Pfarrer Karl Sendker  

 

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6. Ostersonntag A
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Predigten

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Predigt zur 1. Lesung: Apg 8,5-8.14-17    Predigt im mp3 Format

Predigt zum Evangelium: Joh 14,15-21    mp3     Video

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Predigttext:      Apg 8,5-8.14-17   

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Mit der ersten Lesung dieses Sonntags sind wir an einer Nahtstelle der Apostelgeschichte. Unmittelbar vor seiner Himmelfahrt hatte Jesus den Aposteln gesagt: „Ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch kommt. Und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem, in Samarien, und bis an das Ende der Erde.“

 

Der erste Teil der Apostelgeschichte spielt in Jerusalem und erzählt vom Leben der Urgemeinde, die sich nach der Himmelfahrt Jesu gebildet hatte.

Der letzte Teil der Apostelgeschichte sind die großen Missionsreisen des Apostels Paulus, bis schließlich die Botschaft des Evangeliums ungehindert in Rom, in der Hauptstadt der römischen Reiches verkündet werden konnte. „Bis an das Ende der Erde“, hatte Jesus gesagt.

Und jetzt sind wir in Samarien, in diesem Mittelstück. „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem, in Samarien und bis an das Ende der Erde.“ Wir sind an dieser Nahtstelle, wo das Evangelium nach Samarien kommt.  

 

Jesus selbst hatte auch in Samarien eine Begegnung mit einer Frau am Jakobsbrunnen. Vielleicht kennen Sie diese Geschichte von der Samariterin am Jakobsbrunnen, die uns im vierten Kapitel des Johannesevangeliums berichtet wird. Dort kommt ein ganzes Dorf zum Glauben an den Messias durch das Glaubenszeugnis dieser Samariterin. Aber dann sagt Jesus in dieser Geschichte den Jüngern, die vom Einkaufen zurückkommen: „Sagt ihr nicht, es dauert noch vier Monate (das heißt, es dauert noch lange), bis die Zeit der Ernte kommt. Ich aber sage euch: Erhebt eure Augen und seht: die Felder sind reif zur Ernte.“

Genau das erlebt man hier beim Wirken des Philippus in Samarien: Die Felder sind reif zur Ernte. Samarien ist reif für die Botschaft von Jesus Christus dem Erlöser, für die Botschaft vom Reich Gottes, von der Königsherrschaft Gottes.

 

Samarien war damals weiß Gott kein einfaches Pflaster. Es war eine Landschaft in Israel, die durchzogen war von einer Mischreligion. Da gab es auf der einen Seite noch wahren Glauben. Aber auf der anderen Seite war dieser wahre Glaube auch mit viel Aberglaube durchzogen. So ähnlich wie zum Beispiel bei uns ja auch die Zeugen Jehovas noch irgend etwas Christliches an sich haben. Aber es hat sich sehr viel Sektiererisches damit vermischt. Und so kommt es, dass die Juden damals mit dem Samariter praktisch keinen Kontakt pflegten. Aber Jesus sagt von dieser Landschaft Samarien: „Erhebt eure Augen, die Felder sind reif zur Ernte.“ Und genau das erleben wir hier in dieser Geschichte über das Wirken des Philippus.

 

Einmal eine Zwischenfrage an uns. Die Situation bei uns ist ja auch nicht einfach. Auch in unserem Land gibt es heute Christliches. Aber es vermischt sich auch bei uns heute mit vielen Neuheidnischem, wo man meint, alles mit dem christlichen Glauben vereinbaren zu können. Und wir leiden ja heute darunter, dass es so schwer ist, den Glauben in unserer Zeit an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Und dann an uns die Frage: Können wir glauben, dass so ein Wort Jesu auch für unsere Situation gilt: „Erhebt eure Augen, schaut aus der Perspektive Gottes: die Felder sind reif zur Ernte.“ Vielleicht müssen wir wieder neu lernen, die Perspektive Gottes zu haben, um dann mit Freude und Zuversicht die Botschaft von Jesus Christus zu verkünden, so wie Philippus das getan hat in Samarien.

 

Übrigens: Dieser Philippus, der nach Samarien gekommen ist und Jesus Christus verkündigt hatte, ist nicht der Apostel Philippus, sondern er ist einer von den Sieben, die wir Diakone nennen, die im 6. Kapitel der Apostelgeschichte gewählt werden, weil die Witwen der Hellenisten bei der Essensversorgung übersehen worden waren. Da hat man diese Sieben gewählt. Der bekannteste von diesen sieben ist vielleicht Stephanus. Zu diesen Sieben gehört auch der Philippus.

