein Blumengeschäft. Sie ist ins Blumengeschäft gegangen und hat einen ganzen Arm voll Tulpen geholt und ist zurückgekommen. Dann hat sie jedem von uns eine Tulpe gegeben und hat sich bedankt, dass wir uns unseres Gottes gerühmt haben. Die Menschen brauchen das.

Das wird das Neue sein, dass Menschen wieder anfangen, Gott zu loben und sich des großen Gottes zu rühmen. Gott ruft es heute in unsere Zeit hinein, und ich rechne damit, dass das Wirklichkeit wird. Ich werde es noch erleben, dieses Neue, und Sie auch.

Heute ruft uns Gott zu: „Schaut nicht immer nach hinten, legt nicht immer den Rückwärtsgang ein. Seht, ich schaffe Neues, es sprosst schon auf. Merkt ihr es nicht?“  Amen.

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Predigttext: Phil 3,8-14

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Heute möchte ich Sie mitnehmen auf eine Zeitreise. Wir machen eine Reise etwa eintausendneunhundert Jahre durch die Geschichte zurück. Und wir gehen in den Norden Griechenlands. Der hieß damals Mazedonien. Wir kommen dort in eine kleine römische Kolonie mit dem Namen Philippi. Der Apostel Paulus hatte dort eine kleine Gemeinde gegründet. Ein Brief, den er dorthin geschrieben hat, haben wir noch heute in unserer Bibel. Daraus haben wir eben einen kurzen Abschnitt als Lesung gehört.

 

Eines Tages kommt Paulus auf einer Missionsreise wieder nach Philippi. Die Christen dort freuen sich. Abends haben sie die ganze Gemeinde zu einer Versammlung eingeladen. Es soll ein offener Ausspracheabend sein. Jeder darf den Apostel Paulus etwas fragen. Aber es ist so, wie heute auch oft: Keiner will mit den Fragen den Anfang machen. Schließlich zeigt ein Mann auf: „Paulus, ich hab da mal eine Frage. Sag mal, warum führst du eigentlich so ein Leben? Du weißt heute noch nicht, wo du übermorgen schlafen sollst. Du stehst immer mit einem Bein im Gefängnis. Überall in allen Synagogen werfen dich die Juden – deine Brüder, wie du sagst – raus. Du hast doch so ein Leben gar nicht nötig. Du kommst doch aus einem reichen Elternhaus, hast eine hervorragende Schulausbildung ... Warum führst du so ein unstetes Leben?  Und wenn ich gleich noch eine Frage anschließen darf: Du predigst immer nur von Christus. Montags Christus, mittwochs Christus, sonntags Christus, das ist doch total einseitig. Natürlich ist Christus der Mittelpunkt. Aber es gibt doch so viele andere Themen, die auch mal interessant wären. Als du weg warst, da waren andere Prediger hier. Die haben interessante Themen gehabt; die hättest du mal hören sollen. Die Leute hier in der Gemeinde haben schon gesagt: Der Paulus ist ein Spinner, der ist fanatisch.“

Im Gemeindesaal von Philippi wurde es totenstill. „Das der sich traut, so was zu sagen“, flüsterten einige. Was wird der Apostel Paulus jetzt antworten?

Paulus saß da mit gesenktem Kopf und hatte sich alles angehört. Einen Augenblick zögerte er. Dann stand er auf und schaute den Frager an: Ich will euch eine Antwort auf eure Fragen geben. Ich will mal beim letzten Punkt anfangen. Ihr sagt: Immer nur Christus ... predigt er. Wisst ihr, es hat eine Zeit gegeben, da habe ich diesen Jesus Christus gehasst. Wenn er sagte, dass er der Messias, der Sohn Gottes sei, das konnte ich einfach nicht annehmen. Das ist Gotteslästerung in Vollendung. Gerade weil ich Gott liebte, habe ich diesen Mann aus Nazareth gehasst. Ich habe auch alle seine Anhänger, die Jünger gehasst, weil sie glaubten und verkündeten, dass dieser Jesus der Sohn Gottes sei. Gotteslästerung! Und ich habe in Jerusalem die Jünger verfolgt, ich habe sie gefangen nehmen lassen und ins Gefängnis werfen lassen. Wenn es in Jerusalem dunkel wurde und es klopfte bei den Christen an der Haustür, dann sind sie zusammengezuckt, weil sie dachten: Das ist der Saulus, der will uns holen. Ich habe wirklich geglaubt, ich würde damit Gott ehren.

