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Dies ist die letzte Predigt einer fünfteiligen Predigtreihe mit dem Thema: "Bilder der Hoffnung"
Liebe Schwestern und Brüder!
„Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht.“ Wenn diese Lesung in der Christmette, in der Heiligen Nacht gelesen wird, dann wird es in vielen Gemeinden so sein, dass der Kirchenraum abgedunkelt ist, und sich alles konzentriert auf das große Licht der Krippe und des Christbaumes. Auch in vielen Familien ist das Weihnachtszimmer abgedunkelt, und nur der Christbaum leuchtet und strahlt hell Dazu kommen natürlich nach die leuchtenden strahlenden Kinderaugen unter dem Weihnachtsbaum. „Das Volk, das im Finstern wandelt sieht ein großes Licht.“ In dieser Lichtsymbolik des Weihnachtsfestes wollen wir ja irgendwie ausdrücken, dass in der Dunkelheit unseres Lebens ER, das Licht der Welt, aufgeleuchtet ist. Und wenn in unserer Lesung davon die Rede ist, dass man sich freut, dass man jubelt, wie wenn Beute verteilt wird: Gut, am Weihnachtsfest wird keine Beute verteilt, aber die Geschenke des Weihnachtsfestes wollen ja auch ein Stückchen dieses Jubels ausdrücken. ER, das Licht ist in diese Welt gekommen.
Aber wenn wir diesen Text aus dem Propheten Jesaja nur verstehen, von der stimmungsvollen Situation der Heiligen Nacht mit dem Weihnachtsbaum her, dann würden wir diesen Lesungstext gründlich missverstehen. Als der Prophet Jesaja dem Volk diese Botschaft sagt: „Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf“, da war das Volk Israel in Jerusalem in einer äußerst bedrängten Situation; da war man vor Angst erstarrt. Nicht umsonst ist in dieser Lesung davon die Rede, dass da ein drückendes Joch ist, dass Soldatenstiefel daher stampfen. Es ist nicht umsonst vom Stock des Sklaventreibers die Rede. Und nicht umsonst ist die Rede von einem Mantel, der mit Blut befleckt ist. Es war Kriegssituation; es war eine äußerst bedrängte Situation. Das Volk in Jerusalem, dem Jesaja diese Botschaft sagte, saß in Angst und Schrecken, weil Jerusalem belagert war von einem assyrischen Heer, das bereits das ganze Land ringsum eingenommen hatte. Und nun steht das Heer vor Jerusalem, und Jerusalem, die Stadt Gottes, droht zu fallen.
Und in diese Situation hinein sagt der Prophet Jesaja seine Botschaft: Das Volk, das in Angst erstarrt ist, das in Finsternis, in Todesschatten und in Schrecken lebt, dieses Volk sieht ein großes Licht. Ein Kind ist uns geboren. Und die Herrschaft der Welt ruht auf den Schultern dieses Kindes. Das Sagen in der Welt, die Herrschaft in der Welt ruht nicht auf den Schultern des Assyrerkönigs. Die Herrschaft dieser Welt ruht auch nicht auf dem König von Jerusalem, sondern die Herrschaft dieser Welt ruht auf den Schultern dieses Kindes, von dem Jesaja da redet.
Ob Jesaja im Tiefsten verstanden hat, was mit dieser Botschaft gemeint ist, glaube ich fast nicht. Letztlich gesehen kann man diese Botschaft nur verstehen vom Weihnachtsfest her, wo das Kind geboren wird, auf dessen Schultern die Herrschaft ruht, wo wirklich das Licht in die Welt gekommen ist.
Aber auch damals zu Zeiten des Propheten Jesaja hat Gott seine Verheißung Wirklichkeit werden lassen. Es war nicht irgendeine leere Botschaft, wenn Jesaja sagte: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht.“ Gott hat der Herrschaft des assyrischen Königs ein Ende gemacht. Die Assyrer sind nicht in die Stadt Jerusalem hineingekommen. Der Assyrerkönig musste unverrichteter Dinge wieder abziehen. Und es war ein großer Jubel in der Stadt, weil das drückende Joch der Sklaventreiber weg war. Der blutbefleckte Mantel wurde eine Beute des Feuers. Israel hatte erlebt, dass Gott mit starker Hand eingegriffen hatte. Das ist die Botschaft, die uns Hoffnung macht. Hinter diesem Bild der Hoffnung, hinter diesem Bild von dem großen Licht steht das „Licht der Welt“, das den Menschen leuchtet, die im Dunkeln sind.
