Pfarrer Karl Sendker

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siehe auch:  Taufe Jesu A

Predigt zum Evangelium:  Lk 3,15-16.21-22

Predigttext:      Lk 3,15-16.21-22

Predigt im MP3 Format

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

„Das ganze Volk war voller Erwartung!“ Zu Hunderten, vielleicht zu Tausenden sind damals die Menschen aus Jerusalem und von überall her zum Jordan geströmt, um Johannes zu hören. Jahrhunderte hatte es in Israel keinen Prediger gegeben, der mit einer solchen Vollmacht den Menschen die Botschaft Gottes gesagt hat, der mit einer solchen Kraft und Gewissheit geredet hat, der Menschen so ins Gewissen geredet hat. „Das ganze Volk war voller Erwartung!“ Im Stillen dachten sie: Ob Johannes nicht vielleicht selber der Messias ist?

 

Einmal kurz eine Zwischenfrage: Gilt das für uns eigentlich auch noch, dass wir voller Erwartung sind? Wenn wir sonntags zur heiligen Messe kommen, sind wir dann voller Erwartung, dass Gott uns heute trifft, dass er uns anspricht? Oder denken wir beim Sonntagsgottesdienst: Na ja, das gehört für einen Christen zum Sonntag dazu. Vielleicht erwartet man noch eine gute Predigt. Aber die darf dann auch nicht länger als zehn Minuten dauern. Haben wir noch dieses brennende Herz, diese brennende Erwartung, dass Gott selbst uns anspricht, dass Gott etwas an uns tut, dass in diesem Gottesdienst ein Stück von der Herrlichkeit Gottes erfahrbar wird? „Das ganz Volk war voller Erwartung.“

Wenn wir nichts mehr erwarten, dann ist das gleichsam so, als wenn wir dem Wirken Gottes einen Riegel vorschieben, als wenn wir ihm die Hände binden. Wer nichts mehr erwartet, der darf sich nicht wundern, dass letztlich das ganze Christenleben furchtbar langweilig wird.

 

Als ich hier in diese Pfarrstelle gekommen bin, ich bin mit großen Erwartungen gekommen. Ich rechne damit, dass Gott hier in unserer Gemeinde Menschen anspricht. Es ist meine Erwartung, dass Menschen hier in der Pfarrei wieder Hunger bekommen nach dem Wort Gottes. Weil Menschen spüren: Hier redet Gott zu mir ganz persönlich. Hier kann ich erfahren, was sein Wille ist. Hier kann ich spüren, wie er denkt, wie er reagiert, dass er uns nicht ohne Weisung gelassen hat, dass er uns Auskunft gibt, welche Pläne er mit der Welt hat, welche Pläne er mit der Kirche und auch mit meinem Leben hat. Dass ein Hunger nach dem Wort Gottes entsteht, das ist meine Erwartung.

Es ist meine Erwartung, dass Gott hier in der Gemeinde durch den Heiligen Geist einen Hunger schenkt nach dem Gebet, nach einem ganz persönlichen Beten. Wo das Beten nicht mehr eine Pflichtübung ist, morgens, mittags und abends ein auswendig gelerntes Gebet, sondern wo wir aus unserem Herzen heraus Beten lernen, und wo wir spüren: Jedes Beten ist gleichsam wie ein Interview mit dem Allerhöchsten.

Es ist meine Erwartung, dass hier in unserer Pfarrei junge und alte Menschen wieder Freude bekommen am Glauben, Freude bekommen am Gottesdienst. Dass diese elende Frage: „Muss man ...?“, dass die weg ist. Dass Menschen vom Gottesdienst sagen: Was hat das heute wieder etwas gebracht. Dass wir einen lebendigen Gott haben, der sich auch in unserem Gottesdienst äußert.

Was wünschte ich, dass meine großen Erwartungen sich übertragen auf die ganze Gemeinde!

„Das ganze Volk war voller Erwartung!“

 

Aber Gott muss in unserem Evangelium die Erwartung des Volkes doch auch umpolen. Die Menschen damals haben große Erwartungen gehabt an Johannes. „Ob er vielleicht selbst der Messias ist ...?“ Und dann spricht Johannes ein großes Wort: „Ich taufe nur mit Wasser.“ Wir haben ja bei uns diese Redensart: „Der kocht auch nur mit Wasser.“ Johannes will damit sagen. Ich bin ein Mensch wie ihr. Wenn ihr von mir etwas erwartet, dann werdet ihr immer irgendwo enttäuscht.

 

Das gilt heute auch. Wenn wir etwas von Menschen erwarten; wenn eine Gemeinde etwas vom Pfarrer erwartet, wenn der Pfarrer etwas erwartet von den Gemeindemitgliedern, dann werden wir wechselseitig immer irgendwann enttäuscht sein, weil wir eben alle „mit Wasser kochen“.

