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Siehe auch: "Gottes Prachtexemplare" 6 Impulse zu Allerheiligen
Predigt zum Evangelium: Mt 5,1-12a (Gottes Glückwünsche) Predigt zu Allerheiligen: Offb 7,2-4.9-14 Predigt zu Allerheiligen: Durchscheinend für Gott als Video
Predigt zu Allerseelen: Ijob 19,1.23-27 Predigt zu Allerseelen: 2 Kor 4,7-11 Predigttext: Offb7,2-4.9-14
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir schreiben das Jahr fünfundneunzig nach Christus. Die Lage der Kirche im römischen Reich war trostlos geworden. Es war die Zeit, wo die ersten großen Christenverfolgungen losbrachen. Und scharenweise sind die Christen vom Glauben wieder abgefallen, um dem Martyrium zu entgehen. Vierzig Jahre vorher, da hatten die Christen noch für Jesus Christus gebrannt. Sie hatten ein entflammtes Herz. Sie waren wirklich Licht der Welt gewesen. Da hatten sie erwartet, dass Christus noch zu ihren Lebzeiten noch wiederkommen und sie alle in den Himmel heimholen würde. Wir gehören zu ihm, Halleluja!
Aber dann war die Zeit lang geworden. Ein Jahr ging ins Land, ein Jahrzehnt ging ins Land, und Christus kam nicht wieder. Und ganz langsam schlich sich Müdigkeit bei den Christen ein. Und auch die Gottesdienste, die sie gefeiert haben, waren nicht mehr von der Begeisterung des Anfangs geprägt. Sie bekamen langsam aber sicher den Stempel ‚langweilig’, es ist ja immer dasselbe. Petrus war schon dreißig Jahre tot. Der Apostel Paulus schon dreißig Jahre tot. Der einzige, der noch lebte von den Augenzeugen, die Jesus erlebt hatten, war der alte Apostel Johannes in Ephesus in Kleinasien, mit seinen über fünfundneunzig Jahren. Und diesen letzten Apostel, den letzten Augenzeugen, den hatte der römische Kaiser gefangen genommen und hatte ihn in die Verbannung geschickt auf eine ganz kleine Insel im Mittelmeer zwischen der heutigen Türkei und Griechenland, auf die Insel Patmos. Und da sitzt er jetzt und denkt im Gebet an die Kirche. „Ist jetzt alles aus? Werden die Christen die Kraft haben durchzuhalten, oder geht das mit dem schleichenden Glaubenabfall immer weiter?“ Das sind die Gedanken, die ihn da auf der Insel Patmos beschleichen.
Aber dann passiert etwas. Johannes schreibt in einem Buch: Es war an einem Sonntag, und ich war im Gebet für die ganze Kirche. Da durfte ich in einer Vision einen Blick tun in die Vollendung. In dieser Vision sagte ein Engel zu mir: „Johannes du schaust im Gebet auf die Christen, wie sie müde und resigniert sind. Aber das ist nur die halbe Wirklichkeit. Steig einmal hier empor zum Tor des Himmels. Ich will dir die andere Hälfte der Wirklichkeit zeigen, die genauso Realität ist.“
Und dann darf Johannes in seiner Vision an das Tor des Himmels steigen, und er darf einen Blick tun in den Himmel, in die Vollendung. Da sieht er als erstes: Ein großer, prächtiger, goldener Thron. Und auf dem Thron sitzt der lebendige Gott. Um den Thron Gottes herum sieht er eine unübersehbar große Schar, Große und Kleine, Junge und Alte. Und die singen Loblieder auf den lebendigen Gott.