Hier zeigt sich aber auch, dass der Auftrag der Diakone nicht nur darin bestand, die Witwen mit Essen zu versorgen, sondern dass sie einen wichtigen Verkündigungsdienst übernommen hatten. Wir erleben das bei Stephanus, der dafür mit dem Leben bezahlt hat. Wir erleben das aber auch hier bei Philippus, der als erster den Schritt über Judäa hinaus tut und in Samarien das Wort Gottes, die frohe Botschaft von Jesus Christus verkündigt.

 

Es wird sehr ausdrücklich gesagt, was Philippus dort tut. Er verkündigt Jesus Christus. Er hat nicht über irgendwelche Dinge geredet, die vielleicht auch interessant gewesen wären, die vielleicht damals in aller Munde waren. Nein, das einzige große Thema seiner Verkündigung hieß Jesus Christus. Natürlich schwingt seine ganze Liebe zu diesem Jesus in seiner Verkündigung mit.

Einige Verse später, das wird in unserer Lesung nicht mehr mitgelesen, heißt es: „Er verkündigte dem Namen Jesu Christi und das Reich Gottes, die Königsherrschaft Gottes.“ Das war das große Thema seiner Verkündigung: der Name Jesus Christus und die Königsherrschaft Gottes.

Zur Königsherrschaft Gottes gehören nicht nur begeisternde Worte. Das wissen wir schon aus der Verkündigungstätigkeit Jesu. Die Königsherrschaft Gottes bedeutet auf der einen Seite: Gott ist König, er ist der Herr, und wir sind von ihm abhängig. Aber Königsherrschaft Gottes bedeutet auch, dass dann unter der Verkündigung Zeichen und Wunder geschehen. Und das erleben die Menschen hier in Samarien bei Philippus. Sie haben nicht nur Worte gehört, sondern da konnte man etwas sehen. Da hat Philippus Kranke geheilt, oder besser gesagt: Jesus hat durch Philippus Kranke geheilt. Da sind Besessene frei geworden von unreinen Geistern. Da konnte man etwas sehen, da konnte man etwas erleben.  

 

Und die Frage an uns heute ist: Gibt in unseren Kirchen nicht eine Inflation von Worten, guten Worten, guten Predigten, guten Vorträgen, guten Seminaren. Aber kann man bei uns, in unserer Kirche, noch etwas sehen von der Königsherrschaft Gottes?

 

Ich bin so froh, dass in den letzten Jahrzehnten in vielen Erneuerungsbewegungen quer durch alle Konfessionen hindurch auch wieder die Kraft Gottes sichtbar wird, die heilende Kraft Gottes. Dass es auch in unserer Kirche wieder Heilungsgottesdienste gibt, wo man miterleben kann, wie die Kraft Gottes wirkt. Das öffnet den Menschen den Blick, und das öffnet den Menschen das Ohr.

 

Damit wir uns nicht missverstehen: Es geht nicht darum, wundersüchtig zu sein. Es geht nicht um Wunder an sich. Darum wird auch in der Bibel häufiger von „Zeichen“ geredet, die auf etwas hinzeigen wollen, die darauf hinzeigen wollen, dass die verwandelnde Kraft Gottes, die bei der Auferstehung sichtbar wurde, hier in dieser Welt durch Gott freigesetzt wird.

Das ist Evangelium, das ist Verkündigung der Königsherrschaft Gottes.

 

Ganz am Ende des Markusevangeliums, im allerletzten Vers, heißt es: „Die Jünger zogen hinaus und predigten überall. Und der Herr wirkte mit ihnen mit, und bestätigte ihr Wort durch die begleitenden Zeichen und Wunder.“ Das ist das Geheimnis, dass auf der einen Seite eine ganz klare, eindeutige Verkündigung geschieht, dass man nicht alles Mögliche predigt, sondern dass im Mittelpunkt der Verkündigung Jesus Christus und die Königsherrschaft Gottes steht. Und dass sich auf der anderen Seite die Kraft Gottes in Zeichen und Wundern zeigt.

 

Nun steht hier dabei, dass aus vielen Besessenen unter lautem Geschrei die unreinen Geist aus gefahren sind. Ich möchte auf dieses Thema jetzt nicht eingehen. Aber wir erleben das immer wieder in der Verkündigungstätigkeit Jesu und der Apostel, und auch im Laufe der Kirchengeschichte: Wo das Wort Gottes machtvoll verkündet wird, da treten auch die Mächte der Finsternis auf den Plan. Und da gilt es, diesen Mächten der Finsternis im Namen Jesu zu begegnen. Auch das muss man wissen.

