Pfarrer Karl Sendker  

 

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Predigt zur 2. Lesung  Offb 1,5b-8     mp3    Video

Predigt zum Evangelium:  Joh 18,33b-37     als Video

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Predigttext:      Offb 1,5b-8

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Wenn heute in unserer Gesellschaft eine Illustrierte mit Enthüllungen aufwarten kann über Stars, über gekrönte Häupter, über Politiker, dann wirkt sich das in der Regel sehr verkaufsfördernd aus. Enthüllungen sind heute ‚in’.

Es gibt im Neuen Testament ein Buch mit dem Titel „Enthüllungen“. Normalerweise heißt der Titel dieses Buches - es ist das letzte Buch im Neuen Testament – „Apokalypse“. Wir übersetzen das meistens mit „Offenbarung“ oder „Geheime Offenbarung“. Aber dieses Wort Apokalypse, wenn man es wörtlich nimmt, heißt das eigentlich „Enthüllungen“.

Nun geht es aber in diesem letzten Buch der Heiligen Schrift nicht um Enthüllungen über die Endzeit, oder noch genauer gesagt, über die Schrecken der Endzeit, obwohl Vieles dazu in diesem Buch steht. Es geht vielmehr um eine andere Enthüllung. Der Anfang dieses Buches mit dem Titel „Enthüllungen“ heißt: Offenbarung Jesu Christi. Wir bekommen also durch dieses Buch ein neues Bild von Jesus Christus enthüllt. Man kann sich das ungefähr so vorstellen, wie wenn auf dem Marktplatz ein Standbild neu errichtet wird. Wenn es aufgestellt wird, dann hängt meistens vor dem Enthüllen ein weißes Tuch drum. Man kann zwar schon ungefähr sehen, wie groß das Standbild ist; die Konturen kann man schon ahnen. Und wenn dann bei der Enthüllungsfeier die Festreden zu Ende sind, wird die Reißleine gezogen; die Hülle fällt, und dann kannst du dieses Standbild in allen Einzelheiten sehen.

Und so ähnlich bekommen wir in der Offenbarung des Johannes ein neues Bild von Jesus Christus.

Das erste Bild, das damals die ersten Christen hatten, war der Gekreuzigte. Paulus ist durch die Lande gezogen: „Ich will unter euch nichts anderes wissen, als Jesus Christus, den Gekreuzigten.“

Aber als die Offenbarung des Johannes geschrieben wird, das ist ungefähr im Jahr neunzig nach Christus gewesen. Das war die Zeit, als im römischen Reich die ersten systematischen Christenverfolgungen losgingen. Und in diese Situation hinein, wo die Christen in eine äußerste Bedrängnis gerieten, malt ihnen Johannes in seinem Buch ein neues Bild von Jesus Christus. Und dieses Christusbild schauen wir uns heute einmal genauer an.

Es geht um zwei große Dinge. Das Erste, was hier in unserer Lesung gesagt wird: Wer Christus ist. Das Zweite: Was er tut.

Zunächst einmal, wer Jesus Christus ist. Da heißt es hier als Allererstes: „Jesus Christus ist der treue Zeuge; er ist der Erstgeborene von den Toten.

Ein Zeuge ist jemand, der etwas nicht nur vom Hörensagen kennt - was man sich so im Dorf erzählt. Sondern der mit eigenen Augen gesehen hat und dafür Zeugnis ablegen kann. Und sein Zeugnis ist gültig. Und darum sagt Jesus im Johannesevangelium vor Pilatus: „Dazu bin ich in diese Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen.“ Er ist der treue Zeuge! Und wofür ist er der treue Zeuge?

Jesus Christus hat uns Zeugnis gegeben zunächst einmal: Wer Gott ist, wer Gott wirklich ist. Es geistern heute so viele Vorstellungen über Gott durch die Köpfe der Menschen. Da reden die einen über den „Herrgott“. Den gibt es überhaupt nicht. Die anderen reden vom sogenannten „lieben Gott“. Aber da kann sich keiner was drunter vorstellen.

