Pfarrer Karl Sendker

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1. Predigt zum Evangelium:   Lk 24,1-12

2. Predigt zum Evangelium:   Lk 24.1-12

Predigttext:       Lk 24,1-12

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Diese Berichte über die Begegnung am Grabe des Auferstandenen stecken, wenn man einmal genauer hinschaut, voller Merkwürdigkeiten.

 

Eine erste Merkwürdigkeit:

Man hätte doch annehmen sollen, dass diese größte Botschaft der Weltgeschichte: „Der Sohn Gottes, der Gekreuzigte, ist auferweckt worden und er lebt!“, dass diese Botschaft im Tempel von Jerusalem verkündet wurde und zwar von den Hohenpriestern, den Schriftgelehrten, den damaligen Theologen und den Ältesten. Nun kann man sagen: das waren ja die Juden, und die hatten ihn ja kreuzigen lassen. Aber dann hätte man doch eigentlich erwarten sollen, dass diese Botschaft zuerst einmal von den auserwählten Aposteln hätte verkündet werden sollen. Aber nein, merkwürdigerweise sind es ‚nur’ ein paar Frauen Ein paar einfache, schlichte Frauen werden die ersten Prediger und Verkündiger der Osterbotschaft. Was waren das für Frauen? Maria von Magdala; von der wird im Evangelium gesagt, dass Jesus sie von Dämonen befreit hat. Die war von Dämonen besessen gewesen. Dann war eine Johanna dabei; das war die Frau eines Verwalters des Königs Herodes. Und noch ein paar ganz unscheinbare Frauen, die häufiger im Evangelium erwähnt werden; die eigentlich nirgendwo besonders auffallen. Nicht einmal die Mutter Jesu war dabei; jedenfalls wird sie nicht erwähnt. Und diese ganz einfachen Frauen, die immer nur dabeigestanden waren, die nie besonders aufgefallen waren, die keine eigene Berufungsgeschichte nachweisen konnten, diese Frauen werden von Gott gewürdigt, als erste Zeugnis geben zu dürfen: „Der Gekreuzigte ist auferstanden. Er lebt!“ Ich denke, dass das für uns heute eine wichtige Botschaft ist.

Sehen Sie, es stimmt, dass Jesus keine Frauen zu Aposteln berufen hat. Aber eins ist genau so richtig: Die ersten Zeugen der Auferstehung sind ein paar ganz schlichte Frauen. Das ist die Würde, die Gott geschenkt hat. Und das darf man in unserer Zeit nicht verschweigen.

 

Eine zweite Merkwürdigkeit:

Man sollte doch eigentlich annehmen: Wenn diese Botschaft zum ersten Mal aufleuchtet: „Der Gekreuzigte ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er es euch gesagt hat“, dass dann Freude aufbricht und Jubel aufkommt in den Herzen der Menschen. Aber nichts davon! im in den ganzen Bericht keine Spur von Freude zu finden. Ganz im Gegenteil: Schrecken, Entsetzen, Ratlosigkeit, ungläubiges Staunen, aber nichts von Freude. Selbst die Emmausjünger am Osterabend, die mit einem gekickten und gebrochenen Herzen nur noch den einen Wunsch haben: Weg von Jerusalem, wo all ihre Hoffnung zerbrochen war; auch die Emmausjünger hatten die Botschaft von der Auferstehung schon gehört. Als Jesus sie fragt, erzählen sie so ganz unbefangen: „Heute morgen waren einige Frauen von uns am Grab. Die haben gesagt, sie hätten eine Erscheinung gehabt von einem Engel. Und der Engel habe gesagt, dass Jesus lebt.“ Diese Emmausjünger hatten die Botschaft von der Auferstehung schon gehört. Nun glaubt man ja so einfachen Frauen nicht unbedingt; da hält man ja für Geschwätz. Aber die Emmausjünger sagen dann noch: Einige von den Unseren, von den Jüngern sind hingegangen und fanden alles so, wie die Frauen gesagt hatten. Und trotzdem, immer noch die Trauer im Herzen der Emmausjünger. Woran liegt das?