 

Und es ist kein Wunder, wenn solche Verkündigung geschieht, und wenn die verwandelnde Auferstehungskraft Gottes sichtbar wird, dass dann große Freude herrscht in jener Stadt. Da war nichts Gequältes, sondern da war große Freude. Da spürt man wieder etwas davon, dass die Botschaft des Evangeliums wirklich eine Frohe Botschaft ist, ein Evangelium im buchstäblichen Sinne.

 

Aber jetzt kommt der zweite Teil unserer Lesung, und das ist für uns heute auch etwas ganz Wichtiges. Die Apostel in Jerusalem hören davon, dass Samarien das Wort Gottes angenommen hat.

 

Übrigens da fällt in diesem Zusammenhang auf: Auf den ersten Blick ist das eine maßlos Übertreibung. Samarien, die ganze Landschaft Samarien hat das Wort Gottes angenommen. Da hat es vielleicht eine relativ große Zahl von Menschen gegeben, die das Wort Gottes angenommen haben. Und ist dann nicht der Ausdruck „Samarien hat das Wort Gottes angenommen“ eine maßlose Übertreibung? Auf den ersten Blick gesehen, ja.

Aber dahinter steht etwas ganz Wichtiges: Die ersten Christen und die Apostel in Jerusalem haben noch etwas davon gewusst: Wenn Menschen wirklich zu Jesus Christus gefunden haben, dann sind sie wie ein Sauerteig, der alles durchsäuert. Und wenn Jesus Christus, wenn die Botschaft von der Königsherrschaft Gottes, bei einigen Menschen wirklich Fuß gefasst hat, dann verbreitet sie sich weiter. Damit hängt auch zusammen, dass jeder, der damals Christ wurde, gleichzeitig auch Verkündiger wurde und den Glauben weitergegeben hat. Es ist wie ein Sauerteig.

 

Also, die Apostel in Jerusalem hören davon und sie schickten Petrus und Johannes dorthin. Sie beteten unter Handauflegung für die Menschen dort, dass sie den Heiligen Geist empfingen.

Man ist fast geneigt zu sagen: Das war die erste Visitationsreise, so wie heute die Bischöfe bei Visitationsreisen in die Gemeinden kommen, dort unter Handauflegung das Sakrament der Firmung spenden, und so den Menschen den Heiligen Geist vermitteln.  

Eins scheint mir bei diesem zweiten Teil der Lesung für unsere Situation heute wichtig zu sein: Es gibt heute in allen Konfessionen Erweckungsprediger, charismatische Verkündiger, besonders auch in den Freikirchen. Prediger, die mit großer Kraft Jesus Christus verkünden.

Aber eins ist wichtig und notwendig: dass diese begeisternde Verkündigung rückgebunden wird an das Amt in der Kirche, an das Petrusamt.

Petrus und Johannes gehen nach Samarien. Und es geht jetzt nicht darum, dass sie eine Visitation halten in dem Sinne, dass sie nach dem Rechten schauen wollen, und vielleicht den ganzen geistlichen Aufbruch abblocken wollen. Es geht vielmehr darum, dass diese ganze Dynamik, dass dieser ganze Aufbruch, der in Samarien geschieht, rückgebunden wird an das Amt in der Kirche. Auch heute brauchen die vielen geistlichen Aufbrüche unserer Zeit die Rückbindung an das Amt.

 

Eins ist auf jeden Fall wichtig: Der Heilige Geist ist die treibende Kraft nicht nur damals in der Apostelgeschichte, sondern auch heute. Kraft durch den Heiligen Geist. Das war den Aposteln wichtig. Darum sind sie nach Samarien gegangen. Und als sie spüren, dass dort die Menschen zwar getauft worden sind, dass man aber nichts spürt von der Kraft des Heiligen Geistes, da legen sie ihnen die Hände auf, damit sie den Heiligen Geist empfangen.

 

Wir stehen jetzt in der zweiten Hälfte der Osterzeit kurz vor dem Pfingstfest. Lasst uns diese Zeit vor Pfingsten nutzten, darum zu beten, dass aufs Neue der Heilige Geist ausgegossen wird auf die ganze Kirche und auf jeden einzelnen von uns. Amen.

