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Liebe Schwestern und Brüder!
Es gibt nur ganz wenige Dinge aus meiner Grundschulzeit, an die ich mich noch erinnern kann. Aber eine Begebenheit ist mir ganz lebendig geblieben. Wir hatten damals - heute würde man sagen Sachkundeunterricht. Unsere Lehrerin hatte eine kleine Kerze angezündet und sie auf das Lehrerpult gestellt. Dann nahm sie ein großes Einmachglas und stülpte dieses Einmachglas über die brennende Kerze. Es hat nur ganz wenige Sekunden gedauert, und die Kerze war erloschen, ohne dass jemand gepustet hatte. Wir Kinder konnten uns das alle nicht erklären. Dann hat unsere Lehrerin uns das erklärt. Sie sagte: „Jede Kerze, jede Flamme, jedes Feuer braucht Sauerstoff, braucht Luft, damit es brennen kann. Und wenn ich über eine brennende Kerze das Glas darüber stülpe, dann ist nach wenigen Sekunden die Luft weg, und dann kann die Kerze nicht mehr brennen; sie geht aus.“
Heute habe ich bei der Vorbereitung der Predigt gedacht: Ob das nicht vielleicht nicht ein Bild ist für die Situation unserer Kirche hier in Europa? Wir haben von Jesus Christus die Berufung: „Ihr seid das Licht der Welt! Lasst euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie euere guten Taten sehen und eueren Vater im Himmel preisen.“ Das ist unsere Berufung. Aber wenn wir in unsere Kirche schauen, dann habe ich manchmal den Eindruck: Es ist fast so, als wenn man über diese Flamme ein Einmachglas drübergestülpt hat. Es ist keine Luft mehr da, es ist kein Sauerstoff mehr da. Und manchmal kann man den Eindruck gewinnen: Das Licht der Welt, das wir eigentlich sein sollen, droht jeden Augenblick zu erlöschen. Es ist höchstens noch ein glimmender Docht. Schauen sie sich die Ereignisse in den letzten Monaten und Wochen in der Kirche an. Die Diskussion um sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester. Wir erleben ja diese Not, dass es uns fast die Luft abschnürt und dass man manchmal gar nicht mehr weiß, ob die Kirche noch einmal wieder zum Glühen und zum Leuchten kommen kann. Es ist, als wenn keine Luft mehr da wäre, kein Sauerstoff mehr.
Wenn wir heute das Pfingstevangelium anschauen, das ja eigentlich ein Osterevangelium ist, dann merken wir, dass die Situation bei den Aposteln fast genauso war. Sie sitzen am Osterabend wie ein Häufchen Elend hinter verschlossenen Türen. Sie hatten einmal für ihren Herrn Jesus Christus gebrannt. Aber jetzt war er gekreuzigt worden. Jetzt war die Sache aus, und sie sitzen hinter verschlossenen Türen. Jedes Mal, wenn jemand an der Türe klopft, dann zucken sie zusammen, weil sie Angst haben: Jetzt holen sie uns auch. Da war nichts mehr von dem Leuchten, von diesem Strahlen, das sie einmal gehabt hatten. Sie sitzen nur noch da wie die verängstigten Kaninchen. Keine Luft mehr, die Flamme droht auszugehen. Und dabei hatten sie die Osterbotschaft schon gehört. Die Frauen hatten ihnen ja schon gesagt, dass Jesus lebt. Und trotzdem war es so, als wenn es ihnen gleichsam den Hals zuschnürt, ähnlich wie die Situation der Kirche heute. Und dann schau dir die gleichen Apostel an fünfzig Tage später am Pfingstfest auf dem Marktplatz in Jerusalem. Wie sie mit einer unglaublichen Unerschrockenheit und Begeisterung die großen Taten Gottes verkünden. Da ist nichts mehr von Furcht, nichts mehr von Angst, nur noch Jubel und Begeisterung. Was war da passiert in diesen fünfzig Tagen? Was war passiert, dass aus diesem verängstigten Häufchen so eine leuchtende, brennende Schar von Glaubenszeugen wurde. Vielleicht lohnt sich ja, einmal darüber nachzudenken. Vielleicht kann ja auch unsere Kirche heute aus der Lethargie erwachen zu einem neuen Brennen.