Du kannst noch so viele Osterpredigten hören. Du kannst Dir ein Osteroratorium von einem berühmten Komponisten anhören. Diese österliche Freude, dieser Jubel wird nicht aufkommen. Außer: Und darauf geben uns die Emmausjünger einen entscheidenden Hinweis. Als sie von den Frauen reden, die am Grab waren, da sagen sie: „Ihn selbst haben sie nicht gesehen.“

Diese Frauen, die am Grab waren, die waren auf dem Friedhof. Sie suchten Jesus an der verkehrten Stelle. Sie wollten einen Leichnam einbalsamieren. Und darum trifft sie am Grab die Botschaft der beiden Engel: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Ihr müsst den Lebendigen suchen, nicht den Toten! Ihr müsst nicht zum Grab kommen, denn das Grab ist leer; da ist er nicht. Ihr sucht den Toten, aber ihr müsst den Lebendigen suchen.

Und das gilt für uns genau so. Ich sag das einmal sehr pointiert gerade auch in unserer Zeit, wo die Theologen so hoch im Kurs stehen: Wir brauchen den Lebendigen; wir brauchen nicht eine theologische Diskussion über die Auferstehung. Wir brauchen den Lebendigen und die Begegnung mit ihm. Wenn diese Begegnung mit dem Lebendigen auch heute nicht geschieht, dann bleibt all unser Osterglaube reine Theorie, und er wird nie zu diesem Jubel führen und zu dieser Freude.

Ich glaube, dass man heute diesem Lebendigen begegnen kann, diesem auferstandenen Herrn. Ich will Ihnen nur eine Erfahrung berichten, die mich vor einigen Jahren sehr getroffen hat:

Wir hatten damals wie an jedem Gründonnerstag nach der Abendmahlsfeier die Betstunden in der Kirche. Und die letzte Betstunde von 23 – 24 Uhr hatten die Jugendlichen übernommen. Wie in jedem Jahr gab es da ein Team, das diese Betstunde vorbereitet hat. Sie hatten ein schönes Konzept erarbeitet: Im Mittelpunkt der Betstunde stand eine Bild des Malers Otto Dix „Der Hahnenschrei“. Dazu wurde die Geschichte aus dem Evangelium gelesen, wo Jesus von Petrus verleugnet wurde; wo Jesus dann den Petrus anschaute, als der Hahn kräht; und wo Petrus dann raus rannte und bitterlich zu weinen begann. Um diese Begebenheit hatten die Jugendlichen noch weitere Texte, Gebete und Lieder ausgesucht. Nachdem nun diese Geschichte vorgelesen war von der Verleugnung des Petrus, war eine längere Zeit der Stille. Das war so eingeplant. Aber plötzlich, und das war nicht so vorgesehen, las jemand von den Jugendlichen ein anderes Evangelium vor: Wo Jesus nach seiner Auferstehung den Petrus drei Mal fragt: „Liebst du mich?“ Wo dann Petrus wieder anfängt zu weinen und dann unter Tränen sagt: „Herr, du weißt alles, du weißt auch, dass ich dich lieb habe.“ Dann war in der Kirche wieder Stille. Und in diese Stille hinein sagt plötzlich ein Mädchen laut: „Jesus, ich liebe dich!“ Ich habe als Priester vorher noch nie gehört, dass jemand das laut gesagt hat: „Jesus, ich liebe dich!“ Mir ist das Blut in den Kopf geschossen; wahrscheinlich bin ich knallrot geworden. Ich habe gehört, wie in der Bank hinter mir jemand gemurmelt hat: „Jesus, ich lieb dich auch.“ Und dann konnte man merken, wie hier und da einige anfingen zu weinen. Das Mädchen, das Gitarre spielte, die ganz vorne in der ersten Bank am Mikrofon saß, die hat ganz vergessen, dass sie ein Mikrofon vor sich hatte, die wurde ganz unruhig: Ich kann das nicht sagen: ‚Jesus, ich liebe dich.’ Dann ist ein anderer Jugendlicher zu diesem Mädchen hingegangen und hat für dieses Mädchen laut gebetet, ohne daran zu denken, dass das Mikrofon alles in die ganze Kirche übertrug. Und dann fing hier einer an zu beten und da einer an zu beten mit eigenen Worten, was sie bis dahin noch nie getan hatten. Jeder von uns hat in dieser Stunde gespürt: Jesus ist hier. Wissen Sie, woran man das merken konnte? Die gleichen Jugendlichen, die sonst immer so schnell auf die Uhr schauen, wenn ein Gottesdienst oder eine Betstunde einmal etwas länger dauert, die haben überhaupt nicht mehr gemerkt, wie die Zeit verrann. Um 24 Uhr sollte Schluss sein. Als wir das erste Mal auf die Uhr schauten, da war es kurz vor 1 Uhr; der Karfreitag war schon angebrochen. Und als ich um kurz nach 1 Uhr zu dem jungen Mann hinging, der die Vorbereitung geleitet hatte, und ihm sagte: Sollen wir nicht irgendwann jetzt mit dem Segen abschließen? Da schreckte der hoch uns sagte ganz verdutzt: „Wir haben doch nicht einmal ein Viertel vom ‚Programm’ geschafft. Auf einmal kam das Programm wieder auf den Tisch. Vorher war das Programm ganz weg gewesen. Wissen Sie was da passiert war: Jesus, der in unserer Mitte war, hat ‚Programm gemacht’. Und jeder spürte: ER war da.