 

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Predigttext:   Joh 14,15-21

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Wenn sich zwei Menschen auf der Straße über ein belangloses Thema unterhalten, dann darf man bei einem solchen Gespräch nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Und wenn zwei Menschen Streit miteinander haben, ein Wortgefecht, dann gilt genau das gleiche. Da sagt man so manches, und es ist nicht gut, dann die Worte auf die Goldwaage zu legen.

Aber jetzt stell Dir einmal vor: Da ist ein alter Vater, der auf dem Sterbebett liegt, und der jetzt seine ganze Familie noch einmal zusammenruft, um sich von ihnen zu verabschieden. Dann hat jedes einzelne Wort, das dieser Vater den Seinen mitgibt, ein großes Gewicht. Und wenn er gestorben ist, dann tun die Angehörigen das buchstäblich: Jedes seiner letzten Worte wird dann auf die Goldwaage gelegt. Da wird jedes Wort gedreht und gewendet, damit man bis ins Tiefste ausloten kann: Was wollte er uns noch mitgeben? Was wollte er uns noch sagen?

 

So ist das auch heute mit unserem Evangelium. Es ist ein Ausschnitt aus den Abschiedsreden Jesu. Jesus sitzt mit seinen Jüngern im Abendmahlssaal. Und als er diese Abschiedsrede hält, da weiß er: Vierundzwanzig Stunden später bin ich schon tot und liege im Grab. Da erzählt man kein Blabla mehr. Und da hat jedes dieser Worte Gewicht.

 

Und wir wollen uns heute einige dieser Abschiedsworte Jesu vor Augen halten, sie gleichsam auf die Goldwaage legen und abklopfen: Was wollte er uns damit sagen?

 

Das große Thema der Abschiedsreden ist das Thema Liebe. Das ist nicht verwunderlich, denn das war im ganzen Leben Jesu das große Thema schlechthin. Aber was Jesus hier in seiner Abschiedsrede über die Liebe sagt, klingt doch einigermaßen ernüchternd. Gleich im ersten Satz: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ So nüchtern ist das. „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ Da hat die Liebe nichts zu tun mit irgendeinem Gefühlsüberschwang, auch nicht damit, dass man vielleicht besonders inbrünstig betet oder singt: „Ich will dich lieben, meine Stärke“. Nein, etwas ganz Schlichtes: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ Und am Ende des Evangeliums heute noch einmal: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es der mich liebt.“ Und wenn ich jetzt dieses Evangelium, die Abschiedsreden, noch weiter gelesen hätte, als es heute in unserem Abschnitt vorgesehen ist: Sofort der nächste Satz hieße: „Wer mein Wort bewahrt und hält, der ist es, der mich liebt.“ Etwas ganz Schlichtes: Sein Wort bewahren und tun. Darin liegt alles: Dass wir sein Wort haben und es tun.

 

Die große Not bei den Christen liegt heute darin, dass die meisten von uns sein Wort nicht einmal kennen. Aber wenn man es kaum kennt, wie soll man es denn dann tun? Und darum merken wir so wenig von der Liebesbeziehung zu Gott, weil kaum jemand das Wort Gottes kennt. Gut, ein paar Stellen kennen wir: Die Gleichnisse vom verlorenen Sohn, vom barmherzigen Samariter. Aber wer kann denn wirklich sagen, dass das Wort Gottes bei ihm ‚zu Hause’ ist.

 

Und dann kommt ein Zweites, dass wir heute folgende Tendenz haben: Wir hören das Wort Gottes vielleicht, aber dann kommen die Leute und sagen: Das darf man aber heute nicht so eng sehen, etwa mit den Geboten Gottes. „Das sehe ich aber ganz anders.“

 

Hier in den Abschiedsreden Jesu, wenn er von Liebe redet, dann geht es darum, dass jemand sagt: Auch wenn ich das ganz anders sehe, ich bin bereit, mich unter das Wort Gottes zu stellen, unter sein Gebot zu stellen und es zu tun.

Und wir wollen das Evangelium ja abklopfen: Der griechische Ausdruck der hier steht für ‚die Gebote halten’, meint eigentlich nicht, dass man mal die Gebote hält, sondern dass man dauerhaft, verbindlich erklärt: Die Gebote haben für mich bleibende Verbindlichkeit.

