Pfarrer Karl Sendker

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Leben mit Gottes Wort

 

Hinweise zum persönlichen Bibellesen

 

Viele Menschen haben in den letzten Jahren die Bibel neu entdeckt als Richtschnur und Kraftquelle für ein Leben in der Nachfolge Christi. Diese Entwicklung läuft parallel zu vielfältigen geistlichen Aufbrüchen in der Kirche. Gleichzeitig besteht bei vielen Christen eine große Unsicherheit, ja manchmal Angst im Umgang mit der Bibel.

Auf der einen Seite haben manche Äußerungen aus dem Raum der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Bibel (Exegese) den Eindruck erweckt, man müsse praktisch erst theologische Grundkenntnisse haben, um überhaupt verantwortlich die Bibel lesen zu können.

 Auf der anderen Seite sind manche Christen einem völlig „wortgläubigen“, unkritischen und manchmal die biblische Botschaft entstellenden Umgang mit der Bibel aus dem Raum der Freikirchen begegnet (Fundamentalismus).

Um hier eine Ermutigung und Wegweisung zu geben werden seit etlichen Jahren vielfältige geistliche Bibelkurse angeboten, die Hilfestellung geben wollen für den rechten Umgang mit der Bibel sowohl für den Einzelnen wie auch für Gruppen. Im Rahmen solcher Bibelkurse habe ich auf Bitten der Teilnehmer hin oft einige grundlegende Aspekte zum Bibellesen zusammengetragen, die immer eine Auswahl waren und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhoben. Es handelt sich oft um ganz Einfache Dinge, die aber Vielen hilfreich geworden sind, Freude an Gottes Wort zu finden. Einige dieser Aspekte möchte ich hier weitergeben an alle, die es lernen möchten, mit Gottes Wort zu leben.

 

1. Was suchst du?

 

Als nach der Darstellung des Johannesevangeliums die ersten Jünger auf das Wort Johannes' des Täufers hin hinter Jesus hergehen, einen ganz anfänglichen, ersten Schritt der Nachfolge tun, da dreht Jesus sich um und fragt die beiden: „Was sucht ihr?“ (lies Joh 1,35‑40) Wenn jemand im Wort Gottes zu lesen beginnt, wenn er so einen anfänglichen, vielleicht zaghaften Schritt in der Nachfolge Jesu tut, dann wird es gut sein, sich über diese Frage Rechenschaft zu geben: „Was suchst du?“

Im letzten Jahr habe ich noch Einmal das Buch von Werner Keller gelesen: ‚Und die Bibel hat doch recht’. Da ging es in einem Kapitel um die kulturellen Gewohnheiten zur Zeit des Propheten Jesaja. Es war beeindruckend, was der Verfasser aus der Bibel zu diesem Thema zusammengetragen hatte. Es gibt sicher viele interessante Dinge, die ich in der Bibel suchen kann und auf die ich dann auch Auskunft bekomme. Aber gerade hier ist mir die Frage neu wichtig geworden: Was suchst du, wenn du in der Bibel liest?

Vielleicht ist es gut, die Bibel selbst einmal zu befragen. Es gibt in der Bibel selbst einige Hinweise, wie sie gelesen werden will. In einer Schlussbemerkung zum Johannesevangelium schreibt der Verfasser: „Noch viele andere Zeichen, die nicht in diesem Buch aufgeschrieben sind, hat Jesus vor den Augen der Jünger getan. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.“ (Joh 20,30‑31) Die Beschäftigung mit der Bibel will uns zum Glauben führen an Jesus, den Messias, den Sohn Gottes, damit so unser Leben eine neue Qualität bekommt als „Leben in Fülle“ (vgl. Joh 10,10)

Wenn wir neu die Frage stellen: Was suchst du?, dann ist vielleicht die tiefste Antwort die, die Paulus im Philipperbrief gleichsam ausruft: „Christus möchte ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden“ (Phil 3,10)

Eine empfehlenswerte Einleitung ins Neue Testament von Prof. Otto Knoch trägt den Titel: ‚Begegnung wird Zeugnis’. Das ganze Neue Testament besteht aus aufgeschriebenen Zeugnissen von Jesusbegegnungen. Das ist die Mitte. Und nun will die Beschäftigung mit diesen aufgeschriebenen Zeugnissen wieder zur Begegnung mit Jesus Christus führen. Es geht also beim Bibellesen zunächst nicht um die Vermehrung von theologischem Wissen, sondern es geht um die Begegnung mit dem lebendigen Gott.

Aber was ist mit dem Alten Testament, wenn ich mir die Frage stelle, was suchst du? Auch hier gibt uns das Neue Testament einige Hinweise: In 1 Kor 10,1‑10 macht Paulus einen kurzen Gang durch die alttestamentliche Geschichte Gottes mit seinem Volk und der meist negativen Reaktion des Volkes. Dann schreibt Paulus in Vers 11, warum er diesen Gang durch das Alte Testament macht: „Das aber geschah ihnen, damit es uns als Beispiel dient; uns zur Warnung wurde es aufgeschrieben“. Ähnlich schreibt Paulus in Röm 15,4, nachdem der aus dem Alten Testament Psalm 69,10 zitiert hat: „Und alles, was einst geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch Geduld und durch den Trost der Schrift Hoffnung haben“. Es geht Paulus also darum, Belehrung, Hoffnung und auch Warnung für das eigene Leben zu erhalten, wenn er im Alten Testament vom Handeln Gottes mit seinem Volk liest.