Dann sagt ihm der Engel: „Johannes, schau sie dir genau an, die da um den himmlischen Thron stehen. Das ist auch Realität; das ist auch Kirche. Nicht nur das Häufchen Elend, das du da unten im römischen Reich vor dir hast.“ Und Johannes schaut genau hin. Er sieht sie da um den Thron stehen. Und sie tragen auf der Stirn das Siegel des lebendigen Gottes. Dieses Siegel ist das Kreuz, das den Kindern bei der Taufe zum ersten Mal auf die Stirn gezeichnet wird. Das ist das Kreuz, das die Kinder empfangen, wenn sie noch nicht zur Erstkommunion gegangen sind und nach vorne kommen. Wenn die anderen die Hostie empfangen, bekommen die Kinder ein Kreuz auf die Stirn. Das ist das Siegel, das der Bischof ausdrücklich erwähnt bei der Firmung. „Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist.“ Das ist dieses Siegel, das den Kranken aufgedrückt wenn sie die Krankensalbung empfangen, wenn sie die letzte heilige Kommunion empfangen. Sie bekommen wieder dieses Siegel auf die Stirn gedrückt.
Und Johannes sieht sie da um den Thron Gottes stehen, alle mit dem Siegel Jesu Christi, mit dem Kreuz auf der Stirn. Und wenn er weiter hinschaut: Sie tragen Palmzweige in den Händen. Der Palmzweig ist das Zeichen des Siegers. Wenn der römische Kaiser damals im Krieg eine Schlacht gewonnen hatte und feierlich als Sieger in Rom einzog, dann trugen Sklaven Palmzweige vor seinem Wagen her. Daher kommt es übrigens auch, dass die Menschen damals in Jerusalem am Palmsonntag Zweige abgebrochen haben. „Hosanna dem Sohne Davids“, haben sie gerufen. Jesus zieht als Sieger in Jerusalem ein. Und jetzt sieht Johannes diese unübersehbar große Schar um den Thron Gottes stehen, mit dem Zeichen des Siegers. Er hat bisher immer nur die Menschen vor Augen hier in dieser Welt, die das Zeichen des Verlierers, des Abfalls von Gott tragen. Aber jetzt sieht in den Himmel hinein, und sie stehen alle als Sieger um den Thron Gottes.
Und dann fragt Johannes den Engel, der ihm das alles erklärt: „Wer sind denn eigentlich diese, die da um den Thron Gottes stehen? Das ist doch nicht dieses Häufchen Elend, das ich immer vor mir sehe? Das sind doch nicht die abgefallenen Christen?“ Und dann sagt ihm der Engel: „Johannes, das sind die, die aus der großen Drangsal kommen.“ Die haben Druck bekommen, die haben das Martyrium erlebt. Die sind nicht auf der siebten Wolkenbank da oben hingeschwebt, sondern sie haben kämpfen müssen. Sieger kann man nur sein, wenn man kämpft. „Es sind die, die aus der großen Drangsal kommen.“ Jesus hat in den Seligpreisungen gesagt: „Selig seid ihr, wenn sie euch verfolgen, und wenn sie euch verleumden und alles böse über euch sagen.“ Das waren solche Menschen, die aus der Drangsal kommen. Aber es gibt noch ein zweites Kennzeichen. Der Engel sagt dem Johannes: „Das sind die, die ihre Kleider weiß gemacht haben im Blut des Lammes.“ Das ist eigentlich paradox. Man kann im Blut kein Kleid weiß machen. Dahinter steht folgendes: Da hat einmal einer drei Stunden lang am Kreuz geblutet, für dich, für jeden einzelnen. Und jeder, der sich an diesem Jesus klammert, der da am Kreuz gestorben ist, der bekommt das weiße Kleid angezogen, das Zeichen seiner Würde, die er als Gotteskind bekommen hat. Und mit diesen weißen Gewändern stehen sie jetzt um den Thron Gottes. Nicht unsere Kraft garantiert, dass wir da oben stehen, sondern weil wir uns bei Jesus angehängt haben, der uns am Kreuz Erlösung erworben und geschenkt hat. Und als Johannes das alles sieht und verinnerlicht, da merkt er, wie im Himmel ein großer Jubel aufbricht. Ein riesiger Lobpreis auf den lebendigen Gott. „Würdig ist das Lamm zu empfangen Ehre, Herrlichkeit, Macht und Lobpreis.“ Amen und noch einmal Amen! So ist es!