Aber dann passierten zwei Ereignisse, die haben mein Leben geradezu auf den Kopf gestellt. Da gab es in Jerusalem einen jungen Mann, er hieß Stephanus, er war ungefähr so alt wie ich. Der hat für diesen Jesus gebrannt. Und immer, wenn er mit anderen zusammen war, hat er über diesen Jesus gesprochen. Wir haben mit ihm diskutiert, stundenlang, aber wir konnten ihn nicht in die Enge treiben. Und dabei blieb er immer gleich bleibend freundlich, während ich innerlich vor Wut kochte. Einmal standen wir wieder zusammen, und da hab ich es einfach nicht mehr ertragen. Ich hab zu den anderen jungen Leuten gesagt: Das ist Gotteslästerung, das dar man nicht mit anhören: ‚Steine werfen, steinigen!’ Und dann haben sie Pflastersteine genommen und haben den Stephanus mit diesen Steinen beworfen bis er zusammenbrach. Aber als er zusammensackte, rief er laut: ‚Herr Jesus, rechne ihnen das nicht als Sünde an!’ Und sein Gesicht hat geleuchtet wie das eines Engels. Ich hab es nicht mehr ausgehalten. Ich bin weggerannt. Mein Hass auf diese Jesusjünger war so groß, wie nie zuvor. Ich bin zu den Hohenpriestern gegangen. Ich hab mir schriftliche Vollmacht geben lassen, um in Damaskus die Jünger ins Gefängnis zu werfen. Ich konnte Jerusalem nicht mehr ertragen.

Und dann, auf dem Weg nach Damaskus kam das zweite Ereignis, das mich buchstäblich vom Pferd geworfen hat. Wir waren schon kurz vor der Stadt; wir konnten von weitem schon die Stadtmauer sehen, da sah ich plötzlich einen Lichtglanz, der mich völlig geblendet hat. Ich lag auf dem Boden und konnte nichts mehr sehen. Es war wie ein Blitz. Ich hielt den Arm vor die Augen, aber ich konnte mich vor dem Licht nicht schützen. Dann hörte ich eine Stimme: ‚Saul, Saul, warum verfolgst du mich?’ Ich stammelte nur: ‚Wer bist du, Herr?’ Die Stimme rief mir zu: ‚Ich bin Jesus, den du verfolgst!’ In diesem Augenblick ist mit mir etwas geschehen. Ich kann es nicht genau beschreiben. Ich wusste plötzlich mit völliger Gewissheit: Dieser Jesus ist wirklich der Sohn Gottes. Der Stephanus und die anderen Jünger haben recht gehabt. Meine leiblichen Augen waren geblendet. Aber mit meinem Herzen sah ich Jesus, den Sohn Gottes in seiner ganzen Herrlichkeit, mit seinem ganzen Lichtglanz.

Aber dann ging es mir ebenfalls blitzartig durchs Herz: Wenn das stimmt, dass Jesus wirklich der Sohn Gottes ist, dann bin ich der größte Sünder, dann bin ich der größte Lump, der über diese Erde geht. Denn ich habe ihn gehasst, ich habe ihn verfolgt, ich habe seinen glühendsten Jünger steinigen lassen. Es war ein schrecklicher Augenblick. Ich richtete den Kopf hoch und fragte: ‚Was soll ich tun, Herr?’ Die Stimme sagte zu mir: ‚Steh auf, ich will dich zu den Heiden senden. Du sollst ihnen die Augen öffnen, dass sie sich zu Gott bekehren.’