Ich möchte Sie ermutigen, ganz persönlich im Gebet vor dem Angesicht Gottes diese Frage zu erwägen: Was suchst du? Und vielleicht lassen Sie sich die Antwort schenken, die der Beter des 63. Psalms gegeben hat: „Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir ... Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum, um deine Macht und Herrlichkeit zu schauen.“

 

II. Nimm dir eine gute Zeit

 

Die Beschäftigung mit der Bibel will zur Begegnung werden mit dem lebendigen Gott. Begegnung aber braucht Zeit, gute Zeit, damit sie gelingt. Das ist schon zwischen Menschen so und erst recht, wenn der Mensch Gott begegnen will.

Mit einer ‚guten Zeit’ meine ich zweierlei:

1. Nimm dir ausreichend Zeit. Das Wort Gottes wird in der Bibel manchmal mit Einer Speise verglichen. „Fanden sich Worte von dir, so waren sie meine Speise ...“ (Jer 15,16) Aber wie man sich im natürlichen Leben nicht davon ernähren kann wenn man gelegentlich eine Salzstange oder ein Stück Schokolade isst, so braucht auch das geistliche Leben mehr Nahrung als geistliche Salzstangen. Es genügt nicht, wenn meine geistliche Nahrung darin besteht, dass ich gelegentlich einen einzelnen Bibelvers meditiere. (Hier liegt auch die Grenze der Losungs- und Andachtsbücher aus dem evangelischen Raum.) Paulus rät uns in Kol 3,14, dass das Wort Gottes in uns wohnen soll mit seinem ganzen Reichtum. Erst dann, wenn das Wort Gottes reichlich in uns Wohnung hat nehmen können, ist es sinnvoll, mit einem einzelnen Bibelwort eine Zeit lang ‚Umgang zu haben’. Wenn ich im natürlichen Leben aus irgendwelchen Gründen an einem Tag nicht zum Essen komme, werde ich davon nicht sterben. Aber wenn ich mir regelmäßig keine Zeit zum Essen nehme, leidet meine Gesundheit Schaden. Ebenso ist es im geistlichen Leben. Wer nicht regelmäßig im Wort Gottes geistliche Nahrung zu sich nimmt, dessen Christsein bleibt unentwickelt. Jesus sagt einmal im Johannesevangelium: „Dies alles habe ich zu euch geredet, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.“ (Joh 15,11) Vielleicht gibt es so viel freudloses Christentum unter uns, weil wir Christus nicht die Gelegenheit geben, zu uns zu reden.

Dazu noch ein paar praktische Hinweise. Man sollte die Zeit, die man sich zum Bibellesen nimmt, nicht von Lust‑ oder Unlustgefühlen abhängig machen. Manche Teilnehmer eines Bibelkurses haben nach dem Kurs aus einem Überschwang heraus angefangen, täglich eine ganze Stunde in der Bibel zu lesen. Nach drei Wochen war es noch eine Viertelstunde täglich; dann lasen sie nur noch ab und zu, und schließlich war es ganz aus.

Man sollte sich im Gebet in Klugheit eine bestimmte Zeit täglich vornehmen, vielleicht 20 Minuten. Diese täglichen 20 Minuten will ich jetzt drei Wochen lang durchhalten. Und dann nach Ablauf der drei Wochen wieder im Gebet überprüfen: War es zu viel? Könnte ich noch zulegen? Auf diese Weise einen guten eigenen Rhythmus finden. Es kann auch sein, dass ich mich dann für einen anderen Rhythmus als für den täglichen Entscheide.

 

2. Nimm dir eine Zeit, in der du wach bist und ganz da sein kann Wenn ich mir abends als allerletztes, nach dem Fernsehprogramm und einigen Flaschen Bier, meine Zeit zum Bibellesen nehme, dann darf ich mich nicht wundern, dass dabei nicht viel herauskommt. In der Bibel wird an einigen Stellen vom frühen Morgen als der guten Zeit gesprochen. „Schon beim Morgengrauen komme ich und flehe; ich warte auf dein Wort. Meine Augen eilen den Nachtwache voraus; denn ich sinne nach über deine Verheißung.“ (Psalm 119,147)