Wenn wir heute das Fest Allerheiligen feiern, dann dürfen wir gleichsam auch so einen winzigen Blick tun in die Vollendung. Und wir dürfen die Menschen vor Augen haben, die die Vollendung bereits erreicht haben. Natürlich die großen Heiligen, aber auch die ungezählten vielen Menschen, die in stiller Heiligkeit hier auf der Erde gelebt haben. Heilig sind sie nicht, weil sie besonders tugendhaft waren, sondern weil Jesus sie erlösen durfte. Und wenn wir anfangen, hier in dieser Welt Gott aus einem entbrannten Herzen zu loben und zu preisen, dann ziehen wir gleichsam ein Stückchen der himmlischen Realität hier in unsere Welt hinein. Und wir werden spüren, wie die Freude der Erlösten, die um den Thron aufgebrochen ist, in unserem Herzen sich hier schon realisiert. Lass in deinem Herzen einmal dieses Bild aufleuchten vom Thron Gottes und von allen, die um den Thron Gottes stehen. Und schau einmal genau hin. Da ist um den Thron Gottes noch ein Platz leer, und der ist für Dich. Amen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Ich war damals gerade sechs Jahre alt, da starb mein Opa. Oma hatte eine eigene Wohnung und war jetzt ganz alleine. Da durfte ich über eine längere Zeit bei Oma schlafen in Opas Bett. Das war für uns Kinder damals etwas ganz besonderes, in Opas Bett zu schlafen. Nun hingen über dem Ehebett von Oma und Opa zwei große Bilder mit zwei Heiligengestalten. Auf der einen Seite der heilige Aloysius mit einer Lilie in der Hand, und auf der anderen Seite ein junges Mädchen, Maria Goretti. So richtig kitschige Heiligenbilder, wie man sie früher hatte. Und ich musste mir jeden Abend, wenn ich ins Bett ging, diese Bilder anschauen. Die heilige Maria Goretti, den Blick nach oben gerichtet mit einem verklärten Augenaufschlag, und der heilige Aloysius mit der Lilie in der Hand. Ich hab damals Oma gefragt: „Warum hat der denn eine Lilie in der Hand?“ Omas Antwort: „Schau mal, die Lilien haben ganz weiße Blütenblätter; genauso rein und weiß war das Herz des heiligen Aloysius. Der hat nie etwas Böses getan.“ Ich hab dann gefragt: „Der hat nie etwas Böses getan ? War das ein richtiger Mensch?“ Ich hab überlegt: „Ich möchte kein Heiliger werden. So möchte ich nicht werden wie die Heiligen auf den beiden Bilder.“ Aber Oma sagte: „Die Heiligen sind aber ganz wichtig für uns. Wenn ich meinen Schlüssel verloren habe, dann bete zum heiligen Antonius, damit ich ihn wiederfinde. Und was sollte die Feuerwehr machen ohne den heilige Florian, den Patron der Feuerwehr?“ Für mich stand fest: So ein Heiliger möchte ich nicht werden, so nicht!
Ewa zehn Jahre später, ich war 16 Jahre alt und hatte eine ziemliche Krise in meinem Glauben. Vieles in der Kirche und in der Religion war mir so fremd geworden. Ich bin sonntags nicht mehr zur Kirche gegangen, hab auch nur noch selten gebetet, und zur Beichte war ich schon lange nicht mehr gegangen. Aber dann bin ich einem Heiligen persönlich begegnet, nicht einem, der heilig gesprochen worden ist, aber doch einem richtigen Heiligen. Es war in der Fastenzeit, und Mutter hat mich immer wieder genervt: „Du gehst in dieser Fastenzeit mal wieder beichten!“ (Damals haben die Mütter noch mehr Einfluss gehabt als heute.) „Du gehst in dieser Fastenzeit beichten!“ Und weil ich das ständige ‚Gekeifere‘ leid war, hab ich mir samstags das Gebetbuch genommen, bin in die Kirche gegangen und hab mein Beichtsprüchlein auswendig gelernt. Das passte zwar alles nicht, was da bei der Beichtvorbereitung stand, aber ich wusste es ja nicht besser. Damals haben die Leute samstags noch Schlange gestanden am Beichtstuhl. Wir hatten in der Pfarrei drei Priester, zwei Kapläne und unseren Pfarrer. Ich hab mich angestellt bei unserem Pfarrer, nicht weil ich den besonders gut leiden konnte, aber der hatte den dunkelsten Beichtstuhl. Früher waren bei uns an den Beichtstühle so Gardinen davor, und der Beichtstuhl von unserem Pfarrer hatte zusätzlich noch zwei Holzklappen. „Dann kann er mich wenigstens nicht erkennen“, hab ich gedacht. Als ich dran war und gerade angefangen