Jesus hat uns ganz deutlich klar gemacht: Gott ist nicht der Herrgott, sondern er ist dein Vater, der sich um dich kümmert, wie sich ein Vater um sein Kind kümmert. Und Jesus wird nie müde, uns das immer wieder gleichsam einzutrichtern. Denk daran, Du hast einen Vater, zu dem du mit allen Dingen kommen darfst. Und wenn Du noch so sehr unter Druck gerätst, wie die Christen in der Verfolgung, dann darfst Du wissen: Da ist ein Vater, der für dich sorgt.

Ich kann mich gut erinnern: Mich haben sie oft als Kind auf der Straße verprügelt, die anderen, größeren Kinder. Und wenn ich mich nicht mehr wehren konnte, dann bin ich abgehauen und hab gerufen: „Das sage ich meinem Vater!“

Wir haben einen Vater, der gerade dann, wenn wir wehrlos sind, für uns sorgt.

 

Ein Zweites, wofür Jesus Christus Zeugnis ablegt: Über das, was nach dem Tode ist. Hier wird gesagt: „Er ist der Erstgeborene von den Toten“.

Auch hier muss man sagen: Die meisten Leute stellen sich ja gar nichts mehr darunter vor, was nach dem Tode ist. Und da kommen da so dumme Redensarten, die man immer wieder hören kann: „Da weiß man eh nichts genaues drüber. Es ist ja noch nie einer wiedergekommen, der uns darüber etwas sagen könnte.“

Aber das stimmt doch überhaupt nicht! Es ist einer wiedergekommen, er, der Erstgeborene von den Toten. Jesus Christus, den sie gekreuzigt haben, den sie begraben haben, er ist wiedergekommen. Und er hat uns Zeugnis darüber gegeben, wie das nach dem Tode ist.

Schau Dir einmal die Begegnungen der Jünger mit dem Auferstandenen an, und Du wirst wissen, wie das nach dem Tode ist. Ich weiß wohin ich gehe. Ich weiß: da unten ist nicht das Loch die letzte Station, sondern das Leben in der Herrlichkeit beim Vater. Und dieser Jesus Christus hat gesagt, dass wir ihm ähnlich sein werden, ihm dem Auferstandenen. Und darüber bin ich so froh, dass er uns nicht im Unklaren gelassen hat.

 

Ein Weiteres zum Thema, wer Jesus ist: Er ist der Herrscher über die Könige der Erde. Und auch hier, wenn man das mal in unsere Zeit übersetzt: In unserer Welt geht es heute drunter und drüber. Da jagt eine Korruptionsaffäre die nächste, in der Politik, in der Wirtschaft. Und manchmal weiß man überhaupt nicht: Wem kannst Du denn überhaupt noch trauen? Wer hat denn das Sagen in dieser Welt? Wer hat denn die Hand am Drücker heute?

Hier kann man ganz klar sagen: Derjenige, der auf dem Thron sitzt, ist nicht ein irdischer Machthaber, weder ein Philosoph wie Nietzsche, noch ein irdischer Machthaber wie Adolf Hitler oder wer auch immer.

Auf dem Thron sitzt Jesus Christus; er ist der Herrscher. Und es tut so gut, zu einem Herrn zu gehören dem die Fäden der Weltgeschichte nicht aus der Hand geglitten sind. Und wenn viele Menschen heute Angst haben, wenn sie in die Welt schauen, ich habe keine Angst, weil ich weiß, dass Jesus Christus der Herr ist.

 

Das war die eine Seite: Wer er ist. Wir kommen jetzt zu der zweiten Seite: Was er tut oder getan hat.