Es hat einiges für sich, am frühen Morgen sich Zeit zu nehmen. Dann kann das Wort Gottes den noch offen vor mir liegenden Tag prägen. Es kann aber auch sinnvoll. sein, wenn ich am Abend den Tag und seine vielen Begebenheiten mit dem Wort Gottes konfrontiere. (Dazu mehr in einem späteren Abschnitt.) Die Zeit, wo man ganz da ist, ist nicht bei jedem Menschen gleich. Jeder muss seine ‚gute Zeit’ entdecken. Ich kenne eine Reihe von Berufstätigen, die morgens eine halbe Stunde früher aufstehen, um mit einer stillen Zeit über dem Wort Gottes in den Tag zu gehen. Dazu gehört vielleicht viel Disziplin aber es lohnt sich. Ich weiß von manchen Schülern, die gesagt haben: Nachmittags, die erste Viertelstunde vor den Hausaufgaben gehört Gott. Wer das als Schüler ernst nimmt, bekommt ein neues, verantwortliches Verhältnis auch zu den Hausaufgaben. Etliche Mütter haben auf Bibelkursen berichtet: Die günstigste Zeit für sie sei die Zeit morgens gegen 9 Uhr, wenn die Kinder in der Schule oder im Kindergarten sind. Man muss einmal auf Entdeckungsreise gehen durch den eigenen Alltag, um die ‚gute Zeit’ zu finden.

 

Übrigens : Eine der häufigsten Entschuldigungen lautet: Ich habe keine Zeit zum Bibellesen. An diesem Einwand ist eins richtig: Zeit zum Bibellesen hat keiner, weder der Priester noch die Ordensfrau noch die Mutter noch sonst jemand. Diese Zeit muss ich mir schon nehmen. Aber eins darf man auch in unserer hektischen Zeit sagen: An dem Maß der Zeit, die ich mir für eine bestimmte Sache nehme, kann jeder ablesen, wie wichtig mir diese Sache ist. Das gilt auch für die Begegnung mit Gott in seinem Wort.

 

III. Das Gebet um Öffnung des Herzens

 

Es ist ein Unterschied, ob ich im Wort Gottes lese oder ob Gott zu mir durch sein Wort spricht. Es kann sein, dass ein ganz bestimmtes Wort oder ein Abschnitt der Bibel mich in meiner jetzigen Situation ganz persönlich trifft. Ich weiß plötzlich: Ich bin gemeint. Ob das bei meinem Bibellesen geschieht, darüber kann ich nicht verfügen, das kann ich nicht machen. Ich kann mich jedoch dafür öffnen, und auch das ist im Letzten ein Geschenk.

Auf seiner Missionsreise kommt Paulus nach Philippi im Norden Griechenlands. Er trifft ein paar Frauen am Fluss und verkündigt ihnen die Frohe Botschaft. Unter diesen Frauen war auch eine Purpurhändlerin namens Lydia. Von ihr heißt es: „Der Herr öffnete ihr das Herz, dass sie den Worten des Paulus aufmerksam lauschte. Sie ließ sich samt ihrem Hause taufen“. (lies Apg 16,11‑15) Dass diese Frau zum Glauben kam, hing damit zusammen, dass Gott ihr das Herz geöffnet hatte für die Botschaft der Erlösung.

Paulus wusste, wie wichtig es ist, dass Gott uns öffnet. In seinem Beten für die Gemeinde, an die der Epheserbrief geschrieben ist, steht diese Bitte an bevorzugter Stelle: „Der Gott Jesu Christi ... gebe euch den Geist der Weisheit und Offenbarung, damit ihr ihn recht erkennt. Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr berufen seid ...“  (lies Eph 1, 17‑20) An dieser Stelle wird auch deutlich, dass das Öffnen des Herzens ein Wirken des Heiligen Geistes ist.

Im Alten Testament gibt es beim Propheten Jesaja vier Lieder von einem Gottesknecht. In diesem Gottesknecht haben die Christen ihren Herrn Jesus Christus wieder erkannt (lies Jes 52,13‑53,12). Im dritten Gottesknechtslied spricht der Gottesknecht selbst. „Gott, der Herr, gab mir eine Jüngerzunge. Damit ich verstünde, den Müden aufzurichten, bewirkt er ein Wort. Er weckt mir jeden Morgen das Uhr, damit ich wie ein Jünger höre. Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet.“ (lies Jes 50,4‑5)

 