Und es war ganz merkwürdig – Gott hat manchmal eine andere Zeitplanung. Als wir dann Schluss gemacht haben, da hatte jeder von uns den Eindruck: Jetzt ist Ostern, obwohl doch gerade erst der Karfreitag angebrochen war. Es war eine solche Freude in unserem Herzen: Wir hatten zum ersten Mal gespürt: Jesus lebt! Und dann vergisst man alles andere drum herum. Alles andere wird auf einmal so egal.

Und wissen Sie, was noch ist: Wer das erlebt hat, der kann es nicht mehr für sich behalten. Der muss hingehen und anderen davon erzählen. So wie die Emmausjünger die 17 Kilometer zurückgelaufen sind nach Jerusalem. So wie die Frauen vom Grab gerannt sind zu den Aposteln hin; sie mussten es ihnen einfach sagen. Wenn diese Botschaft nur Theologie ist oder eine Predigt, die man gehört hat, dann kann man das auch für sich behalten. Aber wer einmal gespürt hat: Jesus lebt, der kann es nicht mehr für sich behalten.

 

Ich will noch einen kleinen Nachtrag machen; wir müssen einmal etwas Phantasie haben: Am Osterabend fragen die Apostel die Frauen, die morgens am Grab gewesen waren: „Wo habt ihr eigentlich euren Balsam gelassen, eure wohlriechenden Salben?“ Das war doch damals etwas ganz kostbares, was jede Frau hütete. „Wo habt ihr eigentliche den Balsam gelassen?“ Die Frauen stutzen und sagen: „Ja, richtig, der Balsam, wo ist der eigentlich? Der wird wohl noch am Grab sein. Die Frauen hatten gar nicht gemerkt: Was ihnen vorher so kostbar gewesen war, das hatten sie einfach am Grab stehen gelassen. Ihnen war nur noch eins wichtig: Jesus lebt.

Und ich kann mir denken, dass der Petrus still genickt hat: Genau so ist es mir gegangen damals am See, als Jesus mich gerufen hat. Da hab ich meine Netze, meinen Beruf, meinen Vater, alles zurück gelassen. Alles war mir unwichtig. Mir ging es nur noch um dieses Eine. Ihm nachzufolgen.

Und ich sehe, wie in der anderen Ecke der Zöllner Matthäus sitzt und auch nickt. Ja, als damals Jesus bei meiner Zollstelle vorbei gekommen ist: Ich hab die Kasse, die voll war mit Geld einfach stehen gelassen und bin mit ihm mitgegangen. Es war für mich so unwichtig, was mit der Kasse passierte. Jesus war für mich wichtig. Und der Apostel Paulus schreibt etwa 20 Jahre später im Brief an die Philipper: Alles, was mir früher wichtig war, das hab ich für Mist geachtet. Ich möchte nur noch eins: Ihn, Jesus, möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung, damit ich an IHM Anteil habe.