 

Ich will ihnen nur an einem Beispiel verdeutlichen, was das möglicherweise für Konsequenzen hat für uns als Kirche:

Es wird heute in unseren Kirchen manchmal so leichthin gesagt: Wie kann die katholische Kirche heute noch so stur sein, dass sie Geschiedene Wiederverheiratete nicht zu den Sakramenten zulässt? Das kann man doch heute nicht mehr machen, wo es so viele Scheidungen gibt, wo man schuldlos, gegen seinen Willen, geschieden werden kann. Da hat man die Kirche ja bald leer.

Aber es geht nicht darum, ob das heute noch modern ist oder nicht. Hier geht es für die Kirche um die Treue zum Wort Gottes, zum Gebot Gottes. Und Jesus hat mit aller Klarheit gesagt: Wer eine Geschiedene heiratet, begeht Ehebruch. Da können wir nicht einfach drüber hinwegsehen.

Aber auf der andern Seite - nur um Ihnen einmal diese Spannung klar zu machen, in der die Kirche steht, - auf der andern Seite gibt es auch das Evangelium von der Ehebrecherin, die auf frischer Tat ertappt worden war. Jesus hat sie nicht verurteilt, und er hat nicht zugelassen, dass die Frommen Steine warfen.

Das ist diese Spannung in der wir stehen. Auf der einen Seite ist die Rechtslage eindeutig. Auf der anderen Seite steht oft eine große menschliche und seelsorgliche Not im Hintergrund, die wir sehen müssen. Da kann man nicht mit so flotten Sprüchen kommen: „Die Kirche muss ein bisschen moderner werden.“ Hier gilt es, diese Spannung auszuhalten und auch auszuleiden.

 

Ein Zweites, was wir heute auf die Goldwaage legen wollen.

Jeder, der versucht, die Gebote Gottes zu halten, wirklich ernsthaft zu halten, wird ganz schnell merken, wie er an seine Grenzen kommt. Man schafft das oft einfach nicht, und das weiß Jesus auch. Und darum sagt er hier als nächstes in den Abschiedsreden: „Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch ist.“ Wir bekommen von Jesus einen Beistand. Das Wort Beistand kommt aus der Gerichtssprache. Im Gericht braucht man einen Beistand, einen Anwalt.

Dieses Wort heißt auf Griechisch ‚Paraklet’. Früher übersetzte man dieses Wort mit ‚Tröster’. Das ist ein Titel des Heiligen Geistes, der mich ermutigt, der mich tröstet, der mich aufrichtet. Dieses Wort Paraklet kann auch heißen: ‚Helfer’. Jesus schickt Dir, wenn Du ihn lieben willst und Dich anschickst, seine Gebote zu halten, einen Helfer, der dir beisteht, der dir ermöglicht, ihn zu lieben.

 Und wiederum - wir wollen ja abklopfen, wir wollen ja auf die Goldwaage legen: Dieses griechische Wort Paraklet, wenn man es ganz wörtlich übersetzt, heißt: ‚der Herbeigerufene’.

Natürlich, der Heilige Geist ist in uns seit der Taufe und seit der Firmung. Aber tu das doch einmal in einer konkreten Situation, wo es Dir an Liebe mangelt, an Treue mangelt, an Verständnis mangelt, wo Du Deine Schwachheit spürst. Tu das doch einmal in einer solchen Situation, und rufe ihn, den Heiligen Geist, den Beistand herbei. Du wirst auf einmal merken, dass das stimmt, was der Apostel Paulus einmal geschrieben hat: „Die Liebe Gottes, die göttliche Liebe, ist in unseren Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist“, weil er unser Helfer, unser Beistand, unser Anwalt ist.

 

Aber, das gleiche Wort auch noch einmal anders auf die Goldwaage gelegt: Jesus sagt sehr pointiert, ich werde euch einen ‚anderen’ Beistand schicken. Wenn hier von einem ‚andern’ Beistand die Rede ist, dann muss es noch einen ersten Beistand geben, und den gibt es auch.

Der erste Beistand, Anwalt, Helfer, ist Jesus Christus selber. Aber er ist als Beistand nicht mehr hier bei uns auf der Erde. Er ist unser Anwalt, unser Fürsprecher, unser Hoherpriester am Thron des Vaters im Himmel.

Und so sind wir gleichsam von zwei Seiten her mit einem Beistand versehen: Hier auf der Erde der Heilige Geist, und oben am Thron des Vaters Jesus Christus, der zur Rechten Gottes sitzt und dort unser Fürsprecher und unser Anwalt ist.

 

Ein Drittes, was wir noch auf die Goldwaage legen wollen.