Wenn wir in der Bibel lesen wenn wir möchten, dass Gott sein Wort für uns lebendig macht, dann sollte am Anfang unseres Bibellesens immer ein Gebet stehen um die Öffnung des Herzens, d.h. meiner ganzen Person. Ich kann das so tun, dass ich vielleicht das Wort aus dem Gottesknechtslied Jes 50,4‑5 lese und als Gebet umformuliere: „Herr, bewirke du heute für mich ein Wort. Öffne mir jetzt das Uhr, dass ich wie ein Jünger höre.“ Oder ich mache die Stelle Eph 1,17‑20 zu meinem ganz persönlichen Gebet: „Gott, erleuchte durch den Heiligen Geist die Augen meines Herzens, damit ich dich recht erkenne, damit ich verstehe, zu welcher Hoffnung ich berufen bin ...“ Ähnlich könnte ich auch mit dem oben genannten Abschnitt aus Apg 16 beten. Es ist auch für das Beten unendlich bereichernd, wenn wir es lernen, so mit verschiedenen Bibeltexten zu beten. (Dazu später noch ein Eigener Abschnitt.) Manchen fällt es jedoch schwer, so persönlich ein Gebet zu formulieren. Dann ist es eine gute Möglichkeit, etwa das Gotteslob zu Hilfe zu nahmen. Unter Nr. 19 sind dort einige Gebetsvorschläge vor der Schriftlesung aufgeschrieben. Man kann auch manche Liedstrophe aus dem Gotteslob zu seinem persönlichen Gebet um Öffnung des Herzens machen. Etwa: „... um Verstand wir herzlich lehn, dass wir Gottes Wort verstehn ...“ (Gotteslob Nr. 937,2 Eigenteil Münster) Oder: „Du legst uns deine Worte und deine Tagen vor. Herr, öffne unsre Herzen und unser Ohr. Herr, sammle die Gedanken und schick uns deinen Geist, der uns das Hören lehrt und dir folgen heißt.“ (Gotteslob Nr. 505,2+3; vergleiche auch die Lieder Nr. 520 u. 521) Wenn mehrere in einer Gruppe die Bibel lesen, könnten sie vielleicht eine solche Liedstrophe gemeinsam singen und danach eine kurze Stille halten, wo jeder diese Strophe zu seinem persönlichen Gebet machen kann.

 

Zum Schluss noch einen Gedanken, der mir sehr wichtig ist. In jeder heiligen Messe betet der Priester still, bevor er das Evangelium verkündet: „Heiliger Gott, reinige mein Herz und meine Lippen, damit ich dein Evangelium würdig verkünde.“ Wäre Es nicht ein guter Brauch, wenn wir als mitfeiernde Gemeinde, an dieser Stelle jeder ganz persönlich beten würde „Herr, öffne mir das Herz und das Ohr, dass ich jetzt wie ein Jünger höre“. Wenn beide, Priester und Gemeinde, so aus ehrlichem Herzen beten, ob nicht dann vielleicht das verkündete Wort Gottes unser Leben viel tiefer prägen wird?

 

IV. Was steht da?

 

Wer in der Bibel lesen will, muss eine Voraussetzung mitbringen: Er muss lesen können, was da steht. Das klingt vielleicht ganz banal. Aber es ist eine häufige Beobachtung, dass wir gerade beim Bibellesen (und hören) nicht genau hinschauen, was wirklich da steht . Da sind zum einen die vielen ganz vertrauten Evangeliumsabschnitt die man schon x‑mal im Gottesdienst gehört hat. Wenn ein Evangeliumsabschnitt anfängt: „Ein Mann hatte zwei Söhne ...“, dann fällt bei den meisten kirchlich geprägten Menschen gleich ein Raster: Ach ja, das Gleichnis vom Verlorenen Sohn; kennen wir doch. Und dann hört man gar nicht mehr genau hin oder überfliegt die Geschichte beim Lesen nur noch. Da sind die Menschen, die von Berufs wegen mit der Bibel umgehen: die Priester, die Religionslehrer usw. Wie oft liest man einen Bibeltext und ist dann gleich bei dem Gedanken: Wie kann ich darüber predigen; wie kann ich das in der Schule umsetzen. Auch viele interessierte Eltern z.B. in der Sakramentenkatechese sind in der Gefahr, gleich zu fragen: „Wie sag ich’s meinem Kinde.“ Da sind Christen, die von der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Bibel geprägt sind. Sie haben gelernt, nach der Schwerpunktaussage eines Textes zu fragen. Das ist wichtig und notwendig. Aber manchmal versperrt man sich den Blick für die vielen kleinen Einzelzüge, die einem Bibeltext oft erst die Leuchtkraft geben .

Mit einigen Beispielen möchte ich Sie ermutigen, selbst beim Bibellesen auf Entdeckungsreise zu gehen.

1.  Bleiben wir bei der Geschichte vom Verlorenen Sohn. Vielleicht lesen Sie einmal Lk 15,11‑32.

     Es lohnt sich, einmal darüber nachzudenken, dass ein Weg, der am Schweinetrog endet, mit der Haltung beginnt: „Gib mir ...“ (Vers 12) Oder: Ist es nicht beachtenswert, dass hier einer den Mut fasst, zu sagen: „Ich habe gesündigt ...“ und nicht die Verhältnisse für seine Lage verantwortlich macht. (Vers 16 + 21) Oder: Sagt es nicht viel über den inneren Zustand des älteren Sohnes aus, wenn er nach der Heimkehr des jüngeren Sohnes nicht mehr Vater sagen kann. (Die Vateranrede fehlt in Vers 29) Er kann aber auch nicht mehr ‚Bruder’ sagen. Stattdessen sagt er zum Vater: „... der hier, dein Sohn ...“ (Vers 30)

Das sind in dieser Geschichte nur einige Aspekte, die man noch vermehren könnte.