Das Erste was passiert war: Die Jünger waren dem Auferstandenen begegnet. Vierzig Tage hindurch ist der Auferstandene ihnen begegnet und hat sich durch viele Beweise ihnen als der Lebendige gezeigt. Er hat ihnen seine Hände gezeigt, seine Füße, und er hat mit ihnen Fisch und Brot gegessen. Sie wussten: Er lebt! Und nichts macht einen Christen so stark, als wenn er Jesus Christus wirklich begegnet ist. Du kannst Hunderte von Predigten hören über Ostern und Pfingsten. Du kannst Bücher lesen über die Auferstehung, du kannst dir im Fernsehen einen noch so schönen Pfingstgottesdienst anschauen, dein Herz wird immer kalt bleiben, es sei denn: Dir begegnet der Auferstandene selber. Das ist das Geheimnis. Nur ein Stichwort: Schau Dir die Emmausjünger an. Da war es genauso. Schau Dir Maria Magdalena an, die traurig am Grab gesessen hat, wie ihr Herz auf einmal brennt, als Jesus sie anspricht: „Maria“. Das ist das erste: Wir brauchen Begegnung mit dem auferstandenen Herrn . Ein Zweites, was in dieser Zeit mit den Aposteln passiert war: Sie haben am eigenen Leibe erlebt, was Erlösung bedeutet. Natürlich hatte der irdische Jesus oft zu ihnen über Erlösung gesprochen. Aber jetzt am Ostertag, wo sie da wie die verängstigten Kaninchen sitzen, erfahren sie es am eigenen Leib, was es bedeutet: Mir ist Erlösung geschenkt worden, bedingungslos. Alle waren sie abgehauen, als Jesus gefangen genommen wurde; keiner war dabei gewesen. Alle hatten sie eine große Klappe gehabt, und dann sind sie alle abgehauen. Und als dann Jesus am Osterabend in ihre Mitte kommt, da macht er ihnen keinen Vorwurf, sondern er sagt einfach nur: „Friede sei mit euch.“ Ich nehme dich so an, wie du bist. Jeder von hat Fehler und Schwächen. Und es tut so gut zu wissen: Trotz meiner Schwächen, mit meinen Fehlern bin ich von Gott angenommen, so wie ich heute bin. Wenn mich kein Mensch mehr annimmt, Gott nimmt mich an. Das bedeutet Erlösung, das gibt Kraft. Das Dritte, was die Apostel erlebt haben: dass Jesus sie sendet. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Und auch hier muss man sagen: Was bedeutet das für einen Menschen, wenn er merkt: Ich werde gebraucht. Das ist doch das, worunter so viele ältere Menschen heute leiden, dass sie den Eindruck haben: Wir alten Leute sind ja gar nicht mehr gebraucht. Und hier sagt Jesus diesen Versagern, diesen einfachen Fischern vom See Genesareth: Ich brauche euch, ich sende euch. Und eure Sendung ist genau wichtig wie meine Sendung. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Ich habe keine anderen Hände als die euren, ich habe keinen anderen Mund als den euren. Ihr vollendet jetzt das, was ich auf Erden begonnen habe. Und das macht stark. Man weiß, ich bin gesendet. Und schließlich ein Viertes. Und damit kommen wir zum Geheimnis des Pfingstfestes. So ein ganz schlichtes Wort: „Empfangt den heiligen Geist.“ Das ist gleichsam die Ausrüstung für die Sendung, Die Kraftquelle, die Jesus ihnen gibt. Das ist das innere Feuer, was in ihnen brennt, damit sie den Mut haben, zu den Menschen hinzugehen, damit sie den Mut haben, selbst ihr Leben aufs Spiel zu setzen für Jesus. In ihnen brannte dieses Feuer des heiligen Geistes. „Empfangt den heiligen Geist.“ Der Mensch, den Jesus Christus mit dem heiligen Geist erfüllt hat, kann in der Kraft des heiligen Geistes losgehen. Jesus hatte den Aposteln ausdrücklich gesagt: „Geht nicht auf eigene Faust los, fangt nicht an zu missionieren aus eigener Kraft, sondern wartet in Jerusalem. Und dann haben sie gewartet, zehn Tage, zwanzig Tage, dreißig Tage, fünfzig Tage lang. Was können fünfzig Tage eine lange Zeit werden. Aber dann am Pfingstfest in Jerusalem, da war auf einmal die Zeit erfüllt, dass der heilige Geist kommen konnte. Vielleicht noch die Frage: Wann ist denn die Zeit erfüllt? Wann ist denn die Zeit erfüllt für uns, dass uns der Heilige Geist erfüllen kann? Da gibt uns die Lesung einen ganz kleinen Hinweis. Da heißt es am Anfang unserer Lesung heute: „Als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort.“ Das ist ein ganz schlichter Satz. Sie waren zusammen, und sie haben zusammen in diesen Tagen mit der Verheißung Jesu gerechnet. Sie wussten nicht, was auf sie zukommt. Aber sie haben sich danach gesehnt, dass sie diese Kraft des Heiligen Geistes empfangen, von der Jesus gesprochen hatte. Sie haben darum gebetet. Sie haben gehofft, dass Jesus sein Versprechen wahr macht.