Da sagt Jesus am Ende: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es der mich liebt. Wer aber mich liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.“

Dieser letzte Ausdruck ist mir noch wichtig: ‚Ich werde mich ihm offenbaren.’ Ich habe lange darüber nachgedacht, was das wohl bedeuten kann: ‚ich werde mich ihm offenbaren.’

 

Wir gebrauchen das Wort ‚Offenbarung’ bei uns in der Umgangssprache zunächst einmal dann, wenn einem plötzlich ‚ein Licht aufgeht’. Da sagt jemand: „Das war für mich wie eine Offenbarung!“ Und er will damit sagen: Diese Erkenntnis, diese Einsicht, hab ich mir nicht ausgedacht, die hab ich mir nicht aus Büchern angelesen, sondern die ist ganz überraschend gekommen, ganz plötzlich. Es ist gleichzeitig eine froh machende Erfahrung, wenn einem plötzlich ein Licht aufgeht, wenn man Klarheit über eine Sache bekommt, wenn es ‚wie eine Offenbarung’ ist.

Und so ist das auch mit Jesus Christus: Die Beziehung zu ihm kannst Du Dir nicht in Büchern anlesen; die bekommst Du auch nicht durch Predigten, sondern die bekommst Du dann ganz plötzlich, wenn er dir begegnet. Und Du wirst merken: Da geschieht Klarheit in Deinem Leben, buchstäblich ‚wie eine Offenbarung’.

 

Wir gebrauchen das Wort Offenbarung bei uns im Deutschen aber noch in einer anderen Weise, nämlich wenn jemand vor Gericht steht und einen ‚Offenbarungseid’ leisten muss. Das bedeutet dann: Er muss all seine Verhältnisse offen legen. Da kann er nichts mehr verheimlichen. Das ist ein Offenbarungseid. Und genau das tut Jesus. Er legt seine Verhältnisse zu uns total offen, er hat keine Geheimnisse vor uns. Er leistet gleichsam einen Offenbarungseid. Alles was ihm wichtig ist, was ihn bewegt für die Welt und für die Menschen, hat er uns offenbart, hat er uns mitgeteilt.

 

Und schließlich wir gebrauchen das Wort ‚Offenbarung’ auch noch in einer dritten Weise. Da sind zwei Freunde oder Freundinnen. Wenn sich eine Freundin der anderen offenbart, dann ist das vordergründig vielleicht das gleiche wie beim Gericht. Ich habe vor dem anderen keine Geheimnisse mehr. Und doch geht es hier nicht um einen Offenbarungseid, sondern um ein ganz tiefes Vertrauensverhältnis. Ich kann mich ihm offenbaren, ich brauche vor ihm keine Geheimnisse zu haben. Ich brauche keine Sorge zu haben, dass er mich ausnützt. Und darum kann ich mich ihm offenbaren.

Genau in dieser Weise hat sich Jesus den Menschen offenbart. Er schenkt uns sein ganzes Vertrauen. Er nimmt uns in sein ganzes Vertrauensverhältnis mit hinein, das ihn mit dem Vater verbindet. Und er hat sogar das Tiefste getan, was Menschen tun können, wenn sie sich einander offenbaren: dass man dem anderen auch seine Schwäche zugeben kann, weil man keine Angst mehr haben muss. Und Jesus hat uns seine ‚Schwachstelle’ gezeigt.

Wussten Sie, dass Gott eine Schwachstelle hat? Seine ‚Schwachstelle’ ist seine Liebe. Da ist Gott verletzbar geworden, da hat man ihn mit einem Kuss verraten. Das war seine Schwachstelle, dass seine Liebe bedingungslos war, und dass er nicht irgendwann einmal gesagt hat: Jetzt reicht es.

 

Dieses tiefste Verhältnis, dieses Vertrauensverhältnis, was Jesus mit dem Vater verbindet, in das nimmt er uns mit hinein. Und es ist ein Verhältnis der Liebe, die um Gegenliebe wirbt, die ganz schlicht sagt: Tu das, was ich dir auftrage, die aber nicht nur etwas fordert, sondern die gleichzeitig den Beistand schenkt, den Helfer, der uns zum Lieben seine Kraft gibt.

Die Tage vor Pfingsten sind für die ganze Kirche Tage, wo wir um den Heiligen Geist beten, der Einzelne, aber auch die Kirche als ganze. Tu das, wir brauchen den Heiligen Geist.  Amen.

 

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