 

2.  Nehmen wir einen ganz anderen Text.

     Im letzten Buch des NT, in  der Offenbarung des Johannes redet der erhöhte Herr zur Gemeinde in Ephesus: „Ich werfe dir vor, dass du deine erste Liebe verlassen hast. Bedenke, aus welcher Höhe du gefallen bist. Kehr zurück zu deinen ersten Werken.“ (lies Offb 2,1‑7) Es ist schon bedeutungsvoll, dass es nicht heißt: „Bedenke, wie tief du gefallen bist.“ So würden wir Menschen sehr schnell sagen Aber wenn die Bibel von Umkehr und Buße redet, dann richtet sie unseren Blick nicht nach unten, sondern nach oben. Wir finden übrigens die gleiche Blickrichtung auch beim Verlorenen Sohn. Auch er findet den Mut zur Umkehr, als sein Blick nicht mehr am Schweinetrog festhängt, sondern als sein Blick auf den Überfluss beim Vater gerichtet ist. Ob nicht mehr Freude und Ermutigung in unsere Bußpraxis käme, wenn wir eine solche ‚Kleinigkeit’, die beim Bibellesen auffällt, in unserem Leben praktisch umsetzen würden?

 

3.  In der bekannten Lesung des 3. Adventssonntags: „Freut euch  allezeit im Herrn ...“ Phil 4,4‑7)

     kommt Paulus in Vers 6 auf die Sorgen zu sprechen, die uns ja oft die Freude vergällen. „Um nichts macht euch Sorgen, lasst vielmehr in jeder Lage durch Sitten und Flehen eure Anliegen mit Danksagung vor Gott kund werden.“ Wenn über diesen Text gesprochen wurde, habe ich immer die Frage gestellt: Was empfiehlt Paulus als Alternative zu ‚sich Sorgen machen’? Die Antwort war fast jedes Mal: Beten! Das ist richtig, aber Paulus ist in Vers 6 viel konkreter. Er sagt z.B. „in jeder Lage“. Das kann bedeuten: Ob ich gerade zum Beten aufgelegt bin oder nicht. Das kann bedeuten, dass keine Lage zu aussichtslos ist. Das kann auch bedeuten, dass keine Lage zu geringfügig ist, als dass ich damit nicht zu Gott kommen dürfte. Außerdem soll dieses Beten nach Paulus mit Danksagung verbunden sein. Diese wenigen Anmerkungen zeigen, dass in dem Wort des Paulus viel mehr steckt als die pauschale Antwort: ‚Beten’.

 

Wenn wir anfangen, in der Bibel zu lesen, dann lohnt es sich, genau hinzuschauen, was da steht, damit wir den ganzen Reichtum des Wortes Gottes Entdecken. Gerade die bekannten Abschnitte, die uns so vertraut in den Ohren klingen, sollten wir ‚taufrisch’ lesen, als hörten wir sie zum ersten Mal. Zum Schluss eine Begebenheit, die schon fast eine Anekdote ist. Vor einigen Jahren las eine Gruppe von Jugendlichen einmal wöchentlich gemeinsam das Johannesevangelium Da sagte ein Schüler, dass ihm beim Lesen des 17. Kapitels, ein Punkt (ein Satzzeichen) wichtig geworden sei. Gleich in Vers 1: „Dies redete Jesus. (Punkt) Und er erhob seine Augen zum Vater und sprach: Vater ...“. Diesem Schüler war aufgegangen, dass alles Reden über Gott einmal einen Punkt, ein Ende haben muss und zum Reden mit Gott werden muss. Viel leicht ist eine solche Textauslegung überzogen. Aber die Erkenntnis dieses Schülers ist eine Grundwahrheit, die uns sehr dienlich wäre, wenn wir sie beherzigen würden, auf allen Ebenen.

 

V. Bei verstandenen Bibelstellen verweilen

 

Es ist etwas ganz Schlichtes. Und doch machen hier Viele einen Fehler, wenn sie guten Willens anfangen, in der Bibel zu lesen: Sie beißen sich fest an Stellen, die sie nicht verstehen. Etwas überzeichnet möchte ich das einmal demonstrieren:

Da beginnt einer das Johannesevangelium zu lesen. Gleich beim ersten Vers bleibt er hängen. „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Er fängt an, über diesen Satz nachzudenken, aber er versteht den Sinn nicht. Vielleicht liest er weiter und stolpert sofort wieder über den dritten Vers. „Alles ist durch es geworden, und ohne es ist nichts geworden.“ In das Grübeln über diese ersten Verse des Johannesevangeliums mischt sich schon der erste Ärger. Aber er liest sich mühsam weiter durch dieses erste Kapitel. Dann kommt er an Vers 14: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Seine spontane Reaktion: Ach ja, endlich etwas Bekanntes. Das kommt im ‚Engel des Herrn’ vor. Schon ist er über diese ihm bekannte Stelle hinweggehuscht und kommt zu Vers 15: „Johannes legt Zeugnis von ihm ab und ruft: ... Der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war.“ Und wieder ärgert er sich, dass er nicht recht versteht, was gemeint ist.