In dem Augenblick spürte ich: Er hat mich nicht weggestoßen, obwohl ich ihn gehasst habe. Er macht mich zum Apostel, zum Gesandten, obwohl ich seine Apostel verfolgt habe. Ich habe auf einmal verstanden, warum er während seiner Erdenzeit die Ehebrecherin nicht verurteil hat, obwohl auf Ehebruch Steinigung steht. Ich habe verstanden, warum er mit Zöllner und Dirnen gegessen hat. Ich habe verstanden, warum er keinen Menschen verachtet hat, auch wenn er moralisch ganz tief gefallen war. Er hatte ja nicht einmal mich weggestoßen, wo ich doch der größte Sünder bin. Es war in einem einzigen Augenblick ein totales Wechselbad der Gefühle.

Und jetzt will ich zu euren Fragen kommen. Seit ich vor Damaskus Jesus, dem Sohn Gottes begegnet bin, kann ich nicht mehr von Jesus schweigen. Ihr wisst ja: Wovon das Herz voll ist, davon läuft der Mund über. Ich habe heute auch so ein brennendes Herz wie der Stephanus. Und ich möchte auch so meine Feinde lieben können wie er. Er war Jesus ganz ähnlich geworden. Ich möchte nur noch eins: Jesus tiefer erkennen, ihm tiefer begegnen, weil ich von ihm ergriffen worden bin.

Es stimmt ja, was ihr sagt: Ich habe ein reiches Elternhaus. Ich habe Zeltmacher gelernt, ein lohnenswerter Beruf. Ich habe die beste Ausbildung an den Hochschulen gehabt. Ich hätte eine Karriere als Pharisäer machen können. Aber alles das, was mir früher wichtig war, was mir früher Gewinn bedeutete, das sehe ich heute als Verlust an. Jesus zu erkennen, ihn als Herrn zu haben, übertrifft alles. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben. Ich halte es für Mist, für Unrat (um nicht ein stärkeres Wort zu gebrauchen). Für mich gibt es nur noch eins: Christus gewinnen und in ihm zu sein, mit ihm verbunden zu sein.

Früher hab ich immer geglaubt, ich bin dann in den Augen Gottes gerecht, wenn ich möglichst viel tue, um sein Gesetz zu halten. Heute habe ich erkannt: Es kommt darauf an, was ER für mich getan hat. Ich glaube einfach, dass er alles für mich getan hat, und dass ich dadurch in den Augen Gottes ok bin. Dabei stehe ich erst ganz am Anfang. „Ich bilde mir nicht ein, dass ich es schon ergriffen hätte. Eines aber tue ich: Ich vergesse, was hinter mir liegt und strecke mich aus nach dem, was vor mir ist. Das Ziel vor Augen, jage ich dem Siegespreis nach, der himmlischen Berufung die Gott uns in Christus Jesus schenkt.“

Wenn ich es noch einmal auf den Punkt bringen soll: Jesus hat einmal eine Geschichte erzählt. Da fand ein Bauer beim Pflügen einen Schatz im Acker. In seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er hatte und kaufte sich diesen Acker. Dann war der Schatz sein eigen. So einen Schatz habe ich gefunden, als Jesus mir begegnete. Dafür gebe ich alles auf. Mein ‚Schatz’ geht mir über alles.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

nach Paulus hat es ungezählte Menschen gegeben, die in Jesus ihren ‚Schatz’ gefunden habe. Es mag so viele Durchschnittschristen geben, die das nicht verstehen, wie man für Jesus alles aufgeben kann. Aber wenn du deinen Schatz gefunden hast ...

Ich selbst erinnere mich noch genau, wie ich diesen Schatz kurz nach meiner Priesterweihe gefunden habe. Ich saß samstags abends auf er Bettkante und las beim Abendgebet noch kurz in der Bibel. Da war an diesem Abend des letzte Wort Jesu am Kreuz dran: ‚Es ist vollbracht.’ Da ist mir im tiefsten Herzen klar geworden: Die ganze Erlösung ist bereits vollbracht. Da ist für Jesus nichts mehr zu tun. Er sagt nicht: ‚Ich werde es vollbringen’, sondern ‚Es ist vollbracht’ Vielleicht kann das ein Außenstehender gar nicht im Tiefsten erfassen. Aber für mich war das wie ein ‚Damaskuserlebnis’, das ich nicht missen möchte, das mein Leben und meinen Glauben bis heute tief geprägt hat.