Und das wünsche ich Ihnen als Gemeinde heute zum Osterfest. Nicht einfach nur „Frohe Ostern!“ Das sagt sich so schnell. Sondern, dass es Ihnen geschenkt wird, IHM, dem Lebendigen wirklich zu begegnen. Vielleicht in einem Wort der Heiligen Schrift wie den Emmausjüngern; vielleicht gleich in der heiligen Kommunion; vielleicht in einem guten Gespräch auf dem Weg nach Hause. Ich weiß nicht wie, Gott hat ganz viele Wege. Aber dass Sie irgendwo spüren in Ihrem Herzen: ER lebt! Und dass dann diese österliche Freude in Ihnen aufbricht.  Amen.

 

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Predigttext:       Lk 24,1-12

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Ein paar Frauen gehen morgens in aller Herrgottsfrühe zum Grab, als die Sabbatruhe, die bei den Juden vorgeschrieben war, gerade zu Ende war, bei Tagesanbruch. Die erste Chance, die sie hatten, nutzten sie, um zum Grab zu gehen. Sie haben ihre Salben mitgenommen, die sie zubereitet hatten, kostbare teure Öle, um Jesus einzubalsamieren, um ihm den letzten Liebesdienst zu erweisen.

Wenn man diese Berichte liest, wie die Frauen zum Grab gingen, dann spürt man die große Liebe, die sie zu Jesus hatten. Sie waren etwa drei Jahre mit ihm zusammen gewesen. Aber diese Liebe hatte einen ‚Haken’. Diese Frauen wollten einem Toten den letzten Liebesdienst erweisen. Sie suchen den Gekreuzigten, den man ins Grab gelegt hatte. Sie wollten einen Leichnam einbalsamieren, einen Toten. Darum sind sie auf einmal ganz ratlos, als der Tote, den sie suchen, nicht da ist, als sie seinen Leichnam nicht finden. Und dann hören sie die Botschaft der zwei Engel: Ihr sucht am falschen Platz. Ihr sucht den Lebenden bei den Toten. Aber er ist nicht bei den Toten. Er ist auferweckt worden, er lebt.

 

Manchmal denke ich, dass wir Christen heute vieles mit diesen Frauen gemeinsam haben. Jeder von uns – ich unterstell das einfach einmal – liebt Jesus Christus. Aber lieben wir Jesus Christus wie einen Toten oder wie einen Lebendigen? Gilt uns auch der Ruf der beiden Engel: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Oder suchen wir und lieben wir wirklich einen lebendigen Jesus Christus?

In meiner ersten Kaplansstelle ist mir das einmal schlagartig zur Frage geworden. Wir saßen damals mit einer kleinen Gruppe von Ordenfrauen zusammen. Wir hatten einen Bibelkreis. Es war ungefähr um Allerheiligen herum. Eine alte Ordensschwester sagte uns: „Wenn man einem Toten, den man gerne gehabt hat, wenn man den nach seinem Tod noch ehrt; wenn man zeigen will, dass man ihn geliebt hat, wie äußert sich das dann ganz konkret?“ Dann haben die anderen Schwestern aufgezählt: „Man stellt ihm Blumen aufs Grab. Man stellt ihm jetzt zu Allerheiligen ein Licht auf das Grab. Man hängt sein Bild an die Wand, oder stellt es auf den Schreibtisch. Und wenn man mit Leuten zusammen ist, die den Verstorbenen auch gut gekannt haben, dann erzählt man, was man früher alles mit dem Verstorbenen erlebt hat ...“ Und dann sagte die alte Ordensfrau: „Wenn wir es jetzt einmal umgekehrt machen. Bei einem Lebenden, den man gern hat, wie äußert sich denn da die Liebe? Ich weiß noch gut: Da strahlte eine junge Ordensschwester: „Wenn mein Bruder zu Besuch kommt – und der kommt nur ganz selten einmal - , dann nehme ich mir dienstfrei, dann trinken wir mit einander Kaffe und erzählen uns alles, was uns im Augenblick bewegt.“ Wir wussten gar nicht so genau, was die alte Ordensschwester mit diesen Fragen bezweckte. Aber dann hielt sie uns auf einmal gleichsam einen Spiegel vor und sagte: „Überlegt doch einmal, wie wir das mit Jesus machen: Wir stellen ihm Blumen hin, wir stellen ihm Kerzen hin, wir hängen sein Bild an die Wand, das Kreuz. Die Priester erzählen in der Predigt, was dieser Jesus früher alles getan und geredet hat ...  Im Grunde behandeln wir Jesus wie einen Toten. Wir lieben ihn, aber wir lieben ihn, wie man einen Toten liebt, nicht wie einen Lebendigen.“ Mir ist damals schlagartig klar geworden. Diese alte Ordensfrau hat Recht. Da war etwas, was uns allen fehlte. Wir liebten Jesus, aber Jesus war für uns nicht der Lebendige. Hinterher ist mir so bewusst geworden: Wenn die Apostel damals gepredigt haben, dann haben sie auch erzählt, was Jesus früher getan hat. Aber zuerst einmal haben sie verkündet, was Jesus, der Auferstandene heute wirkte durch ihre Hände. Sie erlebten tagtäglich, dass Christus sich als der Lebendige erwies. Das konnte man miterleben. Und darüber haben sie gesprochen. Und wenn sie von Früher erzählten, dann waren die heutigen Erfahrungen gleichsam die Bestätigung dafür, dass das nicht erfundene Geschichten über Jesus sind. Sie predigten zunächst einmal wie Jesus, der Auferstandene jetzt durch ihre Hände Zeichen und Wunder gewirkt hat; wie Menschen verwandelt wurden durch ihre Verkündigung. Und das war der Erweis dafür, dass dieser gekreuzigte Jesus wirklich lebte. Das brauchte man nicht nur zu glauben, nein man erlebte es mit im Wirken der Apostel.