Ich weiß, das ist fast eine Karikatur. Aber Viele haben eine solche Angewohnheit. Sie lesen in der Bibel von einer unverstandenen Stelle zu anderen und bohren sich darin fest. Kommen sie aber an eine Stelle, die sie verstehen, dann lesen sie relativ schnell weiter. Wer so die Bibel liest, der wird bald dieses Buch verärgert zur Seite legen mit der Begründung: Das meiste versteht man ja doch nicht. Hier ist eine Methode hilfreich, die einfach den umgekehrten Weg geht: Sich nicht in unverstandenen Stellen festbeißen, sondern bewusst bei den Stellen verweilen, die man versteht. Sich von solchen Stellen ansprechen lassen. Sich darüber freuen, wenn eine solche Stelle beim Verweilen darüber einen ganz neuen Glanz bekommt. Vielleicht kann man dann erahnen, warum der Beter des 119. Psalms immer wieder Formulierungen gebraucht wie: „Die Klarheit deiner Worte Erleuchtet“ oder „Dein Wort ist auf meinem Weg ein Licht“ (Ps 119,105+130)

Aber nun kommt ja doch die Frage auf: Wie sollen wir mit Stellen umgehen, die wir nicht verstehen, die uns ‑aus welchen Gründen auch immer‑ fremd bleiben? Als Antwort zunächst eine kleine Geschichte:

Eine alte Köchin war bei einem Grafen in Stellung. Täglich, während sie dem Grafen das Essen kochte, las sie zwischendurch in der Bibel. Eines Tages kommt der Graf dazu und fragt sie: „Verstehen Sie das eigentlich alles, was Sie da lesen?'“ „Nein“, antwortet die Köchin und rührt ganz ruhig weiter in ihrem Süppchen. Der Graf fragt weiter: „Was machen Sie denn, wenn Sie an eine Stelle kommen die Sie nicht verstehen?“ „Dann sing ich Halleluja und lese weiter“, antwortete die alte Köchin.

Eine ähnliche Haltung finden wir in einer ganz bekannten Geschichte des Lukasevangeliums.

Als Maria und Josef nach bangem Suchen den zwölfjährigen Jesus im Tempel finden, sagt ihnen Jesus: „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ Und dann heißt es von Maria und Josef: „Sie verstanden das Wort nicht, das er zu ihnen sprach.“ Aber dann wird von Maria gesagt: „Seine Mutter bewahrte alle diese Worte in ihrem Herzen.“ (lies Lk 2,41‑51)

Wenn wir beim Bibellesen ‚seine Worte’ nicht verstehen, dann ist es hilfreich, diese Haltung der Gottesmutter zu haben: Unverstandenes im Herzen (!) zu bewahren. Es ist mir persönlich oft so ergangen, dass ich solche unverstandenen Stellen lange Zeit im Herzen getragen habe. Und dann fiel plötzlich durch eine andere Bibelstelle, durch eine Predigt, durch ein Buch etc. Licht auf das, was ich unverstanden im Herzen trug.

 

Was für das Bibellesen des Einzelnen gilt, das lässt sich auch anwenden auf das Gespräch in Gruppen über einen Bibeltext. Wie viele fruchtlose Diskussionen entstehen oft, weil man sich über den Sinn einer schwierigen Stelle streitet. Häufig wird folgendes Schema in den Gruppen praktiziert: Man liest den Text vor, hält darüber Stille, und dann kann sich reihum jeder äußern, was ihm unverständlich ist. Aber auch hier sollte der Grundsatz gelten: Sich zunächst auf Verstandenes konzentrieren. Es scheint mir sinnvoller zu sein, wenn beim biblischen Gespräch nach der Stille zuerst reihum jeder sagt, was ihn angesprochen hat, was ihm wichtig geworden ist. Manche offene Frage kann auf diese Weise beantwortet werden, bevor sie überhaupt ausgesprochen wird. Denn was dem einen in der Gruppe unklar war, das ist vielleicht einem anderen in der Stille gerade wichtig geworden. So kann das biblische Gespräch ein gegenseitiges Sich Befruchten werden.

 

VI. Bibel und bewusst gelebter Alltag

 

Es gibt Menschen, die in ehrlicher Absicht angefangen haben, die Bibel zu lesen. Sie beten, dass der Heilige Geist ihnen das Wort Gottes lebendig macht. Und doch bleibt ihnen das Wort der Schrift irgendwie trocken, es ist außerhalb von ihrem Leben. Der Grund kann darin liegen, dass das Leben solcher Menschen zu wenig Konturen hat. Ich will kurz erklären, was ich damit meine.

In einer Jugendgruppe habe ich eine interessante Erfahrung gemacht: Ich wollte die Jugendlichen zum freien Beten ermutigen. Als Vorstufe bat ich sie, reihum einmal zu sagen, worüber sie sich in der letzten Woche besonders gefreut hätten. Das Ergebnis war verlegenes Schweigen. Ich versuchte es umgekehrt: Worüber hast du dich besonders geärgert? Die Reaktion der meisten: Besonders geärgert.. besonders gefreut...? Eigentlich gar nicht.