Ich wünsche Ihnen allen in den verbleibenden Tagen der Vorbereitung auf das Osterfest nur dieses eine: dass Sie in Jesus Ihren Schatz finden. Dann lass die Anderen ruhig sagen: Das ist ja einseitig, das ist ja fanatisch. Du weißt jedenfalls, was du in Jesus hast. Amen.

 

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Predigttext:   Joh 8,1-11

Predigt im mp3 Format

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Wie geht Gott mit einem Menschen um, der offensichtlich schwer schuldig geworden ist? Und wie möchte Gott, dass wir mit solchen Menschen umgehen? Das ist das Thema unseres Evangeliums heute.

Die Sachlage ist ganz eindeutig: Da war eine Frau auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt worden. Da gab es nichts mehr zu beschönigen, die Sachlage war eindeutig. Und genau so eindeutig war, was für diesen Fall im Alten Testament, im Wort Gottes, als Strafe vorgesehen war. Wenn eine Frau auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt wird so lautet die Strafe: Tod durch Steinigung. So soll das Böse in Israel ausgerottet werden. Das steht so im Buch Deuteronomium.

Und jetzt kommen sie, die Pharisäer mit der Frau, die sie auf frischer Tat ertappt haben. Sie bringen sie zu Jesus: „Hier, wir haben diese Frau auf frischer Tat ertappt. Was sagst du dazu? Bitte!“

Aber dann reagiert Jesus total anders, als sie sich das vorgestellt hatten.

Wie geht Gott mit einem Menschen um, der offensichtlich schwer in Sünde gefallen ist?

Dazu heute in dieser Predigt drei wichtige Gedanken:

 

Ein Erstes:

Vorrang hat für Gott der Mensch und nicht der Buchstabe des Gesetzes. Gott ist nicht ein Paragraphenreiter, der ständig mit dem Gesetzbuch herumläuft oder mit der Tafel mit den 10 Geboten, und der ständig den Finger darauf legt. „Wann hab ich den Menschen endlich einmal erwischt?“

Gott hat den Menschen doch nicht die Gebote gegeben, um anschließend daraus einen Knüppel zu machen, und den Menschen mit dem Knüppel auf den Kopf zu schlagen. Gott hat die Gebote gegeben, damit das Leben der Menschen und das Zusammenleben der Menschen gelingen kann. Der Mensch steht im Vordergrund und nicht das Gebot.

Wenn Gott in den 10 Geboten gesagt hat: Du sollst nicht die Ehe brechen, dann hat er dieses Gebot doch nicht gegeben, um uns Menschen den Spaß zu verderben. Er will vielmehr die Ehe schützen, dieses Gebilde, das damals wie heute so angefochten ist, wo die Leute doch heute sagen: „Du bist ja verrückt, wenn du deinem Partner treu bist.“

Wenn man dauernd mit solchen Versuchungen leben muss, das geht an die Nieren. Und weil Gott weiß, wie schwer die eheliche Treue zu leben ist, darum hat er dieses Gebot gegeben, damit die Ehe geschützt wird.

Und wenn ein Mensch wirklich einmal in Sünde gefallen ist, schwer in Sünde gefallen ist, dann geht es Gott nicht darum, einen Gesetz Genüge zu tun, sondern es geht ihm darum, diesem gefallenen Menschen wieder auf die Beine zu helfen. Ihn wieder aufzurichten, und nicht, um ihn zu zerstören und zu verurteilen.

Das steht übrigens schon im Alten Testament an etlichen Stellen. Zum Beispiel sagt Gott durch den Propheten Ezechiel: „Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern ich will, dass er sich bekehrt und lebt.“ Dass das Leben des Menschen gelingt, das ist das Ziel Gottes.

Die Pharisäer wollten dem Gesetz Genüge tun: „Hier steht es schwarz auf weiß.“ Aber so ist Gott nicht. Für Gott hat der Mensch Vorrang und nicht der Buchstabe des Gesetzes.