hatte: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes …“ und mein Sprüchlein aufsagen wollte, da redet unser Pfarrer mich auf einmal mit Namen an. Ich hatte gedacht, dass er mich nicht erkennen kann, und jetzt spricht der mich mit dem Namen an. Er kannte mich natürlich, weil ich früher Messdiener gewesen war. Es stellt sich später heraus, dass er mir nur sagen wollte, dass ich so nicht so laut reden soll, damit die Leute draußen nicht alles mithören. Aber vor Schreck hab ich alles vergessen, was ich sagen wollte. Es war für mich wie eine Katastrophe. Aber dann hat dieser Pfarrer mir mit einer solchen Liebe im Beichtstuhl geholfen. Er hat nicht nicht kritisiert, er hat so viel Geduld mit mir gehabt. Ich durfte auch alles sagen, was ich mit der Kirche an Nöten und Problemen hatte. Es war ja nicht böse Absicht, dass ich nichts mehr mit der Kirche anfangen konnte. Ich hatte so viele Fragen, was die Kirche und Gott betraf. Ich durfte das alles ansprechen, und er hat versucht, mir auf alle Fragen eine Antwort zu geben. Ich hab mich total verstanden gefühlt, und das hat so gut getan. Heute hat man ja Beichtzimmer, wo man ein Beichtgespräch führen kann. Damals war das für mich ganz neu.
Als ich dann nach Hause kam, und Mutter wieder nachbohrte: „Warst du jetzt endlich beichten?“ Da hab ich zu ihr gesagt: „So wie unser Pfarrer mich im Beichtstuhl behandelt hat, so stelle ich mir vor, dass Jesus gehandelt hätte.“ Kann man etwas größeres von einem Menschen sagen: So wie der oder die gehandelt hat, so stelle ich mir vor, dass Jesus gehandelt hätte. So ein Mensch ist ein Heiliger. Nicht Tugendbold. Unser Pfarrer hat auch viele Fehler gehabt. Auf den haben sie oft geschimpft. Aber irgendwie strahlte aus ihm etwas heraus von der Güte, von der Liebe und Menschenfreundlichkeit Gottes. Ich weiß nicht, wie mein Lebensweg weitergegangen wäre, wenn ich diese eine Beichte nicht gehabt hätte. So wie der Pfarrer mich behandelt hat, so stelle ich mir vor, dass Jesus gehandelt hätte.
Heilige sind Menschen, die Gottes Herrlichkeit und Güte durch sich hindurchstrahlen lassen auf die anderen Menschen hin. Ich will es einmal in einem Bild sagen. Im Sommer, wenn die Sonne hoch am Himmel steht, wenn sie dann versuchen, in die Sonne zu schauen, dass geht nicht, da würden Sie blind. Genauso sagt Gott schon im Alten Testament: Niemand kann mich anschauen und am Leben bleiben. Und doch kann man in die Sonne schauen. Wenn Du in eine Kirche gehst, die Fenster hat mit vielen bunten Scheiben, dann kannst Du durch diese Kirchenfenster hindurch in die Sonne schauen und du wirst nicht erblinden. So ist das auch mit den Heiligen. Man schaut durch die Heiligen hindurch etwas vom Glanz der Herrlichkeit Gottes. Und die Heiligen selbst kommen dabei nicht zu kurz. Wenn man durch das Kirchenfenster in die Sonne schaut, dann leuchtet auch das Fenster selbst in den vielen bunten Farben. Wenn man dann mal aus der Kirche rausgeht und schaut sich so ein Kirchenfenster von außen an, dann ist so ein Kirchenfenster total dreckig. Da kommt ja auch keine Putzkolonne dran. Von außen betrachtet sieht man nur Schmutz. Von innen betrachtet leuchten sie im Glanz der Sonne. Ähnlich ist das mit den Heiligen. Wenn man die Heiligen von außen betrachtet, dann sind die oft nicht sehr ansehnlich; da ist viel ‚Schmutz‘. Denken Sie nur daran Petrus, der Jesus dreimal verleugnet hat. Oder Paulus, der die Kirche verfolgt hat. Der heilige Augustinus hatte ein uneheliches Kind. Viele Heilige waren zunächst, von außen gesehen, nicht sehr glanzvoll. Aber in dem Augenblick, wo Gott durch sie durchleuchten konnte, da bekommen sie einen neuen Glanz. Und in diesen Heiligen schauen schauen wir ein Stückchen von der Herrlichkeit Gottes. Ich wünsche Ihnen an diesem Fest Allerheiligen, dass Sie Menschen begegnen, die den Glanz Gottes durch sich hindurchstrahlen lassen, und dass Sie selbst solche Menschen, solche ‚Heilige‘ werden. Vielleicht sagt man von Ihnen auch einmal: So wie der oder die gehandelt hat, so stelle ich mir vor, dass Christus gehandelt haben würde. Amen.