Diese Botschaft ist auch eine Botschaft für uns heute. Das Volk, das im Dunkeln lebt, ist heute unsere Welt, die in Angst erstarrt ist vor dem Schrecken von Terror und Gewalt, die wir ja in diesen Jahren zunehmend erleben. Wir leben in einer Welt, die in Angst erstarrt ist, ob nicht Terroristen biologische Waffen und Atomwaffen haben. Die in Angst erstarrt ist, weil man sich nicht mehr traut, in ein Flugzeug zu steigen. Wir alle haben das in diesen Jahren erlebt. Das Volk das im Finstern wandelt, ist ein Volk, das Angst hat, dass es mit der wirtschaftlichen Entwicklung immer mehr bergab geht, und dass damit die Arbeitsplätze gefährdet sind, und dass unsere Altersversorgung immer unsicherer wird. Das Volk, das im Finstern wandelt, ist das Volk, das Krieg erlebt, in Afghanistan, im Nahen Osten, in Afrika. Überall brodelt es; überall hört man den Soldatenstiefel, und überall sieht man im Fernsehen auch den blutbefleckten Mantel.
Aber auch dem Volk, das heute im Finstern wandelt, dem kündigt Jesaja an: Es sieht ein großes Licht. Und in dem Kind, das am Weihnachtsfest geboren ist, das in der Krippe gelegen hat, ist dieses große Licht Wirklichkeit geworden. Gott will in unsere Situation heute rettend und helfend eingreifen.
Die Botschaft, die Jesaja verkündet hat und die wir verkünden dürfen, ist nicht eine Botschaft, wie wir sie von Politikern manchmal hören: „Wir sehen einen Silberstreifen am Horizont. Irgendwann, im nächsten halben Jahr wird die wirtschaftliche Lage besser werden.“ Nicht einen „Silberstreifen am Horizont“ verkünden wir, sondern ein großes Licht. Das heißt: Gott wird in unsere Welt einbrechen. Und wie tut er das?
Ich bin im tiefsten davon überzeugt: Das Dunkel unserer Tage, ganz konkret gesprochen, ist eine Kultur des Egoismus, oder wie Papst Johannes Paul II es ausgedrückt hat, eine Kultur des Todes. Und Gott wird gegen diese Kultur des Todes eine Kultur des Lebens setzen. Gott wird gegen die Kultur des Egoismus, oder sagen wir besser gegen die Unkultur des Egoismus eine Kultur der Liebe setzen. Er wird die Herzen bewegen, weg von Hass, hin zur Liebe, weg vom Gruppenegoismus, hin zu einem mitfühlenden Wesen, wo man den Anderen in den Mittelpunkt stellt und nicht mehr sich selbst.
Ein Kind ist uns geboren, und auf dessen Schultern ruht auch heute noch die Herrschaft. Die Herrschaft liegt nicht in der Hand von Politikern, von Wirtschaftlern, von Gewerkschaftlern, auch nicht in der Hand von Bankern und von Versicherungsagenten, die heute eine so große Macht haben. Nein, die Herrschaft, die Weltherrschaft ruht auf den Schultern dieses Kindes.
Das Kind, von dem hier die Rede ist, auf dessen Schultern die Herrschaft ruht, raubt sich die Herrschaft nicht. Es ist an uns, diesem Kind die Herrschaft zu übergeben. Es nimmt sich die Herrschaft nicht. Aber in dem Augenblick, wo ein Einzelner diesem Kind in der Krippe die Herrschaft seines Lebens übergibt, da fängt Gott an, die Kultur des Egoismus im Herzen eines solchen Menschen zu verwandeln in Liebe. Ich habe das in meinem eigenen Leben sehr oft erfahren. Wenn eine Familie dem Kind in der Krippe die Herrschaft übergibt, und sich der Herrschaft dieses Kindes unterstellt, dann wird das Verhältnis der Familienmitglieder unter einander verwandelt. Da wird nicht mehr ein Kleinkrieg stattfinden, sondern da wird eine neue Familie gegründet, eine geistliche Familie, die auf anderen Fundamenten ruht. Wo ein Volk, eine Gesellschaft, sich der Herrschaft dieses Kindes bewusst unterstellt, da wird der Gruppenegoismus aufgebrochen. Sehen sie, der Gruppenegoismus zeigt sich ja z.B. darin, dass jeder von uns weiß, dass es kann in unserer Gesellschaft so nicht weitergehen kann, wenn wir uns nicht einschränken. Aber jeder sagt: beim Anderen muss angefangen werden, nicht bei mir. Genau dieser Gruppenegoismus, der immer auf den Anderen zeigt, bei dem man anfangen muss, der wird aufgebrochen, und es wird eine Kultur des Schenkens, eine Kultur der Liebe da sein, wo man den Anderen liebevoll in den Mittelpunkt rückt.