Da steht hier zunächst einmal so ein ganz schlichtes Sätzchen: „Er liebt uns.“ Aber so ein kleiner Satz ist ja heute so abgegriffen, da mag man bald gar nicht mehr drüber predigen. Aber lass das doch einmal ganz tief in Dein Herz gehen: Du bist von Gott geliebt, so wie du heute bist. Unabhängig davon, ob du große Dinge getan hast, oder ob alle Leute mit dem Finger auf dich zeigen. Und wenn du Dich selber schon nicht mehr lieben kannst, Gott liebt dich immer noch. In diesen Tagen haben die Kommunionkinder die erste Beichte. Da haben sie dann in ihrer kindlichen Weise vor Jesus Christus ihre Sünden bekannt. Sie glauben gar nicht, das schönste für mich als Priester ist in jedem Jahr, wenn ich denen dann sagen darf: Jesus liebt dich trotzdem! Er stempelt dich nicht ab, da kann gewesen sein was will. Aber was für die Kinder gilt, das gilt für jeden einzelnen von uns: Jesus liebt Dich.

Wir haben im Deutschen die Redensart, da sagen wir manchmal nicht „Ich liebe dich“, sondern „Ich mag dich leiden“. Da steckt das Wort ‚Leiden’ drin. Die Liebe Gottes zu uns war so groß, dass Jesus bereit war, Leiden auf sich zu nehmen. Das Evangelium heute am Christkönigsfest ist ja aus der Leidensgeschichte genommen.

Gott liebt Dich! Man müsste und könnte noch viel dazu sagen.

 

Noch ein Zweites, was Jesus tut: Er hat uns zu Königen und zu Priestern gemacht vor seinem Gott. Könige sind dazu berufen, zu herrschen. Könige sind nicht dazu da, um zu kriechen, sondern sind dazu berufen über den Verhältnissen zu stehen. Das ist unsere Stellung. Auch da müsste man viel dazu sagen, aber der nächste Punkt ist mir im Augenblick wichtiger: Er hat uns zu Priestern gemacht vor unserem Gott.

Jeder von uns ist durch die Taufe berufen, Priester zu sein. Nicht Amtspriester, aber dieses Priestertum aller Gläubigen empfängt man durch die Taufe. Das verleiht nicht der Bischof, das verleiht auch nicht der Papst, sondern das verleiht Jesus Christus jedem Getauften. Dieses Priestertum, das jeder von uns hat, bedeutet nicht, dass jeder von uns jetzt eine Gemeinde leitet. Das ist das Amtspriestertum.

Das Priestertum, das wir alle haben, bedeutet eigentlich ein Doppeltes: Auf der einen Seite ist der Priester berufen, dass er freien Zutritt im Tempel zum Allerheiligsten hat. Und im Neuen Testament sagt der Verfasser des Hebräerbriefes mit einem großen Jubel: „Wir dürfen mit Zuversicht vor das Angesicht, vor den Thron Gottes treten.“ Wir haben Zutritt zu Gott. Das hängt ein Stückchen zusammen mit dem, was ich eben sagte: dass Gott unser Vater ist. Gott ist nicht irgendwo fern. Was im Alten Testament nur den Hohenpriestern gestattet war, dieses Recht hat jeder von uns.

Und ein Zweites, was mit dem allgemeinen Priestertum verbunden ist, ist der Dienst und das Vorrecht, dass wir vor Gott hintreten dürfen als Fürbittende. Und das bedeutet nicht, dass ich jetzt Lektor werden soll und im Gottesdienst die Fürbitten vorlesen soll, sondern dass wir im Gebet für die Welt eintreten dürfen vor Gott. Und dass wir damit rechnen dürfen, dass Gott, wenn wir so vor ihm stehen als Fürbittende, dass Gott unser Gebet hört und erhört. Dass wir durch unser Gebet den Arm Gottes in dieser Welt bewegen können.

Was wäre das für eine großartige Sache, wenn heue die vielen getauften Christen, die Gott dadurch zu Priestern gemacht hat, von dieser Chance wieder mehr Gebrauch machen würden. Wir haben heute in unseren Kirchen zu viele Leute die immer nur stöhnen und motzen, über alles. Über den Pfarrer, über den Pfarrgemeinderat, über den Papst natürlich, über die Politiker, über die Leute in den Verwaltungen. Überall ist man nur am Stöhnen und am Meckern, manchmal auch zu Recht.