Predigttext: Ijob 19,1.23-27
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Tod ist eigentlich die tiefste Sinnlosigkeit des Menschen überhaupt. Alle Not in dieser Welt, alles Leid, alle Schicksalsschläge, ob es kleine oder große sind, im persönlichen Leben oder Schicksalsschläge dieser Welt. Alle diese Not gipfelt in der Tatsache, dass mit dem Tod alles aus ist. Es bleibt uns dieses eine, dass wir als Christen die Möglichkeit haben, unseren Blick nicht auf das Grab fixiert zu haben mit der Blickrichtung nach unten hin. Als Christen dürfen wir unseren Blick richten auf den Erlöser, nach oben hin. Und davon redet unser Lesungstext aus dem Buch Ijob. Was war das für ein Mann? Die Älteren kennen ihn kennen ihn eher unter dem Namen Job. Die evangelischen Christen nennen ihn Hiob. Ijob war einer der gesegnetsten Männer überhaupt. Gott hatte ihm alles geschenkt, was man sich nur vorstellen konnte: eine große Familie, reichen Besitz. Und dazu sagt Gott ausdrücklich am Anfang dieses Buches: „Ijob ist in meinen Augen untadelig; ich finde keinen Makel an ihm.“ Und dann geschieht es eines Tages, dass diesem Ijob an einem einzigen Tag alles genommen wird, was er besitzt. Es kommt ein Bote und sagt ihm: „Deine Kamele sind geraubt worden, deine Herden sind weg. Dein Haus ist abgedeckt worden, bis auf die Grundmauern von einem Sturm zerstört worden. Ich bin der einzige, der davon gekommen ist.“ Da kommt der nächste Bote: „Alle deine Söhne sind unter dem Dach des eingestürzten Hauses umgekommen.“ Und schließlich hat Ijob nichts mehr. Und vielleicht das Schlimmste: Es steht ausdrücklich dabei: Gott hatte das zugelassen, dass dem Ijob alles genommen wurde, obwohl er untadelig war in seinen Augen. Aber nicht nur das, Gott hat es in einem zweiten Gang zugelassen, dass auch Ijobs Leib über und über mit Geschwüren bedeckt wurde, so dass er furchtbar stank. Dass die Kinder auf der Straße ihn nicht mehr gegrüßt haben, sondern nur noch mit dem Finger auf ihn gezeigt haben, und einen großen Bogen um ihn gemacht haben. Seine eigene Frau, mit der er so vertraut war, mit der er Freud und Leid geteilt hatte, seine eigene Frau versteht ihn nicht mehr: „Wie kannst du noch an diesem Gott festhalten, der dich so geschlagen hat. Fluche diesem Gott und stirb.“ Und dann antwortet Ijob seiner Frau: „Du redest wie eine törichte Frau. Haben wir das Gute von Gott angenommen, sollen wir dann nicht auch das Böse von Gott annehmen. Gott hat es gegeben, Gott hat es genommen, der Name des Herrn sei gelobt.“
Schwestern und Brüder, es mag sein, dass uns das auch einmal trifft. Dass Gott uns alles nimmt, alles in diesem Leben. Vielleicht Besitztum, vielleicht die Ehre, die wir bei den Menschen haben, dass man durch Verleumdung unseren guten Namen in den Schmutz zieht. Vielleicht dass uns der geliebteste Mensch genommen wird. Wir hatten überhaupt nicht damit gerechnet, der war noch gar nicht so alt. Es mag sein, dass Gott das zulässt. Vielleicht sogar noch schlimmer als bei Ijob.