Ich denke, wir Christen, vor allem auch wir Katholiken, haben allen Grund, uns an die Brust zu schlagen. Wir verfahren mit Menschen, die in Schuld gefallen sind, oft nur nach dem Buchstaben des Gesetzes. Ich denke z.B. an eine Frage, die heute in unserer katholischen Kirche sehr zur Diskussion steht: Wie gehen wir mit Menschen um, deren Ehe gescheitert ist? Die dann wieder geheiratet haben, und die jetzt darum bitten, wieder zu den Sakramenten zugelassen zu werden.

Natürlich kannst du dann das kirchliche Gesetzbuch nehmen, Paragraph für Paragraph durchgehen, und dann ist die Sache erledigt. Aber vielleicht ist dann der betroffenen Mensch auch erledigt. Ich weiß nicht, ob nicht Jesus in einem solchen Fall den Menschen sehen würde, dem geholfen werden muss. Ob wir das genug tun in unserer Kirche?

Natürlich darf man daraus jetzt nicht unbedingt einen Präzedenzfall machen: Weil der das darauf, dürfen alle anderen das auch. Da richten wir dann ja ein neues Gesetz auf. Nein, es ist wichtig, dass wir in der Seelsorge den einzelnen Menschen, auch in seiner Zerbrochenheit, auch in seiner Schwachheit, sehen, ihm helfen, und ihn wieder aufrichten. So ist Gott. Und so möchte Gott, dass wir mit den Menschen umgehen.

 

Ein Zweites, und das ist jetzt genau so wichtig, damit das erste nicht einseitig wird:

Gott verurteilt Sünde, aber er verurteilt nicht den Sünder. Das ist ein Unterschied. Gott wird mit aller Macht gegen Sünde vorgehen, weil Sünde den Menschen zerstört. Das sieht man auf den ersten Blick vielleicht nicht, aber es ist so. Sünde zerstört das Verhältnis des Menschen zu Gott, Sünde zerstört das Verhältnis der Menschen untereinander, und Sünde zerstört den Frieden im eigenen Herzen.

Darum wird Gott niemals zulassen, dass Du Sünde in Deinem Leben tolerierst, dass Du Dich an Sünde gewöhnst. Er wird immer seinen Finger auf diesen wunden Punkt legen. Er wird Dir vielleicht schlaflose Nächte bereiten, er wird Dir ein schlechtes Gewissen machen, ich weiß es nicht. Aber er wird niemals zulassen, dass Du Sünde in deinem Leben tolerierst. Sünde ist nicht eine Bagatelle, wie man heute oft sagt.

Wenn Du wissen willst, wie buchstäblich todernst Gott die Sünde nimmt, dann schau Dir den gekreuzigten Jesus an. Glaubst du denn, der Sohn Gottes hätte drei Stunden am Kreuz geblutet, wenn Sünden nur eine Lappalie wäre?

Gott verurteilt die Sünde. Aber auf der anderen Seite gilt: Gott verurteilt nie einen Sünder. Es gibt keinen einzigen Fall im Neuen Testament, wo Jesus einen Sünder, der gefallen war, verurteilt hätte. Da kann eine Hure, eine Dirne, zu ihm kommen, und kann sich an seinen Füßen ausweinen, so dass die ganzen Frommen, die Pharisäer, mit dem Finger darauf zeigen und sagen: „Wenn der ein Prophet wäre, dann müsste er doch wissen, was das für eine ist, von der er sich berühren lässt.“

Aber Jesus sieht die Not dieser Frau, und er gibt ihr eine neue Würde. Er lässt nicht zu, dass die anderen, die Frommen über diese Frau die Nase rümpfen.

Oder schau Dir den Zachäus an, den Erzgauner von Jericho. Das war ein Berufssünder. Und Jesus mit dem ist zum Essen gegangen. Das ist ungefähr so, als wenn wir heute mit einem Menschen Bruderschaft trinken. So hat Jesus diesen Mann behandelt, und dadurch hat er sich bekehrt.

Oder schau Dir den Schächer am Kreuz an, diesen Straßenräuber und Mörder. Der hing rechtskräftig verurteilt am Kreuz; der konnte nichts wieder gutmachen. Und dann sagt Jesus ihm gleichsam in seiner letzten Minute: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“

Es gibt wirklich keinen einzigen Fall, wo Jesus einen Sünder verurteilt hätte. Das haben die Pharisäer getan.