Aber was würde wohl passieren, wenn man, statt berechtigter Weise zu schimpfen, Fürbitte tun würde?! Mal ganz ehrlich gefragt: Wer betet denn für die Leute in den Gewerkschaften? Wer betet denn für die Leute in der Stadtverwaltung? Für die Politiker betet man vielleicht noch, aber für die Stadtverwaltung, wer betet denn für die? Und wenn wir da als Betende eintreten, wenn wir da unseren Dienst als Könige und Priester wieder ernst nehmen, ich glaube, es würde manches in unserer Welt wieder anders aussehen. Das ist unsere Berufung.

Wenn man das alles, diese Größe unserer Berufung und die Größe Jesu Christi, sich zu Herzen nimmt, dann wird man nicht umhin können, so wie Johannes, der diese Offenbarung geschrieben hat, einfach nur in einem Lobpreis auszubrechen: „Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht und die Ehre in alle Ewigkeit.“

Und wir wollen diese Predigt heute nicht einfach nur mit „Amen“ beschließen, sondern mit einem Loblied, wo wir ihm, unseren König, unseren Herrn, die Ehre geben. Amen.

 

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Predigttext:      Joh 18,33b-37

Predigt im MP3 Format

Predigt als Video

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Zu Beginn dieser Predigt möchte ich eine kleine Geschichte erzählen:

In Südamerika mitten im Urwald wohnt ein kleiner Indianerstamm. An der Spitze stand ein junger Häuptling. Er war sehr streng. Eines Tages erließ der Häuptling eine Reihe von Geboten. Jeder sollte genau wissen, was man durfte und was man nicht durfte. Mitten im Zeltdorf war an einem Baum eine Tafel aufgehängt, und darauf standen die ganzen Gebote. Unter die Gebote hatte der Häuptling geschrieben: „Wer eines von diesen Geboten übertritt, wird bestraft mit 40 Peitschenhieben auf den bloßen Rücken.

Die Menschen in dem Indianerdorf wussten: Unser Häuptling ist ein strenger Mann. Darum hat sich jeder an die Gebote gehalten. Keiner wagte es, ein Gebot zu übertreten. Das ging ungefähr zwei Jahre gut.

Eines Tages, es war am späten Nachmittag, kommen zwei Männer zum Zelt des Häuptlings: „Häuptling, wir haben einen erwischt, der deine Gebote übertreten hat. Was sollen wir mit ihm machen?“ „Das steht doch auf der Tafel: 40 Peitschenhiebe auf den bloßen Rücken! Wer ist das denn, den ihr erwischt habt?“

„Häuptling“, die beiden Männer trauten es sich kaum zu sagen, „das ist deine alte Mutter.“

„Meine Mutter“; dem Häuptling schossen die Tränen in die Augen. Er drehte sich um. Die Männer sollten nicht sehen, dass er weinte. „Häuptling, was sollen wir denn jetzt machen?“ Die Männer standen ganz verlegen und ratlos da. Der Häuptling schaute immer noch in das dunkle Zelt und murmelte: „Kommt morgen früh wieder. Dann sag ich euch, was geschehen soll.“

Die ganze Nacht fand der Häuptling keinen Schlaf. Er wälzte sich auf seiner Matte von einer Seite auf die andere. „Ich kann doch nicht meine eigene Mutter auspeitschen lassen. Sie hat mir doch das Leben geschenkt. Sie hat immer für mich gesorgt. ----- Aber wenn ich jetzt einmal eine Ausnahme mache, dann wird sich keiner mehr an die Gebote halten.“ Er wusste nicht, was er machen sollte. Er hatte auch keinen, den erfragen konnte; er war mit seiner Not ganz allein.

Am nächsten Morgen kamen die beiden Männer wieder zum Zelt des Häuptlings. Der Häuptling hatte ganz verweinte Augen. So hatten die Männer den Häuptling noch nie gesehen. Was würde der Häuptling jetzt entscheiden? Dann gab sich der Häuptling einen Ruck. „Auspeitschen! 40 Hiebe auf den bloßen Rücken! Heute Nachmittag um drei Uhr mitten auf dem Dorfplatz! Alle sollen dabei sein. Es soll ein abschreckendes Beispiel sein!