Und darum wird diese falsche Erwartung der Menschen im Evangelium umgebogen. Johannes sagt: „Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich. Und er wird nicht mit Wasser taufen, sondern er wird mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen.“

Von daher richtet sich auch meine Erwartung als Pfarrer nicht an die Gemeinde, sondern an den lebendigen Gott selber, an Jesus Christus, der stärker ist als all unser gutes Bemühen, und der mit Feuer tauft. Es soll wirklich Feuer an die Gemeinde kommen, Feuer der Begeisterung, Feuer des Heiligen Geistes. Er, der stärker ist, wird mit dem Heiligen Geist taufen, sagt Johannes.

 

Wenige Tage später kommt Jesus selber an den Jordan und lässt sich von Johannes taufen. Und dann wird auf einmal spürbar, was damit gemeint war: Mit Feuer und mit Heiligem Geist taufen. Als Jesus in den Jordan steigt, da kommt der Heilige Geist auf ihn herab, und es geschehen drei Dinge. Und die geschehen bei uns auch, wenn wir diese Erwartungshaltung haben.

 

Das Erste: Gott sagt zu Jesus: „Ich habe an dir Wohlgefallen.“ Das sagt er zu jedem, der heute hier in diesem Gottesdienst ist: „Du bist ein Mensch, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Mit allen Macken und Kanten, so wie Du bist. Wenn Gott Dich anschaut, wenn er in Dein Gesicht schaut, dann ist es gleichsam so, als wenn er in einen Spiegel schaut, weil Du sein Ebenbild bist. Darum bist Du ihm ungeheuer wichtig. „Ich habe an dir Wohlgefallen.“ Das tut so gut, wenn man weiß: Gott hat an mir Wohlgefallen. Es kann nämlich sein, dass wir in Situationen kommen, wo kein Mensch mehr an uns Wohlgefallen hat, wo ich mich selber vielleicht nicht mehr ausstehen kann. Aber dann gilt immer noch. Gott hat an mir Wohlgefallen.

 

Das Zweite, als der Heilige Geist auf Jesus kommt: „Du bist mein geliebter Sohn.“ Das gilt ebenfalls für jeden von uns, und damit sagt Gott uns: „Ich möchte zur dir so ein persönliches Verhältnis haben, wie ein Vater zu seinem Kind hat.“

Wenn wir uns ausmalen wollen, wie Gott sich unser Verhältnis zu ihm und sein Verhältnis zu uns gedacht hat, dann schau dir den irdischen Jesus von Nazareth an. Er war der Mensch gewordene Sohn Gottes schlechthin. Schau Dir einmal an, wie gleichsam zärtlich er Gott anredet: „Abba, lieber Vater“. Schau Dir an, mit welcher Vollmacht er die Menschen geliebt hat, bis hin zum Kreuz, wo er eine Entschuldigung sucht für die, die ihn verspotten und quälen: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Die Vollmacht, mit der Jesus geredet und gehandelt hat, das ist gleichsam der Maßstab für unser Christsein. So denkt sich Gott unser Verhältnis zu ihm. Achten Sie einmal darauf, wenn Sie die Evangelien lesen oder hören im Laufe des Kirchenjahres, wie Jesus war, und wie sein Verhältnis zum Vater war. Das gilt für Dich. Du bist eine geliebte Tochter, ein geliebter Sohn Gottes. Das ist Realität.

 

Das Dritte, was passiert, wenn wir mit Heiligem Geist und mit Feuer getauft werden: Der Himmel öffnete sich. Das ist vielleicht nur ein Bild. Aber mit diesem Bild wird ausgedrückt: Der Himmel ist nicht mehr zu. Israel, das Volk Gottes, hatte den Eindruck gehabt: Durch unsere Sünde liegt es wie eine Bleidecke auf uns. Wir kommen nicht mehr zu Gott durch. Wir können noch so viel schreien, Gott hört uns nicht, und Gott greift auch nicht ein.

Und jetzt sagt uns das Evangelium: Der Himmel ist offen. Du kannst mit Gott Kontakt aufnehmen, etwa im Gebet. Und das ist dann nicht nur Plappern, das bis zur Zimmerdecke geht. Nein, Du hast im Gebet Zutritt zum Thron Gottes. Du kannst mit Deinem Gebet den Arm Gottes bewegen, der eingreift in diese Welt. Ich weiß wohl, dass viele Menschen heute das nicht glauben wollen, gerade auch angesichts des vielen Leides in der Welt. Aber es ist Realität. Wir haben als Kinder Gottes Zutritt zu ihm; der Himmel ist nicht mehr verschlossen. Es gibt Kommunikation zwischen Gott und den Menschen. Letztlich ist geglückte Kommunikation selbst schon Himmel. Verhinderung von Kommunikation ist Hölle. „Der Himmel ist offen.“

 

All das Große, das hier am Jordan seinen Anfang nimmt, beginnt mit der Haltung: „Das ganze Volk war voller Erwartung.“ Und ich wünschte mir nur dies Eine: Wenn wir schon nicht ein große Erwartung haben, dann doch wenigstens eine kleine Erwartung, aber an einen großen Gott.    Amen.

 

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