Und eins darf man auch sagen: Wo heute in der Kirche Menschen zusammen sind in der betenden Erwartung, wo Menschen sich zu Gebetskreisen zusammenschließen und damit rechnen, dass Gott mit seiner Kirche durch den Heiligen Geist noch einmal etwas Großes tut, da erfahren sie auch, dass Gott die Kirche erneuert. Ich habe einen evangelischen Pastor aus Seoul in Südkorea kennen gelernt, der ist Pastor gewesen Pastor in den Slums, in den Elendviertel von Seoul. Der hat erzählt: Wir haben in Seoul eine Gebetskette gebildet, Menschen, die Tag und Nacht gebetet haben, ununterbrochen, natürlich nicht immer die gleichen, sondern wie eine Kette. Sie haben gebetet um den Heiligen Geist. Und seine Gemeinde ist innerhalb von zehn Jahren gewachsen auf zwanzigtausend Mitglieder. Die haben erfahren: Gott wirkt durch den Heiligen Geist. Höre Dir einmal an, was Missionare erzählen in Brasilien, was Missionare erzählen aus Afrika. Wie die Menschen dort beten und wie sie damit rechnen dass sie die Kraft Gottes erfahren. Und Gott lässt sie diese Kraft erfahren. Dort wo Menschen zusammenkommen und sich danach ausstrecken, wo Menschen nicht genügsam und zufrieden sind mit dem, was sie haben, da werden sie merken: Gott macht auch heute noch seine Verheißung wahr. Schau Dir doch einen Mann an, wie Papst Johannes XXIII. Als alten Mann haben sie den zum Papst gewählt. Aber in dem hat das Feuer gebrannt. Und Gott hatte ihm eine Vision ins Herz gelegt, dass er für die Kirche noch einmal ein neues Pfingsten schenken will. Und was hat dieser alter Mann in den wenigen Jahren, wo er Papst war, für die Kirche bewirkt. Er hat damals das Konzil einberufen. Und ist das denn ein Zufall, dass dieser Papst Johannes XXIII. an einem Pfingstfest gestorben ist. Da ist selbst sein Sterben noch zu einem Hoffnungszeichen geworden für die Kirche. „Empfangt den Heiligen Geist“, sagt Jesus. Streckt euch danach aus, sehnt euch danach, kommt zusammen und betet um den Heiligen Geist. Seid nicht zufrieden mit dem jämmerlichen Zustand, in dem viele Christen heute sind. „Und ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen“. Rechne damit. Und ich bin sicher, dass ich es noch erleben werde auch hier in Deutschland, dass Jesus seine Kirche erneuert, dass dieses Licht, was jetzt noch wie ein glimmender Docht ist, dass das wieder leuchtet, strahlt, weil Wind dran gekommen ist, und weil das Brausen des Heiligen Geistes dieses Feuer wieder zum Leuchten bringt.
Nehmen sie zum Schluss nur dieses eine Bild noch mit: Jeder, der schon einmal zu Hause im Garten gegrillt hat, weiß: Wenn da von der Grillkohle nur noch so ein winziger Funke da ist und alles andere ist erloschen, da brauchst Du eine Luftpumpe oder einen Blasebalg zu nehmen und mal kräftig dran blasen. Auf einmal kommt eine Glut, die manchmal sogar zu einer großen Flamme wird. Und dieses Bild dürfen wir haben für die Kirche, nicht weil wir so gut sind, sondern weil der Heilige Geist so gut ist. Amen.
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