Den beiden Männern stockte der Atem. Sie gingen rückwärts aus dem Zelt des Häuptlings heraus. „Er will die eigene Mutter auspeitschen lassen?!“

Nachmittags um drei Uhr war das ganz Dorf auf dem Dorfplatz versammelt. Zwei starke Männer brachten die alte Mutter des Häuptlings. Sie war schon sehr schwach und musste gestützt werden. Sie banden die Mutter mit den Händen an den Baum, wo oben die Tafel mit den Geboten hing. Dann nahm jeder der beiden Männer eine Peitsche in die Hand. Der Häuptling selber stand dabei und gab das Kommando: „Anfangen: eins, zwei, ---- drei!“ Der erste der beiden Männer hob die Peitsche. Einige Frauen und sogar Männer fingen laut an zu schreien und zu weinen.

Aber dann geschah etwas überraschendes:

Blitzschnell riss der Häuptling sein Obergewand ab. Er sprang auf die Mutter zu. Mit entblößtem Oberkörper stellte er sich vor den Rücken der Mutter. Die Männer mit der Peitsche zuckten zurück. „Was sollte das jetzt?“ Da drehte sich der Häuptling um zu den beiden Männern: „Vierzig Peitschenhiebe, keinen weniger.“

Der erste Peitschenhieb knallte auf den Rücken des Häuptlings. Der krümmte sich vor Schmerzen. Beim dritten Peitschenhieb schon platzte die Rückenhaut auf. Schließlich mussten zwei Männer den Häuptling blutüberströmt in sein Zelt tragen.

„Häuptling, warum hast du das gemacht“, stammelte einer.

„Ich kann doch nicht meine Mutter auspeitschen lassen. Ich hab doch meine Mutter lieb. Aber Strafe muss sein. Da hab ich die Strafe lieber auf mich genommen.“

 

Schwestern und Brüder, das ist eine Geschichte. Die hat so gar nicht stattgefunden. Aber sie ist trotzdem wahr, und sie hat auch stattgefunden.

Sehen Sie, wir Christen, ja man muss sogar sagen wir Menschen, haben einen Häuptling, einen König, der für uns buchstäblich den Rücken hin gehalten hat. Wir haben einen Herrn, der sich für uns hat auspeitschen lassen, oder wie wir sagen, der sich für uns hat geißeln lassen mit 39 Geißelhieben. Und dieser König steht heute vor Pilatus, in der Stelle, die wir eben als Evangelium gehört haben. Und es ist das einzige Mal in seinem ganzen Leben, wo Jesus öffentlich bekennt: Ja, ich bin ein König. Monate vorher wollten ihn die Menschen zum König machen nach der Brotvermehrung. Da war er geflohen. Aber jetzt, zum Zeitpunkt seiner äußersten Erniedrigung bekennt er: Ja, ich bin ein König.

Aber schau dir diesen König einmal an, was das für ein König ist. Der hat gerade die 39 Peitschenhiebe hinter sich. Er war blutüberströmt. Dieser König hat auch nicht ein schönes, goldenes Messgewand getragen. Man hat ihm einen roten, römischen Soldatenmantel umgehängt. Man hat eine Dornenkrone geflochten mit langen Dornen, und man hat sie solange auf seine Kopf gedrückt, bis die Krone festsaß. Man hat ihm ins Gesicht gespuckt, hat ihn geschlagen: Heil dir, König der Juden.

Und jetzt steht er da vor Pilatus. Und Pilatus stellt ihn den Juden vor: „Seht da, euren König.“ In der Hoffnung, dass sie jetzt Mitleid mit ihm haben. Und was machen sie? Sie singen nicht: „Christkönig, halleluja!“ Sie schreien: „Weg mit ihm, ans Kreuz mit ihm!“ Der Heide Pilatus fragt: „Euren König soll ich kreuzigen lassen?“ Und dann schreien sie: „Wir haben keinen anderen König als nur den Kaiser in Rom Weg mit ihm, kreuzige ihn!“ Und schließlich bleibt den Pilatus nichts anderes mehr übrig, als ihn den Soldaten zum Tod durch Kreuzigung zu übergeben.