Exemplarisch ist das Wirklichkeit geworden in der Urgemeinde in Jerusalem. Da waren Menschen, die sich der Herrschaft dieses Kindes unterstellt haben. Und sie haben ein großes Licht gesehen. Und da heißt es von diesen ersten Christen: Es gab keinen Notleidenden unter ihnen. Jeder, der was besaß, brachte es und legte es den Aposteln zu Füßen. Und jedem wurde zugeteilt, so wie er es nötig hatte. Es gab keine Notleidenden; da war der Egoismus zerbrochen worden. Das ist es, was Gott tun will. Und dann wird große Freude sein, und dann ist das Licht wirklich in dieser Welt aufgeleuchtet. Und danach sehnt sich diese ganze Welt.
Von diesem Kind werden einige Titel genannt. Man gibt ihm den Namen „wunderbarer Ratgeber“. In unserer Welt heute ist an allen Ecken und Kanten guter Rat teuer und rar. Und hier ist einer, von dem wird gesagt, er ist ein „wunderbarer Ratgeber“. Ob es sich angesichts der Ratlosigkeit unserer Welt nicht lohnt, auf diesen wunderbaren Ratgeber zu setzen, ihm die Herrschaft zu übergeben? Von diesem Kind, das geboren wird, wird gesagt: Er ist der „starke Gott“. Nicht die Schwäche der Wirtschaft steht im Mittelpunkt, sondern seine starke Hand. Ob es sich angesichts der Schwäche unserer politischen und wirtschaftlichen Systeme nicht lohnt, diesem Kind diesem Kind die Herrschaft zu übergeben? Von diesem Kind wird gesagt, es ist der „Fürst des Friedens“. Angesichts der Friedlosigkeit in dieser Welt, wo viele Menschen zwar guten Willens sind, und es trotzdem nicht schaffen, in Frieden zu leben, ob es sich nicht lohnt, diese Botschaft ernst zu nehmen, und dem Kind in der Krippe die Herrschaft zu übergeben, weil er der Fürst des Friedens ist?
Der Prophet Jesaja hat es angekündigt. Und das Wort, das Gott durch Jesaja gesprochen hat, ist nicht ein leeres Wort. Es ist ein Bild der Hoffnung, und dieses Bild will sich realisieren, es will nicht nur eine Imagination, ein leeres Bild bleiben.
Ich möchte heute schließen mit einem Weihnachtslied, und zwar mit der dritten und vierten Strophe des Weihnachtsliedes: „Ich steh an deiner Krippe hier“. In der dritten und vierten Strophe diese Liedes ist im tiefsten ausgedrückt, was Jesaja meint, und was ich Ihnen heute verkündigen darf. Da heißt es: (3) „Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne, die Sonne die mir zugebracht Licht, Leben, Freud und Wonne. O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht’, wie schön sind deine Strahlen. (4) Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen; Und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen …“ Amen.
Predigttext: Lk 2,1-14
Liebe Schwestern und Brüder!
Das große Geheimnis des Weihnachtsfestes liegt eigentlich in einem ganz unscheinbaren, alltäglichen Wort, in dem Wort „heute“. Die Botschaft, die der Engel den Hirten auf dem Feld verkündet hat, heißt: „Heute ist euch der Heiland geboren; er ist der Messias, Christus der Herr.“ Der Messias ist derjenige, auf den das Volk Israel Jahrhunderte gewartet hat. Sie haben danach geschrien, gebetet und gerungen, dass Gott doch endlich diesen Messias schicken soll. Beim Propheten Jesaja gibt es ein herzzerreißendes Gebet. Da betet der Beter: „Ach dass du doch den Himmel zerreißen mögest und IHN sendest.“ Daher kommt unser Adventslied: „O Heiland reiß die Himmel auf.“ Sie haben sich danach gesehnt, weil sie genau wussten: Unser Verhältnis zu Gott ist nicht mehr so, wie es am Anfang war. Da war ein Riss durch die Schöpfung gegangen durch die Sünde. Und nicht nur das Verhältnis zu Gott war zerbrochen, auch das Verhältnis untereinander. Nach dem Sündenfall kommt als Erstes der Brudermord. Kain erschlägt Abel. Das Volk Israel hat ein Gespür dafür: Auch wenn es uns vielleicht wirtschaftlich gut geht, irgendwie ist bei uns eine Zerrissenheit da. Und sie haben sich nach dem Messias gesehnt. Und glaub mir, die Zerrissenheit in unserer Welt heute ist genauso groß, wenn nicht noch viel größer. Da brauchen wir nur einen Blick in die Zeitung zu werfen.