Wenn so bei einem Menschen das Leben ohne Höhepunkte und Tiefpunkte ist, dann hat das Wort Gottes kaum Ansatzpunkte in unserm Leben (übrigens auch das Gebet nicht). Für das Bibellesen wie für das persönliche Gebet ist es gut, regelmäßig einen Lebensrückblick und eine Lebensvorschau zu halten. Wenn jemand morgens die Bibel liest, dann könnte er überlegen: Welche Begegnungen, Termine, Aufgaben kommen heute auf mich zu? Gibt es Ereignisse, auf die ich mich freue? In welche Begebenheiten gehe ich mit bangen Erwartungen oder mit Angst? Ähnlich könnte man abends einen Tagesrückblick halten. Wem das täglich zu viel wird, der könnte vielleicht wöchentlich einen Rückblick und eine Vorschau halten. Wir sollten es jedenfalls auf solche Weise einüben, unser alltägliches Leben bewusster zu leben. Unser Leben muss Konturen bekommen. Wenn ich dann das Wort der Bibel mit einem so bewusst gelebten Alltag konfrontiere, dann wird das Wort der Bibel plötzlich lebendig. Wie das konkret aussehen kann, will ich an einigen Beispielen verdeutlichen.

     Eine Schülerin hatte sich morgens einen Vers aus dem Propheten Jesaja auf einen Zettel geschrieben. „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; schau dich nicht ängstlich um, ich bin ja dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir, ich stütze dich mit meiner siegreichen Rechten.“ (Jes 41,10) Diese Verheißung Gottes sollte ihren Tag prägen. Am gleichen Tag schrieb sie in der Schule eine mehrstündige Arbeit. Anschließend erzählte sie uns: Ich kam mit der Aufgabe einfach nicht klar und wurde immer nervöser. Ich hab dann das getan, was man als Schüler normalerweise in einer solchen Lage tut: Ich hab mich umgeschaut, ob ich bei einem der Tischnachbarn ‚etwas erben’ konnte. In dem Augenblick fiel mir der Vers aus Jesaja wieder ein: „Schau dich nicht ängstlich um ... ich stärke dich, ich helfe dir.“ Ich musste innerlich lachen und dann bin ich plötzlich ganz ruhig geworden und konnte mich nach kurzer Zeit voll auf die Arbeit konzentrieren.

In dem Augenblick, wo das Wort Gottes in Beziehung trat zur konkreten Lebenssituation, da wurde es nicht nur lebendig, sondern bewirkte auch, was es versprach. (lies Jes 55,10‑11)

Auf ganz ähnliche und doch andere Weise habe ich selbst einmal erfahren müssen, wie das Wort Gottes trifft. Ein Gast, der mehrere Tage zu Besuch war, ging mir sehr auf die Nerven. Am dritten Morgen begrüßte Er mich wieder mit einem großen Hallo ... Ich bin mit mürrischem Gesicht einfach vorbeigegangen, ohne seinen Gruß zu erwidern. Anschließend betete ich im Brevier sofort die Laudes, das Morgenlob der Kirche. Als Kurzlesung nach den Psalmen war genau an diesem Tag ein Vers aus dem 1. Petrusbrief dran: „Seid gastfreundlich ohne zu murren.“ (1 Petr 4,9)

Im Hebräerbrief wird das Wort Gottes mit einem zweischneidigen Schwert verglichen (lies Hebr 4,12‑13) Ich hatte keine Möglichkeit mehr, diesem Schwert auszuweichen: „Seid gastfreundlich, ohne zu murren.“

Ein treffendes Beispiel, wie das Wort der Bibel lebendig wird, wenn es mit der konkreten Lebenssituation in Beziehung tritt, ist im Neuen Testament die bekannte Geschichte von den Emmausjüngern. (lies Lk 24,13‑32) Am Ende sagen die beiden Jünger: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er auf dem Wege mit uns redete und uns die Schriften aufschloss?“ (Vers 32) Was war da geschehen? Die konkrete Lebenssituation der beiden Jünger ist beschrieben in Vers 17‑21: Sie hatten ihre ganze Lebenshoffnung auf diesen Jesus von Nazareth gesetzt. Und nun war er wie ein Verbrecher gekreuzigt worden und das auch noch von den Hohenpriestern, der geistlichen Führung des Gottesvolkes. Ihre Lebenshoffnung war zerbrochen. Selbst die Botschaft von der Auferstehung konnte sie nicht aus ihrer Traurigkeit herausreißen (Vers 22‑24). In dieser Situation konfrontiert Jesus sie mit der Botschaft des Alten Testamentes (Mose und die Propheten). Vielleicht liest er mit ihnen den 22. Psalm oder das vierte Gottesknechtslied (Jes 53). Und die alten Texte, jedem Juden vertraut, waren plötzlich nicht nur ‚Heilige Schrift’, sondern konkrete Antwort auf ihre Lebenssituation. Der Messias musste dies alles leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen.

Wenn wir so das Wort Gottes mit unserem bewusst gelebten Alltag immer wieder in Beziehung setzen, vielleicht kommen wir dann auch einmal zu dem Ausruf: „Brannte nicht unser Herz ...“

 

VII. Gehorsames Tun

 

Es gibt Bücher (z.B. Romane), die sind einzig zu dem Zweck geschrieben, dass Menschen sie lesen. Es gibt aber auch Schriften, die etwas ganz anderes bezwecken.