Aber umgekehrt: Jesus hat oft die Frommen verurteilt, die Theologen, die Pharisäern, wegen ihrer Heuchelei, weil sie dachten: „Bei mir ist nichts vorgekommen.“

Mir ist so kostbar eine kleine Szene aus den Osterberichten. Da hatte der Petrus Jesus dreimal verleugnet. Er hatte geschworen: „Ich kenne diesen Jesus gar nicht.“ Er und die anderen Jünger sind alle abgehauen, als Jesus gefangen genommen wurde. Und dann steht Jesus am Osterabend in Jerusalem plötzlich mitten unter ihnen. Aber dann: kein einziger Vorwurf, sondern einfach nur: „Friede sei mit euch.“

Das bedeutet Erlösung. Jesus verurteilt nicht den Sünder, mit ihm hat er Erbarmen. Und er geht jedem gefallenen Sünder nach wie dem verlorenen Schaf, bis er es findet.

 

Ein Drittes: Gott schaut in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit.

Die Pharisäer, die die Frau zu Jesus gebracht haben, die wollten mit ihrer Vergangenheit abrechnen, mit ihrem Ehebruch. Aber Gott fragt nicht, wo Du gestern gewesen bist. Gott sieht Dich heute, und er blickt mit dir zusammen in die Zukunft.

Jesus sagt dieser Frau am Ende: „Hat dich keiner verurteilt? Ich verurteile dich auch nicht!“ Und jetzt kommt der entscheidende Satz: „Geh hin, und sündige von jetzt an nicht mehr.“ Ja, Sünde wird Sünde genannt, aber dann heißt es: von jetzt an. Da wird der Blick in die Zukunft gerichtet; es wird ihr eine neue Chance gegeben, einen neue Perspektive für das Leben in Zukunft: „von jetzt an ...“

Wenn man wissen will, wie wichtig das heute für uns ist in unserer Gesellschaft, dann schauen Sie sich einmal an, wie man heute in unserer Gesellschaft zum Beispiel mit Politikern umgeht. Wenn sich heute irgendein Politiker etwas zu Schulden kommen lässt, dann heißt es sofort: „Der muss seinen Hut nehmen.“

So ist Gott nicht! Gott rechnet nicht mit der Vergangenheit ab, sondern Gott eröffnet eine neue Lebenschance für die Zukunft. Und damit darf jeder von uns rechnen.

Jeder von uns, der heute hier in der Kirche ist, ist Sünder. Und wenn einer sagt: „Ich bin kein Sünder, bei mir ist nichts vorgekommen“, dann ist er ein Lügner. Das behaupte nicht ich, das sagt das Neue Testament im ersten Johannesbrief.

Und wie schwer tun wir uns heute mit dem Sakrament der Sündenvergebung, mit der Beichte! Wie schwer tun wir uns heute, obwohl jeder weiß, das er Sünder ist, Gott in unser Herz hinein schauen zu lassen, und unser Herz einmal vor Gott offen zu legen.

Könnte es daran liegen, dass wir ein falsches Gottesbild haben? Wir messen Gott an der Art, wie man in unserer Gesellschaft, und oft auch in der Kirche, mit Sündern umgeht.

Dann lass Dir heute von diesem Evangelium her ein neues Bild von Gott in Dein Herz malen.

Das Bild eines Gottes, dem der Mensch wichtiger ist als der Buchstabe des Gesetzes.

Das Bild eines Gottes, der nicht den Sünder verurteilt, sondern die Sünde; der mit dem Sünder Erbarmen hat.

Und das Bild eines Gottes, der nicht abrechnet mit Deiner Vergangenheit, sondern, der Dir eine neue Zukunftsperspektive eröffnet.

Jesus hat diese Ehebrecherin aufgerichtet. Und alle, die die Frau verurteilen wollten, sind abgehauen. Jesus möchte Dich genauso aufrichten. Lass es doch an Dir geschehen.   Amen.

 

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