 

Und was hat Jesus gemacht? Nichts. Er hat geschwiegen. Er hat nicht geschimpft; er hat nicht geflucht; er hat nicht gedroht. Nein, er hat gar nichts gesagt. Gut, er sagt: „Ich könnte jetzt Millionen von Engeln zu Hilfe rufen. Sie würden für mich kämpfen.“ Aber er tut es nicht, er ruft sie nicht. Er steht da und schweigt. Er geht ans Kreuz und schweigt.

 

Diese Geschichte wie Jesus vor Pilatus steht, geschieht in unseren Tagen genauso. Es ist so einfach heute für uns Menschen, Jesus in die Ecke zu schieben: „Weg mit ihm! Den wollen wir nicht!“ Was brauchen wir denn noch einen Erlöser? Dieser Einstellung ist auch unter Christen weit verbreitet.

Gut, wir brauchen ab und zu für die Stimmung einen feierlichen Gottesdienst. Wir erfüllen vielleicht sogar unsere religiösen Pflichten. Aber wir brauchen doch keinen Erlöser mehr.

Wissen Sie, was die Leute sagen: Bei mir ist doch nicht vorgekommen. Bei mir ist doch nichts vorgekommen, was brauche ich einen Erlöser? Und so wird Jesus heute selbst unter Christen auf ganz sachte in die Ecke geschoben. Den brauchen wir noch zur Verzierung bei einer Hochzeit und bei der Erstkommunion oder so. Aber ansonsten brauchen wir ihn nicht mehr.

Und Jesus schweigt. Er droht auch heute nicht, und er schimpfte auch heute nicht.

 

Aber eins gilt damals wie heute: Wenn ein Mensch ganz unten ist, wenn er niedergebeugt ist von Trauer, weil er einen geliebten Menschen verloren hat. Wenn einer vorne und hinten nicht mehr weiter weiß, wie es in seinem Leben weiter gehen soll, wenn einer seine Würde als Mensch verloren hat und alle zeigen mit dem Finger auf ihn: Weg vom Fenster! Ganz gleich, wenn ein solcher Mensch zu diesem König mit der Dornenkrone aufschaut, vielleicht ganz unbeholfen, so wie es damals der Schächer am Kreuz getan hat: „Herr, denk an mich, wenn du mit deiner Königsherrschaft kommst.“ Dann wird ein solcher Mensch auch heute noch erleben: Dieser König mit der Dornenkrone lässt mich nicht fallen. Er tröstet dich, wo du traurig bist. Er macht dir Mut, wo du nicht mehr weiter weiß. Er stempelt dich nicht ab, wenn du deine Würde verloren hast, wenn du dir etwas hast zu Schulden kommen lassen.

Ganz im Gegenteil, er machte ich wieder groß und schenkt dir eine neue Würde. Das tut dieser König mit der Dornenkrone. Wir haben einen Häuptling, der für uns den Rücken hingehalten hat.

Es ist genauso, wie es damals nach seiner Auferstehung gewesen ist. Der Auferstandene kommt in den Kreis der Jünger und zeigt ihnen seine durchbohrten Hände. Wir haben jetzt noch, nach seiner Auferstehung, einen Gott mit Wunden. Jesus hat im Himmel immer noch die Wundmale. Und dann heißt es im Johannesevangelium: In dem Augenblick, als der Auferstandene ihnen seine durchbohrten Hände zeigte, da wurden die Jünger froh. Vielleicht haben sie sich daran erinnert, was über den Messias beim Propheten Jesaja steht: „Die Strafe liegt auf ihm, damit wir Frieden haben mit Gott“, und wohl auch Frieden untereinander, und Frieden auch im eigenen Herzen.

Wir sind eingeladen, diesen Jesus nicht in die Ecke zu schieben, sondern ihm, dem Gekreuzigten die Ehre zu geben. Denk daran: Er hat seinem Rücken hingehalten auch für Dich. Amen.

 

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