Ein Kochbuch etwa ist nicht dazu da, damit die Hausfrau darin liest und sich über die schönen Beschreibungen der Gerichte freut. Es will vielmehr dem Leser Ermutigung und Hilfestellung geben zum praktischen Tun, eben diese Gerichte selbst zu kochen.

Wenn jemand sich heute etwa einen Videorecorder der Komfortklasse kauft, dann findet er beim Auspacken ein Heft mit dem Titel: ‚Bedienungsanleitung’. Auch so eine Bedienungsanleitung ist nicht einfach nur zum Lesen da. Sie will zum sachgerechten Umgang mit dem komplizierten Gerät helfen. Wenn auf dem Gerät der nachdrückliche Hinweis steht: „Vor Inbetriebnahme unbedingt die Bedienungsanleitung lesen!“, dann kann ich mich natürlich über eine solche Aufforderung des Herstellers hinwegsetzen. Ich laufe dann aber Gefahr, das Gerät durch unsachgemäße Behandlung zu zerstören, oder aber viele technische Möglichkeiten, die der Hersteller in dieses Gerät eingebaut hat, gar nicht zu entdecken und auszunutzen.

Ähnlich verhält es sich auch mit der Bibel. Von Martin Luther stammt das Wort: „Die Bibel ist nicht ein Lesebuch, sondern ein Lebebuch.“ Der allmächtige Gott, der Schöpfer (Hersteller) des Lebens, hat uns in diesem Buch Weisungen, Beschreibungen, Warnungen gegeben, damit das menschliche Leben des Einzelnen und das Zusammenleben der Menschen gelingen kann. Ich bin als Leser aufgefordert, nach diesen Weisungen zu handeln. Natürlich kann ich mich über diese Weisungen hinwegsetzen. Aber dann riskiere ich, dass mein Leben misslingt oder aber, dass ich die vielen positiven Möglichkeiten, die der Schöpfer in unser Leben hineingelegt hat, gar nicht entdecke und nutze.

Wie der Schöpfer sich unser Leben gedacht hat, das lässt sich am besten ablesen am Leben Jesu.

Josua, der Nachfolger des Mose, der das Volk Israel in das gelobte Land führen soll, bekommt zu Beginn seiner Sendung folgende Aufforderung: „Das Buch dieses Gesetzes (die Weisungen der 5 Bücher Mose) sei allezeit auf deinen Lippen; sinne darüber Tag und Nacht, dass du darauf achtest, nach allem zu handeln, was darin geschrieben ist. Dann hast du Glück in deinem Unternehmen, dann wird es dir gelingen.“ (lies Josua 1,7‑6)

Ähnlich sagt es uns Psalm 1: „Wohl dem Mann, der ... Freude hat an der Weisung des Herrn ... Er ist wie ein Baum der an Wasserbächen gepflanzt ist, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, wird ihm gut gelingen.“ (Ps 1,1‑3) Die Weisungen der Bibel sind Handlungsimpulse. Gott garantiert uns, dass unser Leben gelingt, wenn wir uns danach richten.

Im Neuen Testament sagt Jesus am Ende der Bergpredigt: „Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute ... Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, ist wie ein unvernünftiger Mann, der sein Haus auf Sand baute...“ (lies Mt 7,24‑27; vgl. Jakobusbrief 1,22‑25) Gehört haben das Wort beide, der kluge und der unvernünftige Mann. Der Unterschied liegt im Handeln nach dem gehörten Wort.

 

Wenn wir in der Bibel lesen, dann sollten wir darüber nachsinnen, wo Gott uns zum Handeln auffordert: Möchte Gott mich durch diesen Text zu einem bestimmten Tun ermutigen? Möchte er eine Änderung in meinem Leben bewirken? Möchte er mich in einer bestimmten Haltung bestärken? Solche Fragen können hilfreich sein beim Lesen eines Bibeltextes.

Manchmal liegt der Impuls zum Handeln unmittelbar auf der Hand. Etwa, wenn Jesus sagt: „... geh erst hin und versöhne dich mit deinem Bruder.“ (lies Mt 5,23‑24) Manchmal muss man länger in einen Text hineinhören, um den Handlungsimpuls zu entdecken. Manchmal ist mit dem Handeln nach Gottes Wort ein großer Glaubensschritt verbunden: „Auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen.“ (lies Lk 5,1‑11) Manchmal werde ich durch das Wort Gottes aufgefordert, nicht selbst zu handeln, sondern ein Handeln Gottes an mir vertrauensvoll und erwartungsvoll geschehen zu lassen, „Mir geschehe nach deinem Wort“ (lies Lk 1,26‑36)

 

Wichtig ist in jedem Fall, dass die Beziehung der Bibel zum alltäglichen Leben, von der im vorigen Abschnitt die Rede war, nicht rein theoretisch bleibt,  sondern im gehorsamen Tun ihren Ausdruck findet.

 

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