Könnte es sein, dass die Menschen heute mit dem Osterfest, mit der Auferstehung, oder besser gesagt: mit dem Auferstandenen nichts mehr anfangen können, weil wir ihnen dieses gelebte Glaubenzeugnis nicht mehr vorleben; weil wir selber dem Auferstandenen nicht mehr begegnen; weil wir selber die Auferstehungskraft Jesu nicht erfahren?

 

Ostern 1975, ich war damals Kaplan. Weil wir in der Pfarrei zu mehren Priestern waren, konnte ich über die Kar- und Ostertage Exerzitien halten für eine Gruppe von CAJ-lern, junge Männer aus dem Ruhrgebiet, die zum größten Teil noch in der Ausbildung waren. Diese Tage von Gründonnerstag bist Ostersonntag waren ja auch damals für die Jünger gleichsam wie ‚Exerzitien’.

Es war ein junger Mann dabei, Werner, da war zu den Exerzitien gekommen mit einem so finsteren Gesicht, dass wohl kaum ein Mädchen mit dem abends allein über die Straße gehen würde. Er konnte auch keinen anderen anschauen, er blickte immer zur Seite oder nach unten. Als der auf dem Zimmer seine Tasche auspackte: Eine Flasche Schnaps, eine Flasche Wermutwein ... Hinterher hat er uns erzählt: Er war nur mitgefahren, um die Exerzitien kaputt zu machen. Das hatte er im Jahr vorher geschafft. Und das hatte er sich auch diesmal vorgenommen.

Das hatte zur Folge, dass es mehr als einen Tag lang praktisch nicht möglich war, mit diesen jungen Männern etwas geistlich zu tun, geschweige denn, sinnvoll Gottesdienst zu feiern. Alle, die wirklich Exerzitien machen wollten, kamen kaum zum Zuge, weil sie verschüchtert waren. Eigentlich war es bei den CAJ - Exerzitien üblich, auch eucharistische Anbetung zu halten. Aber nein, darauf hatten sie ‚keinen Bock’; lieber wollten sie Karten spielen.

Die CAJ Sekretärin, die als Begleitung dabei war, wollte schon den Werner nach Hause bringen. Aber ich sagte ihr: „Warten Sie noch einen Tag, bis Karfreitag. Vielleicht gibt es ja doch noch eine Chance.“ Am Karfreitag saßen wir morgens im Meditationsraum im Kreis auf dem Boden. Die Fenster waren verdunkelt. Nur eine Kerze brannte in der Mitte. Dann haben wir die Geschichte vom Verlorenen Sohn gelesen. Jeder hatte den Text in der Hand. Ich hatte die Jugendlichen gebeten, sie möchten doch einmal in die Stille hinein noch einmal den Satz vorlesen, der sie besonders angesprochen hat. Und ich habe ihnen empfohlen: Fang doch einmal mit ganz schlichten Worten an, zu Gott, zu Jesus ‚Du’ zu sagen im Gebet. Etwa: Wenn dich angesprochen hat, dass der Vater beiden Söhnen entgegenkommt, dann sag doch einfach einmal im Gebet: „Vater, ich danke dir, dass du den Menschen entgegenkommst.“ Rede Gott doch einmal mit ‚Du’ an.