Aber diese Sehnsucht, dieses Gebet, dieses Schreien des Volkes Israel nach dem Messias ist nicht ohne Antwort geblieben. Das Gebet, das sie an Gott gerichtet haben, ist nicht nur bis zur Zimmerdecke gegangen oder bis zur Kirchendecke, sondern es ist wirklich bis zum Thron Gottes gelangt. Und Gott hatte dem Volk Israel immer wieder durch die Propheten vermitteln lassen: Es wird einmal der Tag kommen, da wird der Messias, der Retter gesandt werden. Und es wird ein Tag sein, da werden die Menschen die Schwerter umschmieden zu Pflugscharen. Man wird nicht mehr für den Krieg rüsten. Und wenn dieser Tag kommt und der Messias da ist, da wird ein kleines Kind mit einer Giftschlange spielen können, und die Giftschlange wird nicht zubeißen. Das heißt: es wird in der Schöpfung keine Feindschaft mehr geben. Das hatte Gott durch die Propheten angekündigt.
Aber eins konnte keiner dieser Propheten sagen: „Heute“ ist es so weit. Die Propheten konnten immer nur sagen: Es wird einmal der Tag kommen. Diese Botschaft „heute ...“ bleibt dem Engel vorbehalten, der in der Weihnachtsnacht den Hirten auf dem Feld verkündet: „Heute ist euch der Messias geboren der Retter, Christus der Herr.“
Dieses Stichwort „heute“ zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Leben Jesu. Dreißig Jahre später, als Jesus seine öffentliche Wirksamkeit beginnt und seine „Antrittspredigt“ in seiner Heimatstadt Nazaret hält, da besteht die Predigt nur aus einem Satz: „Heute hat sich dieses Schriftwort vor euren Ohren erfüllt.“ Als Jesus später nach Jericho kommt, da trifft er in der Stadt Jericho den Zachäus, diesen Erzgauner, der die Leute ausgenommen und ausgebeutet hat. Zachäus war einer der bestgehassten Männer in der ganzen Stadt Jericho. Und Jesus geht mit Zachäus essen. Und da geschieht die Verwandlung des Herzens, dass aus diesem Halsabschneider ein Mensch wird der geben kann. Und was sagt Jesus ihm am Ende? – Und da leuchtet die Weihnachtsbotschaft auf: „Heute ist diesem Hause Heil widerfahren.“ Kurze Zeit später hängt dieser Messias, dieser Heiland am Kreuz. Und neben ihm hängen zwei Verbrecher, rechtskräftig zum Tode verurteilt wegen Mord und Straßenraub. Und einer dieser Verbrecher wendet sich in der letzten Stunde seines Lebens so unbeholfen, wie er nur kann, an diesen Jesus, der in der Mitte hängt, und sagt: „Herr denk an mich, wenn du in dein Reich kommst. Vergiss mich nicht“. Und wieder leuchtet die Weihnachtsbotschaft, auf wenn Jesus ihm sagt: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ Immer dieses kleine Wörtchen „heute“. Da wird die Weihnachtsbotschaft für einen Verbrecher Wirklichkeit.
Wieder fünfzig Jahre später, wir schreiben das Jahr achtzig, schreibt der Evangelist Lukas sein Evangelium. Und als er die Weihnachtsgeschichte aufschreibt, da schreibt er nicht: „Damals wurde dem Volk Israel der Erlöser geboren, der Heiland.“ Nein, Lukas schreibt im Jahre achtzig nach Christus: Heute ist euch der Heiland geboren, euch, die ihr dieses Evangelium lest oder diese Botschaft hört, euch ist heute der Heiland geboren; ihr seid mit einbezogen. Das Heilsangebot Gottes ist nicht nur für damals, sondern es ist für euch, die Leser und die Hörer des Evangeliums.