Und dann als Ijob, wie die Bibel sagt, in der Asche sitzt und sich mit einer Tonscherbe die Geschwüre kratzt, da kommen drei Freunde, die ihn trösten wollen. Aber statt ihn zu trösten, machen sie ihm vielmehr Vorwürfe und Vorhaltungen. Es ist ja oft so, dass man in seiner Not ganz allein gelassen ist. Da kommt selbst ein gut gemeintes Wort des Trostes gar nicht mehr bei uns an. Man empfindet es wie einen Vorwurf. „Ijob, das kann überhaupt nicht sein, dass du untadelig bist, sonst hätte Gott dich nicht so gezüchtigt und gestraft. Und sie treiben Ijob immer mehr in die Enge. Schließlich gerät Ijob in eine ganz tiefe Nacht des Glaubens, in ein tiefes Dunkel, wo er seinen Gott einfach nicht mehr versteht. Ja, es gilt noch sein Wort: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen, der Name des Herrn sei gelobt.“ Aber er versteht seinen Gott nicht mehr. Er empfindet Gott als einen Gegner, und hält trotzdem an Gott fest. Ja, er kommt so weit in seinem Dunkel, dass er den Tag seiner Geburt verflucht. „Verflucht sei der Mann, der meinem Vater die Botschaft gebracht hat: dir ist ein Sohn geboren. Wäre ich doch im Mutterleib verreckt, als Totgeburt.“ So weit ging die Nacht des Glaubens bei ihm, die Dunkelheit.
Schwestern und Brüder, es mag sein, dass das uns auch trifft, dass wir Gott einfach nicht mehr verstehen. Dass man am liebsten schreien möchte, und ihn anklagen möchte. Dass man dem lieben Gott am liebsten die Klamotten hinwerfen möchte, weil man ihn nicht mehr versteht.
Und die Tröster, die Freunde, sie haben auch keine Antwort. Und dann geschieht das Eigenartige. Mitten in dieser Dunkelheit, wo Ijob Gott nicht mehr versteht, bricht aus ihm plötzlich ein Leuchten und ein Strahlen auf, wie man es fast nicht mehr für möglich gehalten hätte. Da sagt er den Freunden: „Ach, dass doch diese Worte, die über mich kommen, aufgeschrieben würden, mit einem eisernen Griffel, wie eine Inschrift in einen Felsen, so dass sie aufbewahrt sind für alle Zeiten. Ich weiß gewiss, dass mein Erlöser lebt. Mag das Dunkel noch so groß sein in mir. Und wenn ich auch keine Antwort weiß auf die Frage, warum Gott das alles in meinem Leben zugelassen hat. Ich weiß gewiss, dass mein Erlöser lebt.“ Dass ist diese Gewissheit, mit der die frühen christlichen Märtyrer in den Tod gegangen sind, als sie den wilden Tieren vorgeworfen werden. Man konnte ihnen das Leben rauben. Man konnte ihnen alles nehmen. Aber man konnte ihnen diese Gewissheit nicht nehmen: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ Als Letzter tritt er auf. Wenn ihr alle weg gegangen seid, ihr Tröster mit menschlichen Worten, die ihr ja auch keine Antwort wisst. Als letzter tritt er auf, das letzte Wort hat er. Und mag auch meine Haut zerfetzt sein, sagt Ijob, ich werde Gott in meinem Fleisch schauen. Ich werde ihn sehen. Vielleicht erinnern sie sich an das Evangelium vom Vortag, vom Fest Allerheiligen. „Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Ijob ist so ein Mann, der weiß, mein Herz ist lauter. Und daher die Gewissheit: Ich werde Gott schauen. Ich werde ihn schauen, und ich werde dann erleben: er wird für mich sein. Es hat den Anschein als wenn ob Gott gegen mich ist, weil mich das alles getroffen hat. Aber es wird sich einmal herausstellen, dass Gott für mich ist. Hier leuchtet die Frohe Botschaft des Neuen Testamentes auf, aus dem 8. Kapitel des Römerbriefes. Da schreibt Paulus: „Wenn Gott für uns ist, wer will dann gegen uns sein. Gott hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, er hat ihn für uns alle hingeben. Wie sollte er uns mit Christus nicht alles schenken … Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn?“ Nicht einmal der Tod, ganz zu schweigen Leid und Not und Jammer können uns von der Liebe Gottes trennen. Er wird für mich sein. Und dann dieses wunderbare Wort aus dem Munde Ijobs: „Wenn ich ihn dann schaue, dann wird er für meine Augen kein Fremder sein.“ Das heißt, ich habe so oft vor ihm gestanden. Sein Bild hat sich meinem Herzen so tief eingeprägt. Wenn ich ihn mit meinen eigenen Augen sehen werde, ich werde ihn sofort erkennen. Er wird für mich kein Fremder sein. Könnten wir das sagen, dass uns das Bild Jesu Christi so sehr im Herzen eingeprägt ist, dass wir ihn erkennen. Es gibt ein wunderbares Wort der heiligen Mechthild von Magdeburg, was mich als Jugendlicher schon sehr getroffen hat. „Herr, wenn ich dich unter Tausenden sähe, ich würde dich wohl erkennen.“ Diese Gewissheit: er wird meinen Augen kein Fremder sein.
Und zum Schluss sagt er: Mein ganzes Inneres, (im hebräischen steht da, meine Eingeweide, meine Nieren, das Innerste des Menschen) mein ganzes Innerstes sehnt sich nach diesem Augenblick, wo ich ihm begegne, wo ich ihn schauen werde, wo ich erleben darf, dass er für mich ist, und wo ich ihn wieder erkenne. Das sagt ein Mann, der in äußerster Dunkelheit sitzt.
Schwestern und Brüder, wir gedenken heute der Verstorbenen, der Verstorbenen, die wir lieb gehabt haben, und auch der Verstorbenen, an die keiner mehr denkt. Und wenn wir einmal so im Geiste die Liste der Verstorbenen durchgehen, die uns lieb sind. Vielleicht sind da auch welche dabei, die in großer Not durchs Leben gegangen sind, in großer Dunkelheit. Dass wir vielleicht sogar den Eindruck hatten, sie sind in Glaubensfinsternis gestorben. Aber ich denke: Wenn diese Verstorbenen heute zu uns predigen könnten, Vielleicht würden sie uns das gleiche sagen wie Ijob: „Ach, dass euch den Lebenden doch diese Botschaft doch ins Herz gemeißelt würde, dass ihr diese Gewissheit habt: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ Um es dann weiterzuführen mit einem Wort der heiligen Theresa von Avila: „Gott allein genügt“, auch in der Dunkelheit. Amen.
Predigttext: 2 Kor 4,7-11
Liebe Schwestern und Brüder!
Wann stirbt ein Mensch, und wann geschieht Auferstehung? Normalerweise sagt man ja: Ein Mensch stirbt dann, wenn er sein Leben aushaucht, wie man so sagt. Das stimmt auch. Aber, wenn man mal genau hinschaut, dann stirbt ein Mensch nicht nur einmal, sondern er stirbt unter Umständen immer wieder, bereits hier in diesem Leben. Ich will ihnen dafür einige Beispiele sagen. Wenn eine Ehe zerbricht, dann ist das wie ein Stück Sterben, da geht eine Beziehung kaputt. Wenn eine Liebe in die Brüche geht, das ist wie sterben. Wenn du auf einen Menschen vertraut hast, du hast ihm vielleicht deine tiefsten Geheimnisse anvertraut, und der hat dein Vertrauen missbraucht, das ist ein Stück Sterben. In einer ganz anderen Weise erleben das manchmal Eltern wenn ein Sohn oder eine Tochter aus dem Haus gehen, etwa wenn sie heiraten. Wenn Eltern sich sehr an ein Kind gebunden haben, dann kann das für Eltern ein Stück Sterben sein. Überall dort, wo mir der Boden unter den Füßen weggezogen zu sein scheint, da geschieht ein Stück Sterben. Da hast du dich engagiert, ehrenamtlich, vielleicht in der Kirchengemeinde, und ein anderer macht mit spitzer Zunge dein Engagement madig. Du hast es gut gemeint, auch wenn natürlich jeder seine Fehler hat. Auch das ist ein Stück Sterben, wenn man so etwas erlebt.