Alle saßen im Kreis um die Kerze. Nur eine räkelte sich auf dem Boden herum, der Werner. Und er zeigte mit seiner ganzen Körperhaltung, was er davon hielt. Einige von den anderen fingen an zu beten, wie ich es ihnen vorgemacht hatte, mit ganz schlichten Worten. Und dann passierte etwas, da ist es mir wie ein Schauer über den Rücken gelaufen. Ein Arbeitskollege von dem Werner, der mit ihm zusammen in einer Autowerkstatt arbeitete sagte plötzlich halblaut: „Jesus, lass den Werner das doch auch spüren, wie schön das ist, wenn man zu dir ‚Du’ sagen kann.“ Und in dem Augenblick fing der Werner an zu weinen. Die Tränen liefen nur so herunter, und das ist bei einem jungen Mann in dem Alter wahrlich nicht normal. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt. Die anderen Jugendlichen saßen meist mit offenen Händen im Kreis. Es hat lange Minuten gedauert, bis der Werner plötzlich seine Hände aufmachte und mit geöffneten Händen auf dem Boden saß. Und dann fing er an, mit stammelnden Wortfetzen zum Jesus ‚Du’ zu sagen.

Von dem Augenblick an war dieser Werner ein verwandelter Mensch. Als wir hinterher das elektrische Licht einschalteten und sein Gesicht sahen: Das war nicht mehr der gleiche. Alles Finstere und Verbissene in seinem Gesicht war verschwunden. Es war nur noch ein Strahlen da. Zum ersten Mal erlebten wir, dass er uns ins Gesicht schauen konnte.

 

Und dann haben wir die Osternacht gefeiert. Wir saßen im Meditationsraum im Kreis auf dem Fußboden. In der Mitte die Osterkerze. Jeder hatte eine Kerze in der Hand, die noch nicht angezündet war. Wir hatten vereinbart: Jeder, der wollte, sollte in die Mitte zur Osterkerze gehen und seine Kerze anzünden und dann einfach erzählen: Wo ist mir in diesen drei Tagen Jesus zum Licht geworden? Und dann haben die erzählt; da hat es mir an manchen Stellen die Tränen in die Augen getrieben. Und dann stand auf einmal der Werner auf, ging zur Osterkerze und zündete seine Kerze an. Dann hat er eine lange Zeit erzählt. (Daher weiß ich eigentlich erst, dass er nur gekommen war, um die Exerzitien zu stören.) So eine „Osterpredigt“ wie von dem Werner hab ich nie wieder  und auch nie vorher gehört. Nachdem er fertig war, ging er mit seiner Kerze quer durch den Kreis zu seinem Arbeitskollegen, der ihm gegenüber saß. Er gab dem seine Kerze und sagte. „Eigentlich gehört meine Kerze dir. Wenn du nicht für mich gebetet hättest, dann hätte ich nicht erfahren, dass Jesus lebt.

 

Schwestern und Brüder, das ist Begegnung mit dem Auferstandenen. Natürlich ist das in jeder Situation und bei jedem Menschen anders. Aber eines ist sicher: Ob das die Emmausjünger waren oder der Werner, diese Freude, die von innen kommt, die man nicht mehr machen muss und die nicht nur aus Ostereiern besteht, diese Freude kommt dann in uns auf, wenn wir dem Auferstandenen begegnet sind.

Ich wünsche Ihnen zum Osterfest dieses eine (Man sagt ja so schnell: Frohe Ostern!), dass Sie selber dem Auferstandenen begegnen, wie auch immer das Im Einzelnen sein mag. Und dass Ihr Herz anfängt zu brennen über die Gewissheit: ER lebt!   Amen.

 

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