Seitdem wird diese Botschaft an jedem Weihnachtsfest verlesen. Aber auch an jedem Weihnachten, wird nicht verkündet: Damals wurde den Israeliten der Heiland geboren, sondern in jedem Jahr heißt es: Heute ist euch der Heiland geboren. Jeder der an diesem Weihnachtsfest hier in der Kirche ist, darf wissen: Heute ist er dir geboren. Gottes Heilsangebot ist heute hier in dieser Kirche, sein Heiland, sein Erlöser, sein Retter für Dich.
Die Hirten haben diesen Heiland gefunden. Aber was haben sie denn gefunden? Sie haben ein Baby gefunden, ein ganz unscheinbares Baby. Dieses Baby hat nicht einmal einen Heiligenschein gehabt. Es hat geschrien wie ein Baby, und es hat ausgesehen wie jedes Baby. Gott kommt in diesem ganz unscheinbaren Zeichen.
Jetzt, in unserer Zeit, kommt Gott nicht als Baby zu uns, aber er kommt auch heute in einem ganz unscheinbaren Zeichen, nämlich in dem kleinen Stückchen Brot, das wir Hostie nennen. Da begegnet Dir der Heiland, der lebendige Gott. Natürlich kannst du sagen: Schmeckt wie Brot, sieht aus wie Brot, krümelt wie Brot ... Ja, aber damals haben sie vielleicht auch gesagt: Sieht aus wie ein Baby usw. In diesem Stückchen Brot begegnet Dir der Retter, der Erlöser, Dir ganz persönlich.
Was diese verwandelnde Kraft der Weihnachtsbotschaft bedeutet, „Heute ist euch der Heiland geboren“, das ist mir nie wieder so deutlich geworden wie am ersten Heiligabend, den ich 1973 als Kaplan erleben durfte in Recklinghausen. Da gab es in Recklinghausen ein kinderloses junges Ehepaar. Die Beiden saßen am Heiligabend zu Hause und haben sich nur noch angeödet. Er war aus der Kirche ausgetreten. Nachmittags haben sie im Fernsehen die Sendung gesehen, die es damals gab: „Wir warten aufs Christkind.“ Aber das war ja eigentlich eine Kindersendung, und Kinder hatten sie nicht. Der Mann war dann aus Liebe zu seiner Frau mit zur Kinderchristmette gegangen. Aber er hat es nicht ausgehalten, er ist zwischendurch wieder rausgegangen nach Hause. Und jetzt sitzen sie am Heiligabend am Weihnachtsbaum und wissen mit diesem Fest absolut nichts anzufangen. Und was macht der Mann? Er nimmt seine Weihnachtspost zur Hand und blättert so die Karten durch, die man ihm geschrieben hat. Was man da so alles schreibt ... : Geruhsame Feiertage, frohes Fest, guten Rutsch usw. Aber es war eine Karte dabei, da stand auf der Vorderseite die Weihnachtsbotschaft: „Heute ist euch der Heiland geboren, Christus der Herr.“ Und als der Mann das in dieser Situation las - ich weiß nicht wie Gott das gemacht hat - , da hat er es nicht mehr zu Hause ausgehalten. Er ist zur Kirche gerannt, spät abends, die Kirche war schon verschlossen. Dann kam er zu uns zum Pfarrhaus - und darum wissen wir diese Geschichte überhaupt. Er fragte: „Kann ich noch mal in die Kirche rein?“ Wir haben ihm die Kirche aufgeschlossen. Und dann hat dieser Mann fast eine Stunde lang ganz allein in der Kirche vor der Krippe geweint. Alle seine Bitterkeit, seine Enttäuschung, alles, was zerrissen war in seinem Leben, alle Zweifel, die er hatte, alles was in seinem Verhältnis zur Kirche und zu Gott zerbrochen war, das hat er abends ganz allein im Dunkeln vor der Krippe herausgeweint. Und als er dann wieder zurückkam zum Pfarrhaus und sagte, wir könnten die Kirche wieder zuschließen, da war dieser Mann ein neuer Mensch geworden, bis in die äußeren Gesichtszüge: Ein Leuchten und ein Strahlen.
Dieser Mann hatte die Weihnachtsbotschaft erfahren. „Heute ist dir der Retter geboren, Christus der Herr.“ Und ich wünsche Ihnen an diesem Weihnachtsfest, dass Sie dieses eine erleben, nicht nur dass Sie sich freuen über Geschenke, das auch, aber dass Sie auf Ihre ganz persönliche Weise erfahren: „Heute ist Dir der Retter geboren, er ist für dich da, der Christus der Herr.“ Amen.
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