Das hat auch der Apostel Paulus erfahren. Ich weiß nicht, ob Sie eben bei der Lesung genau hingehört haben. „Wohin wir auch kommen, tragen wir das Sterben Jesu an unserem Leib. Obgleich wir leben, werden wir immer wieder dem Tod ausgeliefert.“ Und dann zählt Paulus einige Erfahrungen auf, die er gemacht hat: „Wir werden von allen Seiten in die Enge getrieben.“ Ja, das hat er erlebt. Paulus ist in jeder Gemeinde rausgeschmissen worden. Er war damals nicht der große Theologe, als den wir ihn heute sehen. „Wir wissen weder aus noch ein.“ Diese Erfahrung hat auch Paulus gemacht. „Wir werden gehetzt, wir werden niedergestreckt. Wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib.“ Paulus wusste etwas davon, dass das Sterben hier in diesem Leben bereits beginnt. Aber, hier in diesem kurzen Abschnitt aus dem zweiten Korintherbrief wird auch deutlich: Die Auferstehung ist auch nicht etwas, was nur irgendwann später einmal passiert, sondern auch Auferstehungserfahrung geschieht hier in diesem Leben. Da schreibt Paulus: „Wir werden von allen Seiten in die Enge getrieben, aber wir finden doch noch Raum.“ Ich bin nicht am Boden zerstört. Das ist Auferstehungserfahrung. „Wir wissen weder aus noch ein, dennoch verzweifeln wir nicht.“ Das ist Auferstehungserfahrung. „Wir werden gehetzt, getrieben von allen Seiten und sind dennoch nicht verlassen.“ Wir sind dennoch getragen und geborgen. Das ist Auferstehungserfahrung.
Wenn wir das einmal wieder in unsere Zeit übersetzen, dann könnte man sagen: Wenn jemand dein Vertrauen missbraucht hat, und trotzdem lebt in deinem Herzen dieses Urvertrauen weiter, du bist nicht am Boden zerstört, dann ist das Auferstehungserfahrung. Wenn eine Liebe in die Brüche gegangen ist, und du nimmst nicht einen Strick oder Alkohol oder Drogen, dann ist das Auferstehungserfahrung. Du weißt, dass es einen gibt, der immer noch zu dir steht. Wenn jemand dein Engagement mies machen will, und du dann in deinem tiefsten Herzen die Gewissheit hast: Bei Gott steht mein Recht, er wird mich beurteilen, dann ist das ein Stück Auferstehungserfahrung. Und wenn du im Leid total niedergebeugt bist und nicht mehr aus noch ein weißt, und dann auf einmal spürst: Da sind immer noch die Arme Gottes, die mich tragen, irgendwo hab ich im Herzen dieses Stück Geborgenheit, das ist Auferstehungserfahrung hier in dieser Welt.
Und wenn es dann wirklich einmal daran geht, den letzten Atemzug zu tun, aus dieser Welt wirklich heraus zu gehen, dann können solche Menschen auch in der Gewissheit ihren letzten Atemzug tun. Dieser Gott, der mich in all den negativen Erfahrungen dieser Welt getragen hat, der wird mich auch tragen in die Ewigkeit. Es ist so, wie wir eben gesungen haben: „Es mag mich auf die rauhe Bahn Not, Tod und Elend treiben, dann wird Gott mich ganz väterlich in seinen Armen halten, drum lass ich ihn nur walten.“ Amen.
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